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Christian Hermann, Markus Lang & Manuel Pfeilstecher
Simulation trifft Gamification: Ein Blended Learning Konzept zur Förderung von Patientensicherheit in der Pflegeausbildung

Die Gesundheits- und Krankenpflege steht vor der Herausforderung, praxisnahe und innovative Lehrmethoden zu integrieren, um die Patientensicherheit in der Praxis zu gewährleisten. Simulationen haben sich als effektive Methode erwiesen, um theoretisches Wissen in realitätsnahen Szenarien zu üben und zu festigen. Patientensicherheit ist ein zentrales Anliegen in der Gesundheitsversorgung. Einer von zehn Patienten in Ländern mit hohem Einkommen erleidet ein unerwünschtes Ereignis während eines Krankenhausaufenthalts (WHO, 2018).

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Fehler in der Gesundheitsversorgung verursachen nicht nur erhebliches persönliches Leid für die betroffenen Patienten und ihre Familien, sondern auch erhebliche finanzielle Kosten. In Deutschland werden jährlich rund 17.000 vermeidbare Todesfälle durch unerwünschte Ereignisse im Krankenhaus verzeichnet (Bundesgesundheitsblatt, 2023). Diese Ereignisse führen zu zusätzlichen Kosten von etwa 1,5 Milliarden Euro pro Jahr. Die Vermeidung solcher Fehler durch verbesserte Ausbildung, z. B. mittels Simulationen, kann daher sowohl die Patientensicherheit erhöhen als auch die finanziellen Belastungen eines Landes reduzieren (Paula, 2017).

Eine positive Fehlerkultur ist entscheidend für die Patientensicherheit. Fehler sollten im Rahmen der Simulation nicht sanktioniert, sondern als Lernchancen betrachtet werden. Dies fördert eine Kultur des Vertrauens und der Offenheit, in der Pflegekräfte und andere Gesundheitsberufe mutig und ehrlich über Fehler sprechen können (Engelbrecht, 2011). Die Implementierung von Systemen zur Fehlerberichterstattung und regelmäßige Schulungen zur Fehlerkultur sind wesentliche Schritte, um die Patientensicherheit zu verbessern.

Die Integration von Patientensicherheit in die Ausbildung von Pflegekräften ist daher unerlässlich, um die Qualität der Versorgung zu verbessern und Fehler zu minimieren (Hellmann, 2022).

Dieser Artikel behandelt den Zusammenhang zwischen dem Studium der Gesundheits- und Krankenpflege, der Anwendung von Simulationen und der Förderung der Patientensicherheit.

Simulation in der Pflegeausbildung

Simulationen sind in der akademischen Pflegeausbildung gut etabliert und ermöglichen es den Studierenden, theoretisches Wissen in komplexen, realitätsnahen Situationen anzuwenden. Diese Szenarien reichen von einfachen Pflegetechniken bis hin zu hochkomplexen Situationen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2018) empfiehlt simulationsbasiertes Lernen in allen Ausbildungsprogrammen für Gesundheitsberufe.  Aktives Lernen führt im Vergleich zum passiven Aufnehmen von Inhalten zu einer besseren Retention und Umsetzung in der Praxis (Padilha et al., 2019).

Die Simulation ist als eigenständige Lehrveranstaltung (LV) in der Gesundheits- und Krankenpflege (GuK) an der FH JOANNEUM Graz (FH) fest im Curriculum verankert. Sie bietet den Studierenden in jedem Semester die Möglichkeit, ihr Wissen anzuwenden und im Rahmen strukturierter Debriefings zu festigen, um so ihre pflegerischen Kompetenzen zu erweitern. Die FH JOANNEUM verfügt über ein modern ausgestattetes Simulationszentrum, das Szenarien in allen inner- und außerklinischen Versorgungssettings zulässt.

Blended Learning Escape Room Concept (BLERC)

Ein innovativer Ansatz zur Integration von Simulationen in die Pflegeausbildung ist das Blended Learning Escape Room Concept (BLERC), das an der FH JOANNEUM 2022 entwickelt wurde.  BLERC kombiniert physische und virtuelle Simulationselemente und nutzt Gamification, um das Lernen interaktiv und spannend zu gestalten. Die Teilnehmer:innen begeben sich auf eine fiktive Bahnreise zu einem Pflegekongress, während der sie verschiedene pflegerische Herausforderungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade meistern müssen.

Escape Room Concept und Gamification

Das BLERC basiert auf einem Gamification-Ansatz, der sich an klassischen Escape Rooms orientiert. Die Teilnehmer:innen müssen innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens verschiedene Rätsel und Aufgaben lösen, die auf pflegerischen Szenarien basieren. Diese Aufgaben fördern das kritische Denken, die Teamarbeit und die Problemlösungsfähigkeiten der Studierenden (Panagiotis & Mastoras, 2019). Die digitale Umsetzung erfolgt über die Lernplattform Moodle. Integriert sind beispielsweise interaktive Videos, Quiz oder kritische Anwendung künstlicher Intelligenz.

Virtuelle und physische Simulation

Im BLERC greifen sowohl virtuelle als auch physische Simulationselemente ineinander. Die Reise beginnt auf der Lernplattform Moodle, wo die Studierenden im Rahmen von interaktiven selbst produzierten Videos unterschiedliche Aufgaben lösen müssen (H5P-Elemente).  Das Storytelling sieht aufgrund eines Unwetters eine Unterbrechung der Reise vor. Die Teilnehmer:innen wechseln daher in den physischen Simulationsraum. Dieser ist einem Krankenhaus in einer Katastrophensituation nachempfunden. Bezugnehmend darauf sind praktisch pflegerische Herausforderungen mit Fokus auf Patient:innensicherheit von den angehenden Pflegekräfte zu meistern.

Diese Zweiteilung ermöglicht eine umfassende Lernerfahrung, die sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten stärkt.

Fordern die Auszubildenden eine Hilfestellung ein, können Sie eine gesundheitsfördernde Übung absolvieren und erhalten im Anschluss einen Tipp. So wird gewährleistet, dass das aktuelle Rätsel positiv absolviert werden kann.

Der letzte Reiseabschnitt beinhaltet eine Reflexionssequenz und hebt den Zusammenhang von Patient:innensicherheit und positiver Speaking-up Kultur hervor.

Evaluationsergebnisse

Die ersten Implementierungen des BLERC an der FH JOANNEUM waren vielversprechend. Über 90 % der Studierenden (N=114) bestätigten, dass das Konzept ihr Vertrauen in die erworbenen Kompetenzen, die Teamarbeit und das kritische Denken gestärkt hat. Zudem bezeichneten 72 % der Studierenden das Lernerlebnis als “Highlight” ihrer Simulationstrainings. Diese Ergebnisse verdeutlichen die Bedeutung von BLERC als eine bereichernde didaktische Methode für die technologieunterstützte Lehre im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege.

Fazit

Simulationen und innovative Lehrmethoden wie das BLERC sind Kernelemente einer modernen zeitgerechten Pflegeausbildung. Sie haben das Potential das theoretische Wissen und die praktischen Fähigkeiten der Studierenden zu fördern und zur Patientensicherheit beizutragen. Durch die Integration solcher Methoden in die Pflegeausbildung kann die Sensibilität der Studierenden hinsichtlich Patientensicherheit nachhaltig verbessert werden.

Das Blended Learning Escape Room Concept (BLERC) zeigt, wie Gamification und simulationsbasiertes Lernen effektiv in die Ausbildung integriert werden können, um die Patientensicherheit zu fördern. Die positiven Rückmeldungen der Studierenden unterstreichen die Relevanz solcher Ansätze für die zukünftige Pflegeausbildung.

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Literatur

Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz. (2023). vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens 2024.

Engelbrecht, A. (2011). Fehlerkultur in der Pflege: Eine Betrachtung aus der Praxis. Imago Hominis.

Hellmann, W. (2022). Patientensicherheit: Gemeinsames Handeln als Herausforderung. Springer.

Padilha, J. M., Machado, P. P., Ribeiro, A. L., Ramos, J. L., & Costa, P. (2019). Clinical virtual simulation in nursing education: Randomized controlled trial. Journal of Medical Internet Research, 21(6), e14155. https://doi.org/10.2196/14155

Panagiotis, F., & Mastoras, T. (2019). Escape rooms for learning: A systematic review. Education and Information Technologies, 25, 1–24.

Paula, H. (2017). Patientensicherheit und Risikomanagement in der Pflege. Springer.

World Health Organization (WHO). (2018). Simulation-based learning in health professions education. https://www.who.int

Zur Person

Christian Hermann*, Markus Lang*, Manuel Pfeilstecher**

*FH JOANNEUM Graz

Kontakt: manuel.pfeilstecher@fh-joanneum.at

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