Das Betrachten von Fallsituationen aus unterschiedlichen Perspektiven ist in vielen Bereichen des beruflichen und privaten, persönlichen Lebens von großer Bedeutung. Im beruflichen Kontext kann es in der Pflege, im Bildungswesen oder in der Forschung von großer Relevanz mit vielfältigen Vorteilen sein:
Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass die multiperspektivische Betrachtung von Fallsituationen ein wertvolles Werkzeug ist, um ein tieferes Verständnis zu erlangen, bessere Entscheidungen zu treffen und die eigene Praxis kontinuierlich zu verbessern. Sie fördert Empathie, Reflexion und die Entwicklung von Handlungsalternativen, was in vielen Bereichen von unschätzbarem Wert ist.
Wir, Judith Gratzl und Karsten Hartdegen, schauen auf eine Problemsituation im Pflegebereich aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: Judith aus der energetischen Sicht, Karsten aus der stoischen Sicht, um gemeinsam die oben angeführten Vorteile zu erzielten.
Situationsbeschreibung – Wohnbereichsleiterin
Die Wohnbereichsleiterin ist 42 Jahre alt, alleinerziehend mit einer Tochter im Alter von 11 Jahren, und eine sehr pflicht-, und verantwortungsbewusste Person. Ihre empathische Fürsorge wird von allen sehr geschätzt. Sie ist immer darauf bedacht, es den Menschen in ihrem Umfeld so gut es geht, Recht zu machen – auch, wenn sie dafür manchmal über ihre eigenen Grenzen geht und sie das schon schlaflose Nächte und Magenschmerzen gekostet hat.
Auch zuhause übernimmt sie die Verantwortung für beinahe alles. Ihre Tochter fordert sie auch, altersentsprechend, Unterstützung hat sie von ihrer Mutter, welche aber 150km entfernt wohnt und somit im Tagtäglichen keine große Hilfe ist.
Manchmal, wenn sie ganz allein ist, lässt sie ihren Gefühlen und den Tränen freien Lauf- damit sie dann, im Alltag- immer lächelnd und scheinbar positiv- ihre Frau stehen kann.
Beruflich ist sie seit drei Jahren Leitung eines gerontopsychiatrischen Wohnbereiches in einem Seniorenstift am Rande einer Großstadt.
Sie hat ihre dreijährige Ausbildung zur Altenpflegerin vor fast 20 Jahren beendet und ist mit Herz und Seele in ihrem Beruf engagiert.
Seit mehreren Monaten ist auf ihrem Wohnbereich äußerst viel zu tun. Die Bewohner: innen sind fordernd, es gibt einige Abgänge und entsprechend viele Neuaufnahmen mit Unruhe und Aufgeregtheiten, da jede Neuaufnahme die fragile Stabilität auf dem Wohnbereich beeinträchtigt. Zusätzlich belastet seit mehreren Wochen eine hohe Krankheitsquote von Fach- und Aushilfskräften die Gesamtsituation. Die Stimmung unter dem Personal ist deshalb nicht besonders gut.
Nun ist neben dieser arbeitsreichen und anstrengenden Situation noch ein zusätzliches Problem aufgetaucht: Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) hat vor 2 Wochen bei seiner (unangekündigten) Auditierung und Visitierung nicht nur die Unterlagen, sondern auch den Pflegezustand der Bewohner: innen inspiziert. Bei dieser Begutachtung wurden etliche Pflegemängel und Sicherheitsbeeinträchtigungen festgestellt. Bei einer Bewohnerin wurde ein Dekubitus festgestellt, welcher weder dokumentiert noch pflegerisch behandelt wurde.
Der MDK hat dem Wohnbereich und dem Seniorenheim eine Frist bis Ende nächsten Monats gesetzt, um die groben Mängel vollständig zu beseitigen. Wenn dies dann bis zu dieser Frist nicht umgesetzt sei, werde es eine empfindliche Bußgeldzahlung nach sich ziehen, stand in der Begutachtung des MDK an die Einrichtungsleitung.
Die Wohnbereichsleiterin wurde daraufhin von der Einrichtungsleitung zum Rapport zitiert und um Stellungnahme gebeten. Die Situation auf dem Wohnbereich mit Personalmangel und dauerhafter Überlastung wurde von der Einrichtungsleitung brüsk zur Seite gewischt. Sie solle sich nicht so anstellen und stattdessen den „Laden auf Vordermann bringen“. Es gäbe finanzielle Schwierigkeiten, und der Wohnbereich von ihr müsse sogar auf anderen Wohnbereichen, denen es noch schlechter ginge, aushelfen. So sei die Situation. Das sei nicht zu ändern.
Als die Wohnbereichsleiterin heute nach dem Gespräch mit der Einrichtungsleiterin wieder auf ihren Wohnbereich zurückkehrt, steht eine aufgebrachte Angehörige der Bewohnerin mit dem Dekubitus auf dem Flur und geht sie verbal massiv an. Sie droht mit Klagen, Rechtsanwalt und Polizei.
Die Wohnbereichsleiterin ist verzweifelt und möchte am liebsten – obwohl dies überhaupt nicht ihre Art ist – sich am nächsten Tag krankmelden.
Stoizistische Sicht und Perspektive
Die Wohnbereichsleitung sieht sich schwierigen bis unverantwortlichen Zuständen gegenüber.
Sie hat der Einrichtungsleitung ihr Leid geklagt und die Umstände umfassend beschrieben.
Die WBL kann selbst die Situation nicht verändern.
So schwer es auch ist, sollte sie lernen, das Unveränderliche der Situation so zu akzeptieren, wie es ist.
Dazu kann sie sich mit Freund: innen und Bekannten, mit ihrem Kind und ihrer Mutter sprechen und um (psychische) Unterstützung bitten. Weiterhin kann sie zum Betriebsrat / MAV gehen, um die Situation transparent zu machen.
Darüber hinaus kann sie persönlich noch Folgendes tun:
Dazu sollte sie täglich in ein Tagebuch schreiben, um zu reflektieren und zu identifizieren, was in bestimmten Situationen kontrollierbar ist und was nicht. Sie soll die Ereignisse des Tages aufschreiben und dann jeden Eintrag entsprechend kennzeichnen: Ist die Situation oder Ihre Reaktion darauf innerhalb Ihrer Kontrolle? Sie könnte entdecken, dass viele der Stressoren in Ihrem Leben tatsächlich außerhalb Ihrer Kontrolle liegen, und dies könnte Sie dazu ermutigen, mehr Energie auf das zu konzentrieren, was Sie tatsächlich beeinflussen könnte. Durch das Aufschreiben unserer Erfahrungen, Gefühle und Gedanken kann sie ein tieferes Verständnis für ihre Reaktionen auf die Herausforderungen entwickeln.
Morgens sollte sie den Tag mit einer ruhigen Reflektion beginnen, um Ihre Gedanken und Gefühle zu zentrieren. Diese Zeit kann genutzt werden, um stoische Texte zu lesen oder zu meditieren, was ihr hilft, Ihre Ziele und Werte klar zu sehen. Sie sollte damit beginnen, sich selbst in einen ruhigen, entspannten Zustand zu versetzen. Sie soll sich überlegen, wie Sie im kommenden Tag Akzeptanz praktizieren können, insbesondere in Bezug auf die Dinge, die sie nicht kontrollieren kann.
Ein weiteres Vorgehen könnte sein, die Situation im Sinne von Reframing neu zu bewerten. Diese Technik zielt darauf ab, die Art und Weise, wie wir unkontrollierbare und nicht oder wenig beeinflussbare Ereignisse wahrnehmen, neu zu rahmen. Anstatt ein unkontrollierbares Ereignis als negative oder bedrohliche Situation zu betrachten, sollte die WBL versuchen, es als Gelegenheit zum Wachstum, zum Lernen, zur persönlichen Entwicklung und positiven Herausforderung zu sehen. Sie können dies als Gelegenheit betrachten, Ihre Fähigkeiten zu verbessern, Ihre innere Festigung und Gelassenheit zu stärken oder neue Strategien zu entwickeln, um in Zukunft erfolgreicher zu sein. Auch wenn dies bei dieser katastrophalen Situation auf dem Wohnbereich fast zynisch anmuten mag, ist die Technik des Reframings eine gute (Überlebens-) Methode, um in scheinbar unerträglichen Situationen psychisch und mental gesund zu bleiben.
Wenn die WBL mit einem aktuellen, unkontrollierbaren Ereignis konfrontiert ist, kann sie sich zudem ein paar Sekunden Zeit nehmen, um tief durchzuatmen und Ihre Gedanken zu sammeln, bevor sie reagiert. Sie soll dabei mit Achtsamkeit in Ihren Atem gehen.
Manchmal kann die Konzentration auf die negativen Aspekte eines unkontrollierbaren Ereignisses unsere Sichtweise verengen und uns daran hindern, das gesamte Bild zu sehen. Die Praxis der Dankbarkeit kann helfen, unsere Aufmerksamkeit auf die positiven Aspekte unseres Lebens zu lenken. Die WBL sollte versuchen, jeden Tag drei Dinge aufzuschreiben, für die sie dankbar sind. Dies kann dazu beitragen, eine positive, optimistische Einstellung zu fördern und die negativen Auswirkungen unkontrollierbarer Ereignisse zu mildern.
Energetische Sichtweise
Vorab zum besseren Verständnis:
Alles im Universum besteht aus Energie und Schwingung. Unser Körper, Tiere, Pflanzen und sogar scheinbar unbelebte Gegenstände sind Energie. Auch unsere Gedanken und Gefühle sind Schwingungen, die wir aussenden und empfangen.
Unsere Identität setzt sich aus unseren Programmierungen und Konditionierungen zusammen. Gedanken sind Reaktionen auf vergangene Erfahrungen, die bestimmte Gefühle in uns auslösen. Oft reagieren wir auf äußere Reize (Reiz-Reaktion), anstatt aus unserem Inneren, unserem Herzen, zu handeln, was unserem wahren Selbst entspricht.
Es ist wichtig zu erkennen, dass wir Gedanken und Gefühle haben, aber nicht unsere Gedanken und Gefühle sind. Da wir ständig Signale aussenden und dadurch Menschen und Situationen in unser Leben ziehen, sollten wir uns bewusst machen, was wir in unserem Leben haben wollen und unsere Gedanken und Gefühle entsprechend ausrichten. Wir können unsere Gedanken und Gefühle jederzeit steuern und verändern.
Viele Menschen glauben, dass sie glücklich wären, wenn sich eine Person oder eine Situation verändert. Das ist jedoch ein Irrtum. Das Leben funktioniert von innen nach außen: Die Veränderung muss zuerst in uns selbst stattfinden, damit sich etwas im Außen ändern kann.
Beispiel der WBL: Für die WBL (Wohngruppenleitung) ist es wichtig, ihre persönlichen Grenzen zu erkennen und bei sich selbst anzukommen. Dies kann durch Achtsamkeit, wie kurze Atemübungen und das Hineinspüren in den eigenen Körper, geschehen. Aufgaben zu delegieren, bedeutet auch, Kontrolle loszulassen, los lassen zu können.
Es ist wichtig, die eigene Energie zu stärken und zu lernen, diese Energie zu halten, was Sicherheit gibt. Ein tägliches Morgenritual, wie eine kurze Erdungsübung, kann die WBL in eine positive Energie bringen.
Wenn die WBL von Unvorhergesehenem überrascht wird, sollte sie versuchen, nicht zu bewerten. Bewertungen führen oft zu einem Feststecken in der Situation. Stattdessen sollte sie wertefrei bleiben und die Situation als „interessant“ betrachten, um Raum für Möglichkeiten zu schaffen. Die richtigen Fragen zu stellen, wie „Wie kann es besser/leichter gehen?“ oder „Was braucht es jetzt, um…?“ kann hilfreich sein.
Warum macht das Sinn?
Unser Verstand sucht immer nach Antworten und Lösungen, und diese werden kommen – vielleicht in Form eines beiläufigen Satzes, einer Schlagzeile, eines Plakats, eines Zitats, eines Liedes oder eines Buches.
Dankbarkeit ist eine sehr mächtige Kraft. Dankbarkeitsübungen, wie das tägliche Aufschreiben von zehn Dingen, für die man dankbar ist, können den Fokus und die Energie in eine höhere Schwingungsfrequenz bringen.
Die WBL sollte auch darauf achten, sich gut um sich selbst zu kümmern, sich bewusst Zeit dafür zu nehmen und liebevoll mit sich umzugehen. Dazu gehört auch, sich der eigenen Selbstgespräche bewusst zu werden und sich täglich anzuerkennen und wertzuschätzen.
Es ist selbstverständlich sinnvoll und hilfreich, sich an weitere Instanzen zu wenden und die erforderlichen Schritte zu gehen.
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