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Madeleine Auer
Die Mitwirkung an der Selbsttötung
Welche Position bezieht die Pflege? 1. Teil – rechtliche Hintergründe

Fiktives Einstiegsbeispiel:

Michael K ist 65 Jahre alt und leidet unter einem Bauchspeicheldrüsenkarzinom. Diese Erkrankung ist bereits so weit fortgeschritten, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sie als unheilbar eingestuft und der Tod nach hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten sechs Monate unweigerlich eintreten wird. Er selbst möchte mit seinem „Elend“ nicht mehr weiterleben, er möchte sterben und fragt sich: Geht das nun überhaupt

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Eine rechtliche Analyse:

Der § 78 StGB – der in seiner alten Fassung die Mitwirkung am Selbstmord regelte, wurde in einer Wortfolge vom österreichischen Verfassungsgerichtshof am 11. Dezember 2020 durch eine Entscheidung aufgrund eines Individualantrages als verfassungswidrig aufgehoben. Der Gesetzgeber war anschließend damit beauftragt, den § 78 StGB neu zu regeln.

Vergleich der Paragraphen in ihren Fassungen:

Die ursprüngliche Fassung des § 78 StGB lautete in seiner Überschrift: Mitwirkung am Selbstmord. Es heißt weiter: „§ 78. Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.“ (Strafgesetzbuch BGBl. 1974/60 idF BGBl. I Nr. 134/2013).

Die neue Fassung des § 78 StGB lautet wie folgt:

Der § 78 StGB trägt nun in seiner Überschrift: Mitwirkung an der Selbsttötung und lautet:

  • 78 (1) StGB: Wer eine andere Person dazu verleitet, sich selbst zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

 

  • 78 (2) StGB Ebenso ist zu bestrafen, wer

Z 1. Einer minderjährigen Person

Z 2. Einer Person aus einem verwerflichen Beweggrund oder

Z 3. Einer Person, die nicht an einer Krankheit im Sinne des § 6 Abs 3 des Sterbeverfügungsgesetzes (StVG), BGBl. I Nr. 242/2021, leidet oder die nicht gemäß § 7 StVfG ärztlich aufgeklärt wurde,

dazu physisch Hilfe leistet, sich selbst zu töten.

(Strafgesetzbuch BGBl. 1974/60 idF BGBl. I Nr. 242/2021)

Der § 78 StGB in seiner ursprünglichen Fassung hatte jegliche Mitwirkung beim Selbstmord verboten.

Aus dieser „Erlaubnis“ des umgangssprachlich sogenannten „assistierten Suizids“, darf nicht geschlossen werden, dass die Mitwirkung an der Selbsttötung somit uneingeschränkt vonstatten gehen darf, sondern es durchaus auch Anzeigen wegen § 78 StGB gab. In concreto gab es laut Kriminalitätsbericht aus dem Jahr 2022, 5 Anzeigen wegen der Mitwirkung an der Selbsttötung, davon war ein Versuch an der Mitwirkung der Selbsttötung zu verzeichnen und ein Fall wurde aufgeklärt, was einer Aufklärungsquote von 20% entspricht (Kriminalitätsbericht 2022 zu § 78, BMI). An sich handelt es sich bei der Möglichkeit der Mitwirkung an der Selbsttötung keineswegs um eine uneingeschränkte Erlaubnis. Der Verfassungsgerichtshof begründet stets das ausnahmslose Verbot als verfassungswidrig (VfGH, G 139/2019-71, S. 81).

Vor Änderung des Gesetzes ging bereits ein längerer kritischer Diskurs voraus. Im Jahr 2014 hatte sich mit der Thematik unter anderem Univ. Prof. Dr. Heinz Oberhummer (U2015) mit einem Positionspapier zum Thema „Sterbehilfe in Österreich“ auseinandergesetzt. Es wurde angemerkt, dass der § 78 StGB reformbedürftig sei – unter anderem auf Grund einer stärker nach Liberalisierung strebenden Gesellschaft. Außerdem sei das uneingeschränkte Verbot der Selbsttötung stets religiös motiviert und zusätzlich sei die Verfassungskonformität zu hinterfragen. Denn das Recht auf Leben ist ein Grundrecht, daraus kann sich aber keine Pflicht zum Leben ableiten.

Rechtsgeschichtlich betrachtet war der § 78 StGB mit religiösen Glaubenssätzen tief verwurzelt (VfGH, G 139/2019-71, S. 20). Ebenso gab es aus den rechtswissenschaftlichen Fakultäten kritische Auseinandersetzungen mit dem § 78 StGB und seiner Reformbedürftigkeit. Ein Grund für den kritischen Diskurs war die Frage nach dem Bestimmtheitsgebot.

Ausschnitte aus dem Erkenntnis:

Einer der Antragstellenden war ein Patient, der an Multipler Sklerose erkrankt war und im täglichen Leben fremde Hilfe benötigte, unter anderem von der Krankenpflege.

Art 8 EMRK gewährleistet ein Recht auf Selbstbestimmung nach ständiger Rechtsprechung des EGMR. Dazu gehört auch das Recht, Aktivitäten nachzugehen, die schädlich oder gefährlich für den Berechtigten sind, was bedeutet, dass der Eingriff in das Privatleben auch dann (vom Staat) gerechtfertigt werden muss, wenn es den Schutz des Lebens betrifft. Somit stand, laut den Antragstellenden, zum Beispiel der Art 8 EMRK nicht im Einklang mit der Verfassung. Die Meinung der Bundesregierung diesbezüglich war eindeutig: Sie sah keinen Anhaltspunkt für die Verletzung des Art 8 EMRK. Zusammenfassend aus den weiteren Argumenten der Antragstellenden und deren Hervorbringen über weitere potenzielle Verletzungen der EMRK, sah die Bundesregierung die Verfassungswidrigkeit des § 78 StGB nicht gegeben.

In dem 90-seitigen Erkenntnis wird auf einige Entscheidungen aus den europäischen Nachbarländern eingegangen, wo eine Pflicht zum Weiterleben, aufgrund der damals geltenden Rechtslage, Konsequenz sei – und nicht mit der Rechtsprechung des EGMRs in Einklang stünde. Die Bundesregierung war aber auch hier der Meinung, dass ein solcher Vergleich nicht statthaft sei und somit eine Änderung der betreffenden Paragrafen nicht notwendig erscheint.

Mit dem Individualantrag wurde eine weitere Norm angefochten, nämlich der § 77 StGB, der eine Tötung auf Verlangen vorsieht. Somit die letzte kausale (zum Tod führende) Handlung nicht vom Suizidwilligen, wie bei § 78 StGB, sondern von der ausführenden Person durchgeführt wird – Fremdtötung genannt. Der angefochtene § 77 StGB wurde vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen und blieb in seiner ursprünglichen Fassung bestehen.

Zur freien Selbstbestimmung:

Die freie Selbstbestimmung oder auch Autonomie genannt, strahlt in viele Bereiche des Lebens aus, selbstverständlich auch in die Medizin.

Der Verfassungsgerichtshof erläutert zur freien Selbstbestimmung folgendes: Zur freien Selbstbestimmung gehört zunächst die Entscheidung des Einzelnen, wie er sein Leben gestaltet und führt. Zur freien Selbstbestimmung gehört aber auch die Entscheidung, ob und aus welchen Gründen ein Einzelner sein Leben in Würde beenden will. All dies hängt von den Überzeugungen und Vorstellungen jedes Einzelnen ab und liegt in seiner Autonomie (VfGH, G 139/2019-71, S. 79).

Er erkennt zudem, dass der oder die Suizidwillige oftmals die Selbsttötung nicht selbst durchführen kann, sondern auf die Hilfe eines dazu bereiten Dritten angewiesen ist und nur so das eigene Selbstbestimmungsrecht ausgeübt werden kann.

Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass Suizidwillige nicht auf menschenunwürdige Methoden angewiesen sind, sondern, die Möglichkeit der Selbsttötung zu einer Lebensverlängerung führen kann, weil die suizidwillige Person nicht in unmenschlicher Weise das Leben vorzeitig selbst beendet, sondern selbst bestimmt, wann die Selbsttötung verübt werden soll und hier eben sogar mit der Hilfe eines Dritten.

Der Verfassungsgerichtshof erkennt, dass dem Gesetzgeber kein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die Sterbehilfe zusteht, da die Entscheidung bezüglich der Gestaltung des Lebens und des Sterbens bei der betroffenen Person liege und der Gesetzgeber dies zu respektieren hat.

Die Feststellung des Entschlusses eines oder einer Suizidwilligen, der sein oder ihr Leben beenden möchte und sich zur Hilfe einer dritten Person bedient – dass dies auf einer freien Selbstbestimmung erfolgt, kann in der Beurteilung Schwierigkeiten bereiten. Aber einem Menschen das Recht der Eigenverantwortlichkeit in Bezug zur Gestaltung seines Todes gänzlich zu nehmen und die freie Selbstbestimmung hier gar zu verneinen, kann nicht als präventive Rechtfertigung angenommen werden, so die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes.

Aus der klinischen Praxis: Suizide kommen in der österreichischen Gesellschaft vor, um ganz genau zu sein, gab es in Österreich im Jahr 2023, 1310 Suizide oder Suizidversuche (Statistik Austria: https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2024/06/20240626Todesursachen2023.pdf, letzter Zugriff: 24. November 2024).

Trotz Neufassung des § 78 StGB werden Suizide durchaus auf menschenunwürdige Weise verübt, beispielsweise durch:

  • Sprünge aus Höhen (11%)
  • Sich-Erhängen (42%)
  • Sich-Erschießen (18%)
  • Sich-Vergiften (13%),
  • Sich vor ein bewegtes Objekt werfen oder legen (6%),
  • Sich-Ertränken (3%) (Suizidbericht, BMI, 2023, S.14).

Die Betroffenen, die einen Suizidversuch verübten, werden anschließend hospitalisiert (Normalstation, Intensivstation oder Psychiatrie) und ihr Leid beginnt erneut.

Die Gründe werden mannigfaltig sein, warum auch nach der engen Fassung einer „Legalisierung“ der Selbsttötung der Freitod auf unmenschliche Weise gewählt wird. Ein Grund könnte beispielsweise sein, dass manche Menschen gar nicht wissen, dass es eine würdevollere Möglichkeit gibt, zu sterben. Andere Gründe könnten an den Formalitäten oder den Kosten, beispielsweise in Bezug zur Errichtung einer Sterbeverfügung, liegen. Geschuldet dadurch, dass die Hürde zur Möglichkeit der Selbsttötung nicht unbeträchtlich ist.

Die Mitwirkung an der Selbsttötung

Welche Position bezieht die Pflege? 2. Teil

Fortsetzung des Beispiels des Michael K:

Michael K hat eine Palliativpflegeperson bei sich zu Hause. Er erzählt ihr, dass er nicht mehr leben und eine Sterbeverfügung errichten möchte. Er errichtet diese und bittet sie schließlich, dass sie für ihn das tödliche Präparat aus der Apotheke abholen solle.

Die Pflege und ihr Graubereich:

Es kann sich im Gesundheitsbereich für die Krankenpflege ein Graubereich ergeben, wenn es sich um die Mitwirkung an der Selbsttötung handelt. Deshalb sollte sich die Pflege mit dieser Thematik vermehrt auseinandersetzen, damit dieser Graubereich auch in fachlicher Hinsicht abgesteckt werden kann. Das GuKG an sich regelt die Spezialisierung für den Bereich Hospiz- und Palliativversorgung. Der § 22b GuKG regelt die Hospiz und Palliativversorgung, worin die Pflege und Begleitung von Menschen mit einer fortschreitenden, unheilbaren und damit lebensbedrohlichen Erkrankung …“…vor dem Hintergrund eines umfassenden Verständnisses von Krankheit unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechts und die Berücksichtigung des Patientenwillens, die das Ziel haben, die Lebensqualität zu verbessern, insbesondere… Anschließend findet sich eine Aufzählung, beispielsweise der „Beistand in der Auseinandersetzung mit Krankheit, Abschied, Sterben und Tod“ in § 22b (Z8) GuKG oder in § 22b (Z2) GuKG, der sich mit advance care planning befasst. Dies, in weiterer Konsequenz, kann in praxi bedeuten, dass die Pflege mit der Mitwirkung am Suizid konfrontiert sein kann.

Im intensivmedizinischen Bereich, wo existenzielle Fragestellungen zu Tage treten, Leben, Tod und seine Grenzbereiche tägliches Brot sind, scheint ein kritischer Diskurs mit diesem sensiblen Thema unumgänglich, da sich auch dort Palliativpatient*innen befinden können, die beispielsweise eine Sterbeverfügung errichtet haben und nun trotzdem eine Behandlung erhalten, die nichts mit der Grunderkrankung zu tun hat. Schließlich wird geäußert „Ich möchte nicht mehr.“.

Dass auf einer Intensivstation kein Mensch aktiv getötet werden darf, ist verboten und überdies kein Graubereich. Ein Mitwirken an der Selbsttötung auf einer Intensivstation scheint schwer denkbar – allein schon aufgrund des spezifischen Aufgabenbereiches und dem klinischen Auftrag einer Intensivstation.

Die Frage, die sich hier stellt, ist, wie kann die Pflege mit solchen Aussagen umgehen, denn sie ist bei diesen oft die erste Ansprechperson. Geschuldet durch die pflegerische Beziehung zu den Betroffenen. Es könnte auch sein, dass jene Situation eintritt, dass ein*e Patient*in auf einer intensivmedizinischen Station aufgenommen wird und sich im Nachhinein herausstellt, dass diese Person eine Sterbeverfügung errichtet und jenes tödliche Medikament bereits Zuhause hat. Der Umgang mit Sterbeverfügungen und dem tödlichen Präparat auf Intensivstationen oder generell innerklinisch scheint in praxi noch nicht vorhanden.

Der Umgang mit Patientenverfügungen ist in der Praxis sehr wohl vorhanden und stellt sich in diesem Bereich in vielen Fällen als problematisch dar, auch aufgrund der Interpretation einer solchen Verfügung. Dies ergab eine Studie aus dem Jahr 2014 (Rechtliche Rahmenbedingungen und Erfahrungen bei der Umsetzung von Patientenverfügungungen – Folgeprojekt zur Evaluierung des Patientenverfügungsgesetzes (PatVG)).

Im Übrigen scheint die tatsächliche Ausübung des Suizides in einem Krankenhaus zwar formal möglich, hat in der Praxis praktisch noch keine Relevanz.

Exkurs:

Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verübung eines Suizides oder ein Suizidversuch eine Kurzschlussreaktion, mit tragischem Ausgang, sein kann. Ein Mensch sieht eine absolute Überforderung in seinem Leben, mit dementsprechender Aussichtslosigkeit und in letzter Konsequenz wird ein Suizid verübt oder eben ein Versuch; möglicherweise auch aufgrund nicht (mehr) ausreichender Copingstrategien.

Solche Fälle sind nach der geltenden Rechtslage ausgeschlossen, jedoch traurige Praxis. Trotzdem sollte der Staat hier der Ansicht bleiben, dass Schutzbedarf besteht und kein Freibrief zur Selbsttötung, unter dem Motto: „Der Bürger kann grenzenlos machen, was er möchte“.

Manche Patient*innen, die einen Suizidversuch überlebt hatten, waren froh, ihn überlebt zu haben und sahen dies als Chance auf eine Lebensveränderung. Ein extremes Beispiel aus der Praxis ging jedoch so weit, dass bereits vier Suizidversuche verübt wurden. Trotz tragischer Fälle darf eine Legalisierung nicht so weit gehen, dass ein Staat eine uneingeschränkte Erlaubnis erteilt. Ebenso besteht die Aufgabe des Staates darin, Missbrauch zu verhindern und/oder zu vermeiden. Aber eine Hürde zur Inanspruchnahme darf nicht so hoch sein, sodass praktisch kaum eine Person die Möglichkeit zur Inanspruchnahme hat.

Welche Position bezieht die Pflege?

Bezüglich der Aufklärung ärztlicherseits und der Errichtung einer Sterbeverfügung hat die Pflege keinen Einfluss. Hier ist das Gesetz klar definiert und die Kompetenz bezüglich der Aufklärung liegt beim ärztlichen Personal gemäß § 7 (1) StVfG. Ebenso bei der Errichtung einer Sterbeverfügung gibt es für die Pflege keine Kompetenz, diese Kompetenz liegt laut Wortlaut des Gesetzes bei der dokumentierenden Person gemäß § 8 (1) StVfG. Was eine dokumentierende Person ist, darüber gibt die Begriffsbestimmung des § 3 Z 6 StVfG Auskunft: Ein Notar bzw. eine Notarin oder ein rechtskundiger Mitarbeiter bzw. eine rechtskundige Mitarbeiterin der Patientenvertretungen (§ 11e des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes), vor dem bzw. der die Sterbeverfügung errichtet wird.

Für die Autorin spannend war die Frage, wie in diesem Prozess zur Gesetzgebung die Gremien aus Expertinnen und Experten bezüglich der zukünftigen Handhabe des § 78 StGB zusammengesetzt waren und ob die Pflege überhaupt vertreten war. Ja, die Berufsgruppe der Pflege war durchaus vertreten, nachzulesen im Schlussbericht des Dialogforums Sterbehilfe, herausgegeben vom Bundesministerium für Justiz im Jahr 2021. Durch eine Vertreterin des ÖGKVs. Aber: von über 30 Personen, die in dem Dialogforum vertreten waren, eine Pflegeperson in Vertretung zu haben, scheint unzureichend, im Verhältnis zur täglichen beruflichen Relevanz.

Warum?

Es gibt in der klinischen Praxis praktisch kaum einen Bereich, wo die Pflege beruflich nicht vertreten ist.

Beispiele (nicht abschließend):

  • In der Palliativmedizin im Hinblick auf die Palliativpflege ist die Pflege mit schwerstkranken oder sterbenden Menschen konfrontiert – diese Berufsgruppe kennt die Wünsche von sterbenden Menschen in ihrer letzten Lebensphase – manchmal noch vor den Angehörigen oder Ärzt*innen.
  • Die Intensivpflege betreut Menschen, die ebenso schwerstkrank sind – manchmal über einen längeren Zeitraum. Hier kann die Pflege mit Situationen konfrontiert sein, wo ein schwerstkranker Mensch zu verstehen gibt, dass er oder sie unter diesen Umständen nicht mehr leben möchte und kann ebenso einen wertvollen Beitrag zu einem fachlichen Diskurs leisten.
  • Die onkologische Pflege betreut Menschen mit diversen malignen Erkrankungen. Vor allem in der täglichen Arbeit in der Onkologie wissen Pflegepersonen, was betroffene Personen benötigen. Auch das Thema „Leben und Sterben“ und das Regeln von Formalitäten sind dort tägliche Praxis.
  • In der Psychiatrie ist die Pflege mit Menschen konfrontiert, die – im Hinblick auf dieses Thema – einen Suizidversuch verübt hatten. Auch sie kennt die Gründe für die Verübung von Suiziden direkt von den Betroffenen selbst und könnte aus ethischer Hinsicht wertvolle Inputs geben – in die eine oder in die andere Richtung.

Selbstverständlich darf die Profession der Pflege die Mitwirkung an der Selbsttötung nicht anbieten oder gar Werbung dafür machen. Sie darf auch nicht dazu „gezwungen“ werden, dass sie sich an der Mitwirkung beteiligen muss – im Sinne einer beruflichen Pflicht. Sie in einem durchaus wichtigen zukünftigen Prozess nahezu auszuklammern, scheint aufgrund des Aufgabenspektrums und Größe dieser Berufsgruppe und aufgrund des nahen Kontaktes zu den betroffenen Personen als defizitär. Abgesehen davon kann eine Pflegeperson ziemlich treffend eine Beurteilung dahingehend durchführen, ob ein*e Patient*in etwas selbstbestimmt möchte oder nicht.

Aber auch, wenn die Pflege in diesem Bereich ausgeklammert erscheint, so stellt sich die Frage, wie die zukünftige Praxis beispielsweise in der Palliativpflege aussehen könnte, wenn Palliativpatient*innen eine Palliativpflege erhalten, eine Sterbeverfügung errichtet haben und sich die Betroffenen das verordnete Medikament aus der Apotheke nicht selbst abholen können, wenn diverse Fachgesellschaften eine Mitwirkung durch die Berufsgruppe der Pflege ablehnen.

Der Prozess bleibt spannend.

Irrtümer vorbehalten. Die Autorin übernimmt keinerlei Haftung für den Inhalt.

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Zur Person

Madeleine Auer,

begann 2014 mit dem Pflegeberuf und arbeitet seit 2020 auf einer Anästhesiologischen Intensivstation in Wien. Seit 2011 ist sie freiwillig für das Rote Kreuz als Notfallsanitäterin tätig und unterrichtet seit zehn Jahren für diverse Unternehmungen, wie dem Roten Kreuz, der Wiener Ärztekammer und für Ersthelfertraining. Seit 2024 ist sie Autorin für pflegenetz und widmet sich hier juristisch/medizinisch/pflegerischen Themen. Nebenbei studiert sie Rechtswissenschaften an der JKU-Linz.

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