Mit Heimbewohner:innen-Orientierung, kooperativer Selbstorganisation und Arbeitsgestaltungskompetenz als selbstorganisierte Arbeitsweisen sowie einer kommunikativen Haltung in Form professioneller Anteilnahme durch Empathie und Abgrenzung („Detached Concern“) werden zentrale Prinzipien für eine günstige kommunikative Arbeitsgestaltung in Einrichtungen der geriatrischen Langzeitpflege skizziert. Deren Integration in ein Modell zur sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung wird zudem vorgestellt.
Professionelle Betreuung und Pflege erfolgt in Form individualisierter Leistungen [8]. Diese Leistungen erfordern – insbesondere in Einrichtungen der geriatrischen Langzeitpflege – die Fähigkeit des Personals, soziale Beziehungen aufzubauen und persönliche Interessen und Bedürfnisse von Pflegeheimbewohnern*innen sowie deren Angehörigen zu erkennen und zu bearbeiten. Individualisierte Leistungen bedürfen deshalb einer flexiblen und interaktiven Arbeitsweise sowie entsprechend ausgerichteter Arbeitsbedingungen [1]. Dabei sind für eine gute Gestaltung der in vielerlei Hinsicht anspruchsvollen, aber auch erfüllenden und sinnstiftenden individualisierten Leistungen drei Prinzipien wesentlich: Eine Heimbewohner*innen-Orientierung, die sich auf Grundwerte der Personenzentrierung wie Empathie, Vertrauen, Verständnis, Respekt und Recht auf Selbstbestimmung bezieht [7], selbstorganisierte Arbeitsweisen in Form kooperativer Selbstorganisation und Arbeitsgestaltungskompetenz [2] sowie eine (kommunikative) Haltung in Form einer professionellen Anteilnahme durch Empathie und Abgrenzung („Detached Concern“) [6].
(Foto)Credit: AUVA
Zentrale Rahmenbedingungen für eine gute Arbeitsgestaltung sind im Modell einer „sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung“ abgebildet [1]. Das sind
■ eine Unternehmenskultur mit klaren Werten, Zielen und Leitsätzen (vor allem hinsichtlich einer Heimbewohner*innen-Orientierung),
■ eine Führung, die diese Prinzipien „lebt“ und die Mitarbeiter*innen bei deren Umsetzung unterstützt
■ fachliche und vor allem sozial-emotionale Kompetenzen der Mitarbeiter*innen und
■ (gute) innerbetriebliche soziale Beziehungen.
Zentraler Inhalt des Modells ist, dass durch eine Heimbewohner*innen-Orientierung im Zuge individualisierter Leistungen psycho-soziale Themen und Menschlichkeit in den Arbeitsalltag integriert werden können, die selbstorganisierte Arbeitsweisen unterstützen [5]. Durch eine (kommunikative) Haltung in Form einer professionellen Anteilnahme durch Empathie und Abgrenzung kann die Erbringung dieser Leistungen erleichtert werden, indem damit fallweise verbundene emotionale Irritationen und Kränkungen verhindert, abgeschwächt oder gar aufgelöst werden.
Einer sozial-aktivierenden Arbeitsgestaltung können erhebliche lern- und persönlichkeitsförderliche Merkmale [4] unterstellt werden. So setzen sich Arbeitsaufgaben ganzheitlicher Pflege aus vorbereitenden, ausführenden und kontrollierenden Tätigkeiten zusammen und machen Aufgaben vielseitiger [3]. Dies fördert die Entwicklungsmöglichkeiten und bietet Anknüpfungspunkte für soziale Kontaktmöglichkeiten. Der eigene Beitrag kann dadurch als bedeutsam(er) wahrgenommen werden.
Durch diese Form der Arbeitsgestaltung wird aber auch ein professioneller Umgang mit Unwägbarkeiten als „Potenzial für eine Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten“ eröffnet, indem die menschliche Zuwendung keinen „Zusatzaufwand“ darstellt, sondern vielmehr helfen soll, Qualität und Effizienz der Arbeit zu erhöhen und zugleich die subjektive Belastung zu reduzieren [11]. Zudem wird die Identifikation der Mitarbeiter*innen mit den Werten der Organisation sowie die Bindung an die Pflegewohnheime erhöht. Damit werden die Grundlagen für eine vertrauens- und respektvolle sowie anteilige und lösungsorientierte Gestaltung der Beziehung zu Pflegeheimbewohnern*innen, Kollegen*innen, Angehörigen und zur Führung geschaffen. Es wird ein Handlungsrahmen geboten, der den menschlichen Basismotiven nach Kontrolle, Einflussnahme, Persönlichkeitsentwicklung und Kompetenzerweiterung gerecht wird und der die für Mitarbeiter*innen so wichtige Sinnstiftung generiert [10]. Darüber hinaus wird eine wertschätzend gelebte, empathisch entspannte Orientierung gegenüber den (Kooperations-)Partnern und ein menschlich „geschmeidiger“ Umgang mit den Herausforderungen in diesem, von Spannungen und Unwägbarkeiten gekennzeichneten, Arbeits(um)feld möglich. Zwischenmenschlich gut gestaltete Arbeitsbedingungen bilden demnach einen Mehrwert für das berufliche Tun von Mitarbeiter*innen und steigern die Betreuungs- und Pflegequalität [9].
Es besteht die Möglichkeit, in weiteren AUVAfit-Projekten von MMag. Eckerstorfer, MPH gute Arbeitsbedingungen im Sinne heimbewohner*innen-orientierter Beziehungsarbeit zu bestimmen und damit für eine Gestaltung explizit(er) und auch sichtbar(er) zu machen. So kann eine Win-win-win-Situation entstehen: Für Mitarbeiter*innen, für Pflegeheimbewohner*innen und für (Träger von) Pflegewohnheime(n).
[1] Eckerstorfer, P. (2024). Der Mehrwert zwischenmenschlich gestalteter Arbeit in Pflegeheimen. Pflege Professionell – Das Fachmagazin. 34/2024. S. 87-97. https://markusgolla.at/wp-content/uploads/2024/04/ausgabe-pp34.pdf
[2] Eckerstorfer, P. (2024). Zwischenmenschliche Arbeit – selbstorganisiert gestaltet am Beispiel des Pflegewohnheims Peter Rosegger Graz. Sichere Arbeit. 6. S. 36-39. Wien: ÖGB-Verlag. https://www.sicherearbeit.at/content/dam/sicherearbeit/downloads/2024/SIA_6_24_BF.pdf
[3] Glaser, J., Seubert, C., Hopfgartner, L., Prskalo, M., & Roose, D. (2018). Endbericht des Projekts „Arbeitswissenschaftliche Analyse und Bewertung pflegerischer Humandienstleistungstätigkeiten in der stationären Langzeitpflege als Basis für eine leistungsgerechte Personalbemessung“. Universität Innsbruck und Bundesarbeitskammer, Österreich.
[4] Hacker, W. & Sachse, P. (2023). Allgemeine Arbeitspsychologie. Psychische Regulation von Arbeitstätigkeiten. Vdf Hochschulverlag. 4. überarb. und aktual. Auflage. DOI:10.3218/4143-9
[5] Kleve, H. (2020). Die Rückkehr des „Menschlichen“: Integration des Psycho-Sozialen, Emotionalen und Elementaren als Voraussetzung für gelingende Selbstorganisation. In: O. Geramanis & S. Hutmacher (Hrsg.). Der Mensch in der Selbstorganisation. uniscope. Publikationen der SGO-Stiftung. Springer Gabler. S. 247-260. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27048-3_16
[6] Lampert, B & Hornung, S. (2024). Detached concern. In. P. Matthijs Bal (Ed). Elgar Encyclopedia of Organizational Psychology. S. 145-150. DOI: https://doi.org/10.4337/9781803921761.00030
[7] Mayer, H., Wallner, M. Hildebrandt C., Köck-Hódi, S. (2019). Rahmenkonzept zur Gestaltung Personzentrierter Praxis in der Langzeitpflege (PeoPLe) – Hintergrund – Entstehung – Elemente. Institut für Pflegewissenschaft, Universität Wien, ISBN: 978-3-200-06668-7.
[8] Schalek, K. (2022). Pflegebedarf. Working Paper der AK Wien. Abgerufen am 11.11.2024 von https://wien.arbeiterkammer.at/service/studienundzeitschriften/studien/gesundheitundpflege/Working-Paper_Pflegebedarf_2020-12.pdf
[9] Schalek, K. (2024). Qualität in der stationären Langzeitbetreuung und -pflege – Beitrag zur Entwicklung eines Qualitätskonzepts. Working Paper der AK Wien. Abgerufen am 11.11.2024 von https://emedien.arbeiterkammer.at/viewer/api/v1/records/AC17259210/files/source/AC17259210.pdf
[10] Schnell, T. (2018). Von Lebenssinn und Sinn in der Arbeit. In Bernhard, B., Ducki, A., Schröder, H., Klose, J. & Meyer, M. (Hrsg.). Fehlzeiten-Report 2018. Sinn erleben – Arbeit und Gesundheit. S. 11-21. Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-57388-4
[11] Weishaupt, S. (2017). Perspektiven für Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik. In: F. Böhle (Hrsg). Arbeit als Subjektivierendes Handeln. Handlungsfähigkeit bei Unwägbarkeiten und Ungewissheit. S. 691-699. Berlin: Springer. DOI 10.1007/978-3-658-14983-3.
MMag. Peter Eckerstorfer, MPH,
ist in der Präventionsabteilung der AUVA-Hauptstelle Fachkundiges Organ für Arbeitspsychologie und -soziologie und beschäftigt sich mit der Gestaltung von Arbeitsbedingungen, überwiegend in Einrichtungen der Langzeitpflege und Behindertenhilfe.
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