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Lisa Mayer / Elisabeth Rappold
Community Nursing in Österreich – Herausforderung, Verantwortung und Chance
In diesem Beitrag werden die rechtlichen und fachlichen Rahmenbedingungen der Pilotpro-jekte Community Nursing beschrieben

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Hintergrund und Auftrag

Nach internationalem Vorbild werden seit Anfang des Jahres 2022 diplomierte Gesundheits‐ und Krankenpflegepersonen als Community Nurses eingesetzt, um niederschwellig, bedarfsorientiert und bevölkerungsnah auf Gemeindeebene tätig zu sein. Ihre Zielgruppe sind primär ältere Menschen und deren pflegende, betreuende Angehörige. Gemäß Gesundheits‐ und Krankenpflegegesetz § 14 Abs. 2, „Pflegerische Kernkompetenz“, und durch das Zusammenspiel der Funktionen der Community Nurse als Netzwerker:in, Gesundheitsberater:in, Vernetzer:in, Fürsprecher:in und Koordinator:in soll Community Nursing die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken, deren Wohlbefinden verbessern und den Verbleib älterer Menschen im eigenen Zuhause ermöglichen, nicht zuletzt durch die Steigerung der Selbsthilfekompetenzen aufseiten Betroffener und deren Angehöriger.

Voraussetzung für das Konzept Community Nursing war einerseits die Verankerung des neuen Versorgungskonzepts im Regierungsprogramm 2020–2024 (Bundeskanzleramt 2020) sowie die Zielformulierung der Ausarbeitung und Entwicklung eines Modells von Community (Health) Nursing im Expertenpapier der Taskforce Pflege (Rappold et al. 2021). Darüber hinaus wird durch die Realisierung der einschlägigen Pilotprojekte ein wesentlicher Beitrag zur Umsetzung sowohl der Gesundheitsziele Österreich als auch der Sustainable Development Goals (SDGs) der Agenda 2030 (UN 2015).

Im Rahmen eines Fördercalls konnten Gemeinden, Städte und Sozialhilfeverbände sich für eine Projektförderung in der Pilotphase bewerben. Danach erfolgte eine inhaltliche und wirtschaftliche Prüfung. Die bewerteten Anträge wurden dem Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zur Unterzeichnung vorgelegt. Mit Stand 1. September 2022 konnten 115 Projekte mit der Umsetzung beginnen. Finanziert werden die Pilotprojekte von der Europäischen Union – NextGeneration EU – im Rahmen der Recovery and Resilience Facility (kurz RRF). Auf nationaler Ebene liegt die Projektverantwortung, ‐initiierung und ‐koordination beim Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). Der Schwerpunkt und die Zielgruppe können in den Pilotprojekten je nach regionalem Bedarf variieren, beispielweise kann der Fokus auf Menschen mit spezifischen chronischen und/oder psychosomatischen Erkrankungen gerichtet werden (BMSGPK 2021).

Die Rolle der Gesundheit Österreich GmbH

Um eine systematische und strukturierte Abwicklung der Projektförderung und der Unterstützung bei der Implementierung zu gewährleisten, wurde die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG / Geschäftsbereiche ÖBIG mit der Abteilung Langzeitpflege und FGÖ) mit der Begleitung und Koordination der Pilotprojekte beauftragt.

Die zentralen Zuständigkeitsfelder der GÖG im Projekt sind:

  • Entwicklung des Aufgaben‐ und Rollenprofils
  • kontinuierliche Begleitung
  • Netzwerk‐ und Unterstützungsaktivitäten
  • Schulung sowie Fort‐ und Weiterbildungen
  • Dokumentation und Evaluation
  • Projektmanagement einschließlich Förderabwicklung und Fördercontrolling

Im Rahmen der jeweiligen Aufgabenbereiche werden zudem unterschiedliche Instrumente, Vorlagen oder Applikationen vor‐ und bereitgestellt. Hierzu gehören beispielsweise ausgewählte Assessmentinstrumente oder die Projekt‐ und Leistungsdokumentation. Durch die Organisation und Veranstaltung nationaler und regionaler Vernetzungstreffen aller Projektbeteiligten sowie der Akteurinnen und Akteure des Gesundheits‐ und Sozialsektors werden eine Stärkung der multi‐ und interprofessionellen Ebene und ein genereller Wissenstransfer angestrebt. Gerade zu Beginn der Pilotphase liegt hier ein Schwerpunkt auf der Vernetzung mit kommunalen Gesundheitsförderungseinrichtungen wie den „Gesunden Gemeinden“, zumal eine der Kernaufgaben der Community Nurses darin besteht, lokale oder regionale Akteurinnen und Akteure sowie Netzwerke der Gesundheitsförderung und ‐versorgung zu identifizieren und zu vernetzen, um mittels Kooperationen ihren Aktionsradius/Handlungsspielraum auszuweiten. In diesem Zusammenhang wird auch ein hohes Maß an Eigeninitiative von den Pilotprojekten verlangt.

Eine wesentliche Rolle spielt hier die Tatsache, dass die Projekte die Bedürfnisse und Bedarfe in der jeweiligen Region erheben und die anschließende Planung und Umsetzung von Maßnahmen gestalten und dokumentieren. Bei der Planung und Umsetzung sind zusätzlich die Merkmale bzw. Kriterien des Gesundheitsförderungsansatzes wie Partizipation, Chancengerechtigkeit, Ressourcenorientierung und Empowerment, Nachhaltigkeit sowie Setting‐, Zielgruppen‐ und Determinantenorientierung zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit der Dokumentation ist anzumerken, dass neben den ohnehin zu erfüllenden Dokumentations‐ und Berichtspflichten laut Fördervereinbarung, die einzelnen Projekte für die Pflegedokumentation laut GuKG verantwortlich sind und ein professionelles Handeln vorausgesetzt wird. Ebenso verlangen die Überprüfung der Qualifikationen der Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits‐ und Krankenpflege oder die Einhaltung der Fristen sowie die Verantwortung für die Leistungserbringung ein strukturiertes Vorgehen.

Die praktische Umsetzung

Neben der GÖG nehmen natürlich auch die „Hauptdarsteller:innen“, die Community Nurses, eine zentrale Rolle ein. Ihre Verantwortung liegt insbesondere in den Bereichen Monitoring und Erhebung, Information, Beratung und Edukation, Koordination und Vernetzung sowie Fürsprache und Interessenvertretung. Diese Verantwortungsbereiche leiten sich aus dem Public Health Intervention Wheel (PHIW, (Schaffer/Strohschein 2019)ab, einem theoretischen Konzept aus dem Public‐Health‐Bereich, welches den österreichischen Gegebenheiten angepasst wurde (Abbildung 2.1) (Rappold 2022).

Public Health Intervention Wheel

Abbildung 2.1:
Public Health Intervention Wheel

Quelle: Schaffer/Strohschein (2019), adaptiert durch GÖG; Darstellung: Unger (2022)

Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Gesundheitsbedürfnisse der:des Einzelnen im Kontext ihrer:seiner Familie sowie auf Gruppen und Gemeinschaften. Dies schließt auch die Berücksichtigung zum einen der Ungleichheiten zwischen den Patientinnen und Patienten inklusive deren besonderer Bedürfnisse und zum anderen der multiplen Gesundheitsdeterminanten sowie die Miteinbeziehung von Prävention und Gesundheitsförderung sowie Interventionen auf Ebene des Individuums, seiner Familie sowie seiner Gruppen und Gemeinschaften ein. Hier darf nicht vergessen werden, dass ein hohes Maß an Selbstständigkeit gefordert wird und auch teilweise offene Rahmenbedingungen bestehen, die ein aktives, eigenständiges Handeln zusätzlich erforderlich machen. Eine weitere Herausforderung, aber vor allem auch Chance, ist, dass die pflegerische Kernkompetenz zur Förderung der Gesundheitskompetenz, Gesundheitsförderung und Prävention bevölkerungswirksam angeboten werden kann. Community Nursing kann daher als Chance gesehen werden, zur Attraktivität des Berufs beizutragen. Der neue Bereich führt zu einer maximalen Nutzung der Kernkompetenzen und der Expertise der Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits‐ und Krankenpflege. Wichtige Faktoren sind hier insbesondere das hohe Maß an Selbstorganisation und Eigenverantwortung, die Vermittlung von Gesundheitsinformationen bzw. des gesundheitsfördernden Ansatzes und das multiprofessionelle Handeln. Auch das Agieren als Visionärinnen und Visionäre und der Beitrag zur Systemveränderung im Gesundheitswesen sind positive und entscheidende Faktoren. Das Selbstbewusstsein der Berufsgruppe wird somit gestärkt, desgleichen der Mut, einen attraktiven Bereich zu erobern und zu gestalten.

Evaluation

Die Evaluation wurde ausgeschrieben, den Zuschlag dafür erhielt die FH Kärnten.

 

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