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Linda Eberle / Elisabeth Rappold
Community Nursing – ein Anliegen der Bundesregierung 

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Hintergrund

Community Nursing ist, spätestens seitdem der Begriff im Regierungsprogramm der derzeitigen Legislaturperiode aufgenommen wurde, in aller Munde. Es gibt vielfältige Erwartungshaltungen und Hoffnungen, die mit der Pilotierung von Community Nursing in Österreich einhergehen. Im Beitrag von Lisa Mayer wurden bereits die Eckpunkte des Projekts beschrieben. Im Folgenden Beitrag geht es einerseits darum, die Perspektiven jener Personen darzustellen, welche dabei federführend waren, dass Community Nursing im Regierungsprogramm (Bundeskanzleramt 2020)verankert wurde bzw. dass für die EU‐Förderungen im Rahmen des RRF ein Projektantrag gestellt wurde. Andererseits wird die berufspolitische Perspektive ebenso beleuchtet wie jene der Gemeinden.

Diese verschiedenen Perspektiven auf Community Nursing und die Beweggründe für dessen Initiierung werden – basierend auf Beiträgen des BMSGPK (Abteilungsleitung IV/B/13; Katharina Meichenitsch) – dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz a. D. Rudolf Anschober, dem Städtebund (Generalsekretär des Österreichischen Städtebunds Mag. Dr. Thomas Weninger, MLS), dem Gemeindebund (Fachreferent im Österreichischen Gemeindebund Konrad Gschwandtner, Bakk. BA), dem Österreichischen Gesundheits‐ und Krankenpflegeverband (Präsidentin ÖGKV, Mag.a Elisabeth Potzmann) sowie der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger (Präsidentin der IG pflegender Angehöriger Birgit Meinhard‐Schiebel) vorgestellt.

Umfassende Erwartungen an Community Nursing

Die Erwartungshaltung gegenüber der Pilotierung ist breit, was an der Wortwahl und dem Diversitätsgedanken liegt:

„Die Begrifflichkeit Community Nursing wurde als Klammer formuliert, eine Klammer, die unterschiedliche Interpretationen, Bilder, Hoffnungen und Perspektiven zulässt. Eine Projektionsfläche für möglichst maßgeschneiderte Optionen für eine Region.“ (R. Anschober)

Die interviewten Expertinnen und Experten erwarten sich aufgrund der Tatsache eines zusätzlichen Leistungsangebots vor Ort eine positive Wahrnehmung der Pilotprojekte in der Bevölkerung. Birgit Meinhard‐Schiebel sieht langfristig, dass „Community Nursing als wichtige Unterstützung der Versorgung und Entlastung des Pflegesystems dienen könnte.“ Da es sich um eine Pilotierung handelt, steht aus Sicht des Österreichischen Städtebunds vor allem der Erkenntnisgewinn während der laufenden Pilotphase im Vordergrund.

… dort ankommen, wo ein Bedarf besteht

Ziel von Community Nursing ist es aus Sicht der Expertinnen und Experten, vor allem dort anzusetzen, wo es nötig ist. Das kann individuell, aber auch nach regionalem Bedarf unterschiedlich ausfallen. Konsens besteht in der Zielsetzung, die häusliche Versorgung zu fokussieren und zu stärken. Den Zeitpunkt einer Kontaktaufnahme nach vorn zu verlagern und präventiv und gesundheitsfördernd wirken zu können und somit die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken und zu verbessern wird als übergeordnetes Ziel genannt. Durch die zeitgerechte Intervention wird das Ziel verfolgt, zum richtigen Zeitpunkt anzusetzen, und somit können „Bedarfe und Herausforderungen erkannt werden, bevor sie zu großen Problemen werden.“ (K. Gschwandtner)

Auch K. Meichenitsch, die zuständige Projektleiterin im BMSGPK, verweist darauf, dass „durch Information und Beratung auch Menschen erreicht werden, die bislang keine Betreuungs‐ oder Pflegeleistungen in Anspruch genommen haben.“

Die Zielsetzung setzt also auf mehreren Ebenen an. Auf der Ebene des Individuums geht es v. a. darum, „einen Effekt zu schaffen, dass sich Leute nicht alleingelassen fühlen, durch eine zentrale Stelle […], eine Drehscheibe, eine Koordinierungsfunktion“, sagt Rudolf Anschober, ehemaliger Bundesminister für Soziales und Gesundheit. E. Potzmann erkennt im Projekt einen umfassenden Nutzen für die Bevölkerung: „Mehr Jahre in Gesundheit, mehr Jahre in Autonomie. Ein Gefühl der Sicherheit für die Bevölkerung, weil sie wissen, es ist jemand da – auch wenn sie das Angebot noch gar nicht brauchen“. Damit spricht sie auch eine große Herausforderung in den Projekten an – Menschen, die noch nicht von Pflege betroffen sind, präventive und gesundheitsfördernde Angebote näherzubringen, sie bei der Umsetzung zu begleiten und so Pflegebedürftigkeit hintanzustellen.

Strukturell geht es laut Anschober darum, eine „möglichst maßgeschneiderte, differenzierte Option für die jeweilige Region zu schaffen, die tatsächlich einen Fortschritt bringt. Das ist ein sehr offenes Projekt. Kein starres Konzept, sondern etwas Neues in unserem Pflegesystem, das den Ansprüchen und Notwendigkeiten in den unterschiedlichen Räumen und Regionen gerecht werden soll.

Das ist Herausforderung, Verantwortung und Chance zugleich.“

… dass es bei der Bevölkerung ankommt

Für die Bevölkerung wird durch Community Nursing ein Mehrwert geschaffen, da das Angebot niederschwellig und gut erreichbar ist und weil auch zeitgerecht agiert werden kann. Die Community Nurse ist eine zentrale Ansprechperson und eine Art Vertrauensperson, die den Menschen transparent Angebote vermitteln kann, die in der jeweiligen Lebensphase gerade benötigt werden. Wenn es gelingt, dass das bei der Bevölkerung ankommt, ist bereits viel erreicht. Höhere Lebensqualität, bessere Versorgung, insbesondere im häuslichen Umfeld sowie Entlastung Angehöriger sind positive erwartbare Effekte.

… die Herausforderungen sind umfassend, aber bewältigbar

Die Herausforderung liegt nun darin, diese Besonderheit der wohnortnahen, niederschwelligen und bedarfsorientierten Versorgungvariante im Rahmen von Pilotprojekten zu entwickeln und mit bestehenden und entstehenden Angeboten (z. B. Primärversorgungseinheiten) zu verschränken.

Es ist auch zu beachten, dass die „Akzeptanzphase möglicherweise länger als die Phase des Pilotprojektes dauern kann, um nachhaltig zu wirken“, sagt B. Meinhard‐Schiebel. Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit können hier viel bewirken. Im in Österreich vorherrschenden zersplitterten Pflegesystem ist eine gezielte Kommunikation essenziell, denn laut Elisabeth Potzmann, „hilft die beste Pflege nichts, wenn niemand davon weiß.“

Viele Erwartungen werden auch in die Ausrollung und Weiterentwicklung gelegt, hierbei soll die Evaluierung Auskunft über die zukünftige Entwicklung geben. Der Österreichische Städtebund tritt seit Jahren für einen bedarfsgerechten Ausbau von Pflege‐ und Betreuungsleistungen ein. Eine österreichweite Etablierung trägerunabhängiger und niederschwelliger Beratungs‐ und Koordinationsangebote wäre wünschenswert. Ob dies im Rahmen der derzeitigen Konzeption geschieht oder ob Adaptierungen erforderlich sind, wird sich im Rahmen der Evaluierung hoffentlich zeigen.

Zu einer etwaigen Weiterentwicklung soll noch nicht zu viel vorweggenommen werden, sagt R. Anschober: „Es scheint bei guten Evaluierungsergebnissen realistisch, binnen der nächsten Legislaturperiode zu einer schrittweisen, flächendeckenden österreichweiten Etablierung zu kommen. Die Ausgestaltung ist jedoch stark abhängig von den Evaluierungsergebnissen und von den budgetären und personellen Erfordernissen im Pflegebereich. Es wird sich zeigen, wie eine regionale Strukturierung realistisch und effektiv erscheint.“

Andere Stimmen erwarten eine Weiterentwicklung des Aufgabengebiets, so sollen Community Nurses laut der B. Meinhard-Schiebel künftig vor Ort verstärkt akute pflegerische Handlungen durchführen. E. Potzmann hat die Vision einer Community Health Nurse auf Advanced‐Nursing‐Practice‐Niveau als Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz in der österreichischen Bevölkerung. Laut dem Gemeindebund sei eine flächendeckende Einführung bei gesicherter Finanzierung eine Vision, es sollte „die extramurale Gesundheitsversorgung der Bevölkerung aber weiterhin den niedergelassenen Hausärzten bzw., wo vorhanden, den Primärversorgungseinheiten vorbehalten bleiben.“

Offen ist, wo die Community Nurses künftig angesiedelt werden. So gibt es die Möglichkeit der starken kommunalen Verortung, die Möglichkeit regional differenzierter Modelle, aber auch Community Nurses als Teil der Versorgung in Primärversorgungseinheiten.

Trotz unterschiedlicher Ansichten in Bezug auf die Struktur und den Fokus der Leistungserbringung wird die Pilotierung als Möglichkeit der Weiterentwicklung der Profession Pflege gesehen. E. Potzmann unterstreicht das wie folgt: „Durch die CN wird die Kompetenz der Pflege in der Bevölkerung sichtbar. Das ist auch Werbung für den Beruf. Aber ich bin auch Bürgerin dieses Landes, Tochter, Mutter … Ich habe auch in diesen Rollen ein Interesse an einer umfassenden Pflegeversorgung.“

Für die Pilotprojekte gilt es jetzt sie mit professionellem pflegerischem Tun auszugestalten, visionär zu denken und zu agieren und schließlich dieses Neuland in der Pflegelandschaft zu entdecken, dieses „window of opportunity“ zu nutzen, denn:

„Es wird ein spannendes neues Berufsfeld für Pflegepersonen geschaffen, in dem sie großteils autonom arbeiten und die Fähigkeiten, die sie in ihrer Ausbildung lernen, einsetzen können. Es zeigt, wie professionell und wertvoll die Arbeit der DGKP ist und damit auch die positiven Seiten der Pflegeberufe.“ (K. Meichenitsch)

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