In diesem Artikel wird das Projekt Community Nursing 1.0 in Dornbirn vorgestellt, in dem Community Nurses durch wohnortnahe, ressourcenorientierte Begleitung die Gesundheitskompetenz und soziale Teilhabe der Bevölkerung stärken. Niederschwellige Zugänge wie Präsenzspots fördern Vertrauen und ermöglichen bedarfsorientierte präventive Interventionen. Der Community-Nursing-Prozess wird anhand eines Fallbeispiels evidenzbasiert veranschaulicht.
Im Kontext gesellschaftlicher und gesundheitlicher Herausforderungen versteht sich „Community Nursing Dornbirn 1.0“ als ressourcenorientierter Ansatz im Sozialraum. Der Fokus liegt auf der Förderung von Gesundheitskompetenz und sozialer Teilhabe (Amt der Stadt Dornbirn, 2025a). Grundlage ist die Salutogenese-Theorie nach Antonovsky, die Gesundheit als dynamischen Prozess versteht, gestützt durch Kohärenzgefühl und sozialen Ressourcen (Antonovsky, 1997).
Community Nurses, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, übernehmen Aufgaben der Gesundheitsförderung und Prävention, wie sie im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG, 2025) des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz verankert sind – noch bevor eine Pflegebedürftigkeit eintritt.
Das Projekt Community Nursing 1.0 richtet sich an alle Bürger:innen – insbesondere an alleinlebende Menschen über 60 Jahre, pflegende An- und Zugehörige sowie Personen mit Migrationsbiografie. Im Mittelpunkt steht das gesamte soziale Umfeld der Klient*innenn, mit dem Ziel, gesunde Lebensjahre zu fördern und Pflegebedarfe möglichst lange hinauszuzögern (Amt der Stadt Dornbirn, 2024).
In zwei Stadtteilen sind Community Nurses wöchentlich zu festen Zeiten an belebten Präsenzspots wie Bäckereien, Parks oder Gehwegen ansprechbar. Dies ermöglicht erste niederschwellige Gespräche und weiterführende Kontaktaufnahme in einem zweiten Schritt (Amt der Stadt Dornbirn, 2025b). Ergänzend werden Beteiligungs- und Begegnungsformate wie Fokusgruppen, Spaziergänge, Hausbesuche, Sprechstunden, Nachbarschaftscafés, das Café für pflegende An- und Zugehörige, das Schwätzbänkle sowie Programme wie der „Achtsamer Bezirk“ und der „Treffpunkt Gesundheitskompetenz“ angeboten. Die Informationsverbreitung erfolgt über lokale Netzwerke, persönliche Kontakte, Gemeindezeitungen und Newsletter (Amt der Stadt Dornbirn, 2024).
Der Community Nursing Prozess orientiert sich an dem erweiterten Pflegeprozess nach Fiechter und Meier (1981) und besteht aus sechs Phasen: Informationssammlung, Ressourcen- und Bedarfserhebung, Gesundheitszielsetzung, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Evaluation (Amt der Stadt Dornbirn, 2025b).
Die schriftliche Dokumentation erfolgt nicht im Gespräch, sondern bewusst nachgelagert, um den Fokus ganz auf die Klient:innen zu legen und den Vertrauensaufbau zu fördern. Inhalte aus den Dialogen werden dann im Büro reflektiert, narrativ festgehalten und anschließend passenden gesundheitsbezogenen Zielen zugeordnet – als Grundlage für die weitere Maßnahmenplanung. Zwei Assessments kommen zum Einsatz: Ein Spinnennetz visualisiert das soziale Umfeld mit den formellen und informellen Beziehungen und eine Pinnwand strukturiert Ressourcen und Bedarfe (Amt der Stadt Dornbirn, 2025b).
Als methodischer Rahmen dient das Public Health Intervention Wheel des Minnesota Department of Health (2001), das evidenzbasierte Maßnahmen auf individueller, gemeinschaftlicher und systemischer Ebene beschreibt (Glavin et al., 2013; Community Nursing Österreich, n.d.). Diese Interventionen werden systematisch in den Community-Nursing-Prozess integriert (Amt der Stadt Dornbirn, 2025b).
Fallbeispiel Herr K. – Vom Präsenzspot zur Prävention
Herr K., 77, lebt seit dem Tod seiner Ehefrau zunehmend isoliert. Soziale Kontakte fehlen, er verlässt die Wohnung kaum. Der erste Kontakt mit der Community Nurse entsteht an einem Präsenzspot (Informationssammlung). Wenige Tage später erscheint er in der offenen Sprechstunde – ein Zeichen von Vertrauen – und stimmt einem Hausbesuch zu.
Beim Hausbesuch werden die sozialen Beziehungen sowie die Ressourcen und Bedarfe erhoben (Ressourcen- und Bedarfserhebung). Herr K. berichtet zudem von fehlender Tagesstruktur, sinkender Motivation und Unsicherheit beim Gehen.
Es ergeben sich folgende Pflegediagnosen (Doenges et al., 2016; NANDA-I, 2021) (Gesundheitsziele): soziale Isolation, beeinträchtigte soziale Interaktion, eingeschränkte Mobilität und ineffektives Gesundheitsmanagement. Als Ressource zeigt sich Veränderungsbereitschaft und grundsätzlich Geselligkeit. Die Pflegeziele orientieren sich an der NOC-Klassifikation (Moorhead et al., 2020): soziale Beteiligung, Mobilität und Eigenverantwortung.
Die Maßnahmenplanung (Interventionen planen) basiert auf der NIC-Klassifikation (Bulechek et al., 2019): Förderung sozialer Interaktion, Gesundheitsberatung und Mobilitätsförderung. Die Umsetzung erfolgt motivierend und begleitend (Interventionen durchführen). Die erste Begleitung zu einem Seniorentreffpunkt führt zu regelmäßiger Teilnahme und Stabilität.
Nach zwölf Wochen (Evaluation) geht Herr K. wieder täglich spazieren – inzwischen ohne Stock –, nimmt aktiv an sozialen Angeboten teil, wirkt lebendiger, zeigt Eigeninitiative und äußert Zukunftspläne.
Das Fallbeispiel verdeutlicht, wie Community Nurses durch frühzeitige Kontaktaufnahme, strukturierte Bedarfserhebung und kontinuierliche Begleitung präventive Maßnahmen wirksam unterstützen können. Gesundheitskompetenz und Teilhabe rücken dabei ins Zentrum. Mit Nähe, Vertrauen und fachlicher Expertise leisten Community Nurses einen wertvollen Beitrag zur Förderung gesunder Lebensjahre.
Amt der Stadt Dornbirn. (2024). CN Dornbirn 1.0 – Community Nursing – Stadt Dornbirn / Vbg. [PowerPoint-Folien]. https://www.dornbirn.at/leben-in-dornbirn/mensch/pflege-betreuung/community-nurses
Amt der Stadt Dornbirn. (2025a). 4. Monitoringbericht Community Nursing Dornbirn, Stand 27.01.2025. Dornbirn: Autor.
Amt der Stadt Dornbirn. (2025b). Vom Präsenzspot zur Prävention: CN Dornbirn 1.0 – Community Nursing – Stadt Dornbirn / Vorarlberg [PowerPoint-Folien].
Antonovsky, A. (1997). Salutogenese: Zur Entmystifizierung der Gesundheit. T. Michelsen (Hrsg.), Übers. von G. Kolb. DGVT-Verlag.
Bulechek, G. M., Butcher, H. K., Dochterman, J. M., & Wagner, C. M. (2019). Pflegeinterventionen (NIC): Klassifikation für die Praxis (6., überarb. Aufl.). Elsevier, Urban & Fischer.
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. (2025). Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG (BGBl. I Nr. 108/1997, in der geltenden Fassung). https://www.ris.bka.gv.at
Community Nursing Österreich. (n.d.). Glossar. https://cn-oesterreich.at/service/glossar
Doenges, M. E., Moorhouse, M. F., & Murr, A. C. (2016). Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen: Planen – Umsetzen – Dokumentieren (4. Aufl.). Georg Thieme Verlag.
Fiechter, M., & Meier, M. (1981). Der Pflegeprozess. Thieme.
Glavin, Kari; Schaffer, Marjorie A.; Halvorsrud, Liv; Gravdal Kvarme, Lisbeth (2013): A comparison of the cornerstones of public health nursing in Norway and in the United States. In: Public Health Nursing 31/2:153‐166.
Keller, Linda Olsen; Strohschein, Susan; Lia‐Hoagberg, Betty; Schaffer, Marjorie (1998): Population‐Based Public Health Nursing Interventions. A model from Practice. In: Public Health Nursing 15/3:207‐215.
Minnesota Department of Health, Public Health Nursing Section. (2001). Public health interventions: Applications for public health nursing practice [PDF]. Minnesota Department of Health. https://www.health.state.mn.us/communities/practice/research/phncouncil/docs/PHInterventions.pdf
Moorhead, S., Johnson, M., Maas, M. L., & Swanson, E. (2020). Pflegeergebnisse (NOC): Klassifikation von Ergebnissen in der Pflege (5. Aufl., dt. Ausg.). Elsevier, Urban & Fischer.
NANDA International. (2021). NANDA-I Pflegediagnosen: Definitionen und Klassifikation 2021–2023 (H. Herdman & S. Kamitsuru, Hrsg.; deutschsprachige Ausg.). Georg Thieme Verlag.
Julia Grabher-Schwaninger,
Community Nursing Dornbirn
julia.grabher-schwaninger@-dornbirn.at
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