Laut der World Health Organization (WHO) gab es im Januar 2023 weltweit mehr als 664,8 Millionen bestätigte COVID-19-Infektionen, bei denen bis zu diesem Zeitpunkt über 6,7 Millionen Menschen an den Folgen der Erkrankung verstorben sind (WHO, 2023).
Atemprobleme, akutes Atemnotsyndrom, septischer Schock oder Multiorganversagen können Auswirkungen dieser Infektion sein. Instabile Patient*innen erhalten eine intensivmedizinische Behandlung und bei Bedarf eine invasive mechanische Beatmung (Sirayder et al., 2022, S. 1). Bis Ende Juli 2022 sind 14,2 Prozent der stationär behandelten COVID-Patient*innen und 32,8 Prozent der ICU-Patient*innen an den Folgen der Erkrankung verstorben (Bachner et al., 2022, S. 2).
Nach der Überwindung der akuten COVID-Infektion können Erkrankte von Langzeitfolgen betroffen sein (RKI, 2022, Abs. 1). Laut einer aktuellen Studie sind weltweit mindestens 65 Millionen Menschen von Long COVID betroffen, was etwa zehn Prozent der COVID-19-Infizierten entspricht (Davis et al., 2023, S. 1). Die deutsche S1-Leitlinie definiert Long COVID und Post-COVID-Syndrom. Long COVID bezieht sich auf Symptome, die länger als vier Wochen anhalten, während das Post-COVID-Syndrom Symptome beinhaltet, die nach zwölf Wochen immer noch vorhanden sind (Hennigs et al., 2022, S. 462). Die WHO definiert Post-COVID-19 als einen Zustand, bei dem die Symptome zwölf Wochen nach Beginn andauern, mindestens zwei Monate vorhanden sind und andere mögliche Ursachen ausgeschlossen wurden (Hellwig & Domschke, 2022, S. 1).
Die Anzahl der Fälle vom Post-COVID-Syndrom, welche in österreichischen Krankenhäusern stationär behandelt wurden, liegt Ende Juli 2022 bei 5.320 Patient*innen. Eine intensivmedizinische Behandlung benötigten 590 Patient*innen (Bachner et al., 2022, S. 19). Die genaue Prävalenz der Langzeitfolgen ist in der aktuellen Studienlage immer noch unklar. Es fehlen bevölkerungsrepräsentative Studien sowie längere Nachbeobachtungszeiten (RKI, 2023, Abschnitt 4).
Mehr als 200 Symptome, welche sich auf mehrere Organsysteme auswirken, wurden bei Long COVID festgestellt. Folglich können auch neue Erkrankungen auftreten, wie zum Beispiel kardiovaskuläre, thrombotische und zerebrovaskuläre Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) und Dysautonomie. Bei Patient*innen mit diesen Erkrankungen können die Symptome jahrelang andauern. Bei neu auftretendem ME/CFS und Dysautonomie wird davon ausgegangen, dass diese Erkrankungen ein Leben lang bestehen bleiben (Davis et al., 2023, S. 1–2).
Bereits ein milder COVID-19-Verlauf oder ein asymptomatischer Verlauf kann zu Long COVID-Symptomen führen. Das Risiko steigt, je höher die Anzahl der Symptome während der akuten COVID-19-Infektion ist. Weiters erhöht sich die Gefahr von Langzeitfolgen, wenn bereits andere Erkrankungen vorhanden sind. Es gibt Hinweise, welche darauf hindeuten, dass sich das Risiko je nach Virusvariante und Impfstatus unterscheidet. (RKI, 2023, Abs. 6).
Zu den möglichen Risikofaktoren, an Long COVID zu erkranken, gehören weibliches Geschlecht, Typ-2-Diabetes, EBV-Reaktivierung, das Vorhandensein spezifischer Autoantikörper, Bindegewebsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, chronische Urtikaria und allergische Rhinitis. Der Pathomechanismus von Long COVID ist jedoch weiterhin ungeklärt (Davis et al., 2023, S. 2).
Methode
Die Literaturrecherche für die wissenschaftliche Arbeit erfolgte von April 2022 bis Februar 2023. Für die Einleitung, die Problembeschreibung und den theoretischen Hintergrund wurde Fachliteratur aus der Datenbank Springer Link und Thieme herangezogen. Auch Webseiten wie jene des Robert Koch Instituts, des Rechtsinformationssystems des Bundes und jener der WHO wurden zur Recherche verwendet.
Für die Studienrecherche wurde in den Online-Datenbanken PubMed, BASE und Science Direct mit mehreren unterschiedlichen Variationen von Suchbegriffen gesucht. Die häufigsten verwendeten englischen Begriffe waren “ICU”, “COVID-19”, “Long COVID”, “quality of life“ und “invasive mechanical ventilation” und diese wurden mit dem Bool’sche Operator „AND“ verwendet.
Insgesamt konnten in den Datenbanken PubMed, BASE und Science Direct mit den verschiedenen Suchvariationen ein Suchergebnis von 202 Studien erzielt werden. Nach der Elimination der Doppeltreffer wurden 185 Studien anhand der Titel analysiert. 121 Studien entsprachen nicht den Ein- und Ausschlusskriterien oder waren nicht themenrelevant und wurden ausgeschlossen. Beispielsweise wurden jene Studien nicht einbezogen, welche die Familie der Erkrankten oder an Corona erkrankte Kinder in Betracht gezogen haben. Ebenso wurden Berichte über COVID-Patient*innen, die nicht auf einer Intensivstation behandelt wurden, durch die Studienselektion ausgeschlossen.
Anschließend wurde der Abstract von 64 Studien analysiert und weitere 42 Studien konnten aussortiert werden. Als letzten Schritt erfolgte die Volltextanalyse von 22 Studien. Nach der Analyse konnten weitere zehn Studien ausgeschlossen werden und somit blieben zwölf Studien für die Beantwortung der gestellten Forschungsfrage übrig.
Die zwölf ausgewählten Studien wurden mithilfe geeigneter Bewertungsinstrumente auf ihre Qualität hin überprüft und bewertet. Das “Mixed Methods Appraisal Tool“ (Hong et al., 2018), die “Critical Appraisal Checklist for Analytical Cross Sectional Studies“ vom Joanna Briggs Institute (Moola et al., 2017), das “Critical Appraisal Skills Programm of Case Control Study“ (CASP, 2018) und das allgemeine Bewertungsinstrument nach Brandenburg et al. (2007) „Bewertungskriterien von Studien“ wurden dabei eingesetzt.
Ergebnisse
Nach sorgfältiger Bewertung der zwölf eingeschlossenen Studien sind folgende inhaltsbezogene Kategorien gebildet worden.
Auswirkungen auf die Mobilität
In der Studie von Musheyev et al. (2021) nahmen 118 Proband*innen teil, welche beim Aufenthalt auf der ICU invasiv beatmet wurden. Mithilfe der ICU-Mobilitätsskala wurde die funktionelle Mobilität der Patient*innen gemessen. Die bestmöglich erreichbare Anzahl liegt bei elf Punkten. Alle Patient*innen zeigten eine signifikante Verbesserung bei der Entlassung aus dem Krankenhaus mit 5,78 Punkten (SEM ± 0,26) im Vergleich mit 1,20 Punkten (SEM ± 0,17) bei der Entlassung aus der Intensivstation (p = 7.8E−34). Die Autor*innen der Studie kamen zum Ergebnis, dass eine kürzere Dauer einer mechanischen Beatmung mit einer besseren Bewertung der ICU-Mobilitätsskala bei der Krankenhausentlassung korrelierte (p < 0,001).
Nanwani-Nanwani et al. (2022) beschrieben bei der Nachuntersuchung Auswirkungen der Beatmungsdauer auf die Mobilität der Teilnehmer*innen. Von den 186 Teilnehmer*innen kam es bei 66 %, welche länger als 14 Tage invasiv beatmet wurden, zu einer Muskelschwäche. Lag die invasive Beatmung unter 14 Tagen, waren nur 34 % der Patient*innen davon betroffen (p = 0,0001).
Bei Larsson et al. (2022) wurde mit der Clinic Fraility Scale (CFS) die Gebrechlichkeit der 46 Patient*innen gemessen. Von den Teilnehmer*innen sind 54 % invasiv beatmet worden. Nach vier Monaten wurden die Proband*innen in der Klasse 2 (IQR 2 – 3) und nach zwölf Monaten in der Klasse 3 (IQR 3 – 4, p = 0,002) eingestuft. Laut Studie wurde erst ein Wert ab der Klasse 5 als Grenzwert für Gebrechlichkeit verwendet. Auch wenn die Werte unter dem Grenzwert lagen, nahm die Prävalenz der Gebrechlichkeit nach kritischen Erkrankungen häufig zu.
Auch in der Studie von Nanwani-Nanwani et al. (2022) wurden Muskelschwäche (49 %) und Gelenkschmerzen (45 %) als zwei der häufigsten Symptome bei den 186 Proband*innen angeführt. Weiters wurde mithilfe dem 12-Item Short Form Survey (SF-12) die Lebensqualität gemessen. Die Autor*innen beschreiben einen Mittelwert von 38 (SD ± 13) bezogen auf die körperlich relevanten Komponenten. Ein Wert unter 50 deutet auf eine schlechte gesundheitsbezogene Lebensqualität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hin.
Bei Sirayder et al. (2022) wurde bei 57,6 % der Proband*innen aus der COVID-19-Gruppe eine niedrigere Quadrizepskraft festgestellt als in der Kontrollgruppe. Bei der Prüfung des Gleichgewichts mit dem Time-Up-Go-Test waren in der COVID-Gruppe die Ergebnisse signifikant höher als in der Kontrollgruppe (7,9 Sekunden ± 1,2 bzw. 7,2 Sekunden ± 0,9, p < 0,05). Die klinische Relevanz des gemessenen Unterschieds (0,7 Sekunden) soll jedoch kritisch betrachtet werden.
Wu et al. (2022) ermittelten den Ist-Zustand der Mobilität und anderer Einschränkungen mithilfe der 36-Item Short Form Survey (SF-36). Wird eine maximale Punktzahl von 100 erreicht, liegt keine gesundheitliche Einschränkung vor. Nach sechs Monaten Nachbeobachtungszeit wurde hinsichtlich der körperlichen Funktionsfähigkeit von den zehn Teilnehmer*innen ein Durchschnittswert von 73,0 Punkten (SD ± 25,8) erzielt.
Über die Mobilitätseinschränkungen der COVID-Patient*innen berichtete auch die Studie von Núñez-Seisdedos et al.(2022), welche mittels dem 6-Minuten-Gehtest (6MWT) durchgeführt wurde. Bei 50 Teilnehmer*innen, welche drei und sechs Monate nach der ICU-Entlassung untersucht wurden, bewerteten die Autor*innen der Studie die Mobilität auf einer 30-Meter langen freien Gehstrecke. Die zurückgelegte Gehstrecke verbesserte sich im Laufe der Zeit signifikant. Die mediane Strecke lag nach drei Monaten bei 442,5 m (IQR 384 m – 537 m) und im Vergleich nach sechs Monaten bei 520 m (IQR 405 m – 588 m, p ≤ 0,001). Trotz der steigenden Werte erreichten die Teilnehmer*innen nach drei Monaten nur 71 % (IQR 66 – 82) und nach sechs Monaten 82 % (IQR 71,5 – 90) der vorhergesagten Strecke (p ≤ 0,001). Insgesamt hatten 46 % der Teilnehmer*innen nach drei Monaten und 20 % nach sechs Monaten bei jeder Untersuchung eine Funktionsfähigkeit von weniger als 70 % (p ≤ 0,001).
Auch Sirayder et al. (2022) stellten funktionelle Einschränkungen fest. Bei der COVID-19-Gruppe wurde eine Strecke von 561.1 ± 71,0 m erreicht und bei der Kontrollgruppe 652.6 ± 53,4 m (p < 0,001).
Auswirkungen auf die Lungenfunktion
Dyspnoe ist eine der häufigsten genannten Spätfolgen einer Covid-19 Infektion.
In der Studie von Nanwani-Nanwani et al. (2022) war nach drei Monaten Dyspnoe bei 57 % der Teilnehmer*innen vorhanden. Gamberini et al. (2021) kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Bei der Untersuchung nach einem Jahr gaben 58,4 % der Patient*innen, welche im Akutstadium der Infektion invasiv beatmet wurden, Dyspnoe als Symptom an (p < 0,001). Weiters hatten Nanwani-Nanwani et al. (2022) mittels Spirometrie die pulmonalen Funktion getestet. Bei 50 % der Patient*innen zeigte sich ein normales Lungenfunktionsmuster, 33 % wiesen eine restriktive Störung auf, 3 % eine gemischte (obstruktive/restriktive) Störung und 2 % hatten ein obstruktives Spirometriemuster. Auch in der Studie von Núñez-Seisdedos et al. (2022) war Dyspnoe bei 88 % der Patient*innen nach drei Monaten und bei 76 % nach sechs Monaten präsent (p ≤ 0,001). 18 der Teilnehmer*innen der Studie von Daher et al. (2021) wurden in der Akutphase der Erkrankung invasiv beatmet, davon gaben drei (18 %) nach sechs Monaten Beschwerden durch Dyspnoe an (p = 0,51).
Irisson-Mora et al. (2022) beschrieben, dass sechs Monate nach der Entlassung bei 35,4 % (99/280) der Proband*innen Dyspnoe diagnostiziert wurde. Bei der multisystemischen Auswertung waren respiratorische Folgeerscheinungen bei 65 % (182/280) der Teilnehmer*innen vorhanden. Zangrillo et al. (2022) beschrieben bei 7 % der Patient*innen eine Ruhedyspnoe, während von den 56 Teilnehmer*innen 28,5 % über Belastungsdyspnoe von „leicht“ bis „sehr stark“ klagten.
Monti et al. (2021) berichteten lediglich über einen Fall (2,6 %), welcher nach zwei Monaten nach der Entlassung über Beschwerden in Form von Dyspnoe im Ruhezustand klagte. 28 % berichteten jedoch über Atemnot bei körperlicher Belastung (von „sehr leicht“ bis „sehr stark“).
Núñez-Seisdedos et al. (2022) kamen bei der Untersuchung der inspiratorischen Muskelstärke zum Ergebnis, dass nach drei Monaten 48 % und nach sechs Monaten 24 % der Patient*innen eine Beeinträchtigung der Muskelkraft zu jenem Zeitpunkt aufweisen.
Die Untersuchung von Sirayder et al. (2022) zeigte, dass bei der COVID-19-Gruppe sechs Monate nach der ICU-Entlassung die SpO2-Werte signifikant niedriger waren als bei der Kontrollgruppe (94 % bzw. 97 %, p < 0,001). Es konnte bei den COVID-Patient*innen eine mäßige Korrelation zwischen der Aufenthaltsdauer auf der ICU und den Veränderungen der SpO2-Werte festgestellt werden (r = 0.469, p = 0,02).
In einer Studie von Gamberini et al. (2021) konnte bei der Durchführung des Health-Related Quality of Life (HRQoL)-Fragebogens zwischen drei und zwölf Monaten keine wesentlichen Veränderungen bei der Atmung von den 178 invasiv beatmeten Patient*innen festgestellt werden.
Zangrillo et al. (2022) beschrieben drei Monate nach der Entlassung aus der ICU bei 27,6 % der Patient*innen ein fibrotisch anmutendes CT-Muster. Ein Jahr später wurde bei der Nachuntersuchung über eine Verbesserung berichtet, da nur 13,8 % fibrotisch anmutende Veränderungen aufzeigten.
Ein*e Patient*in erwähnte bei der Mixed-Method-Studie von Wu et al. (2022) eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion und untermauerte die Aussage mit folgendem direktem Zitat: “After exercise, especially going upstairs, I wheezed a bit.My blood oxygen is lower than normal, about 94 % – 95 %…The pulmonary fibrosis does not get recovered, which affects my life.“
Auswirkungen auf die Fatigue
Larsson et al. (2022) wendeten den „Multidimensional Fatigue Inventory“-Fragebogen (MFI20) bei 44 Patient*innen an, welcher zur Selbsteinschätzung der Müdigkeit diente. Werte von 4 – 8 werden als keine oder leichte Müdigkeit definiert, während Werte von 9 – 20 als mäßige, schwere und sehr schwere Müdigkeitssymptome eingestuft werden. Nach vier Monaten ergaben die Resultate des Fragebogens für die allgemeine Müdigkeit 14 Punkte (IQR 10 – 18) und nach zwölf Monaten 14,5 Punkte (IQR 10 – 17, p-Wert 4 Monate vs. 12 Monate = 0,796). Während des zwölfmonatigen Beobachtungszeitraums war Müdigkeit das häufigste Symptom der Patient*innen.
Bei Daher et al. (2021) war bei den 18 Patient*innen nach sechs Monaten das häufigste Symptom mit 44 % die Müdigkeit (p = 0,64).
Ähnlich berichtete auch die Studie von Irisson-Mora et al. (2022). Sechs Monate nach der Entlassung der invasiv beatmeten Patient*innen war Fatigue das häufigste Symptom mit 41,4 %.
Sirayder et al. (2022) führten sechs Monate nach der ICU-Entlassung eine Untersuchung mit der Fatigue Severity Scale (FSS) durch. Wird eine Punktzahl von vier oder höher erreicht, deutet dies auf eine schwere Fatigue hin. Bei den 26 teilnehmenden Patient*innen konnten die Autor*innen herausfinden, dass der Ermüdungsgrad in der COVID-19-Gruppe signifikant höher war als in der Kontrollgruppe (3,5; SD ± 1.5 vs. 1,2; SD ± 0,7, p < 0,001).
Auswirkungen auf das psychische Befinden (Depression, Angst, Schlaf und kognitive Störung)
Nanwani-Nanwani et al. (2022) konnten mithilfe der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) psychiatrische Störungen bei 31 % der 186 Proband*innen feststellen. Ist der Wert ≥ 8, wird dies als klinisch relevant anerkannt. Drei Monate nach der Krankenhausentlassung erreichten die Proband*innen bei HADS-A (Angst) einen Mittelwert von 6 (SD 5) und bei HADS-D (Depression) einen Mittelwert von 5 (SD 4).
Sirayder et al. (2022) stellten nach sechs Monaten fest, dass in der COVID-Gruppe der Mittelwert von 14,2 (SD 7,0) auf der HADS-Skala signifikant höher war als in der Kontrollgruppe mit 5,9 Punkten (SD 3,6, p < 0,001).
Daher et al. (2021) nutzten in ihrer Studie den Patient Health Questionnaire 9 (PHQ-9) sowie den Generalized Anxiety Disorder 7 (GAD-7). Beide Skalen bewerten Symptome anhand einer Punktzahl von 0 bis 4 als minimal, 5 bis 9 Punkte als leicht, 10 bis 15 als mittelschwer und ≥ 15 Punkte als schwer. Bei der Auswertung nach sechs Monaten stellte man beim Fragebogen PHQ-9 einen Mittelwert von 6 (SD 5) Punkten fest (p = 0,17). 5 % der Patient*innen hatten Symptome von schweren und 72 % von leichten Depressionen ergeben. Bei dem Fragebogen GAD-7 erhoben die Autor*innen einen Mittelwert von 4 (SD 4, p = 0,23). Schwere Angstzustände hatten insgesamt 5 % der Patient*innen und leichte Angstzustände waren bei 89 % vorhanden.
Irisson-Mora et al. (2022) hatten in ihrer Studie herausgefunden, dass nach sechs Monaten von den 280 Patient*innen neurologische und neuropsychiatrische Folgeerscheinungen mit 62,5 % die zweithäufigsten Symptome waren (p = 0,044). Die Autor*innen stellen fest, dass invasiv beatmete Patient*innen im Vergleich zu nicht-intubierten Patient*innen häufiger neurologisch-neuropsychiatrische Symptome haben (67,3 % vs. 55,4 %, OR 1,936, 95% CI 1,069 – 3,506, p = 0,029). Des Weiteren wurden Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus bei 12,1 % und Angst- und Depressionsstörungen bei 10,4 % der Patient*innen festgestellt.
Wu et al. (2022) erhoben mit dem EQ-5D-5L-Fragebogen, dass bei 50 % der Patient*innen Ängste und Depressionen auftraten. Die Befragten Patient*innen bewerteten die psychologische Auswirkung als enorm. Ein*e Patient*in berichtete mit folgendem Zitat:
“I do not want to do anything. I cannot sleep at night and always have nightmares and wake up…I almost do not want to live…I cannot overcome the barrier in my mind. I know I should not, but I am not able to…I think I do not have psychological problems, but I am just sad and regretful…When I am at home now, the scene appears, and I cannot help thinking about it and I cannot forget.” (Wu et al., 2022)
Monti et al. (2021) verwendeten den EQ-5D-3L-Test. Zwei Monate nach der Entlassung gaben 21 % der Patient*innen mäßige Angstzustände oder Depressionen an. Keine der Patient*innen litten unter schweren Angstzuständen oder Depressionen.
Sirayder et al. (2022) führten einen Mini-Mental State Test (MMST) durch und konnten keine aussagekräftigen Unterschiede bei der kognitiven Funktion zwischen COVID-Gruppe und Kontrollgruppe feststellen (Median 27,7 SD 2,8 bzw. Median 28,2 SD 1,5, p < 0,42). Die Überprüfung der kognitiven Funktion konnte auch Nanwani-Nanwani et al. (2022) mithilfe der Anwendung des Montreal Cognitive Assessment-Tests (MoCA) durchführen. Bei 6 % wurde eine mittelschwere kognitive Störung festgestellt. Kognitive Veränderungen waren bei 32 % der Teilnehmer*innen vorhanden.
Diskussion
Die Hypothese, dass eine COVID-19-Erkrankung einen Einfluss auf das psychische und physische Befinden der Betroffenen nimmt, kann durch die zwölf inkludierten Studien teilweise bestätigt werden. Dennoch weisen einzelne Forschungsarbeiten ein gutes Outcome nach einer Infektion auf und zeigen somit, dass der Verlauf und die Auswirkung einer SARS-CoV-2-Infektion sehr individuell ist und jeden unterschiedlich stark beeinträchtigen kann (Daher et al., 2021; Gamberini et al., 2021; Irisson-Mora et al., 2022; Larsson et al., 2022; Marois et al., 2022; Monti et al., 2021; Musheyev et al., 2021; Nanwani-Nanwani et al., 2022; Núñez-Seisdedos et al., 2022; Sirayder et al., 2022; Wu et al., 2022; Zangrillo et al., 2022).
Die Auswirkungen einer intensivmedizinischen Versorgung auf die Mobilität von COVID-19-Patient*innen wird in den einbezogenen Studien in unterschiedlichen Phasen untersucht, wobei sich ein Zusammenhang zwischen der Dauer der maschinellen Beatmung und der Schwere der Einschränkungen im Bereich der Mobilität zeigt (Nanwani-Nanwani et al., 2022; Zangrillo et al.;2022; Musheyev et al.,2021; Monti et al., 2021). Diese Ergebnisse können jedoch auch mit der Medikation während der Sedierung in Verbindung stehen (Larsen et al., 2021, S. 591).
In den einbezogenen Studien wird bei mehr als der Hälfte der untersuchten Patient*innen von Atembeschwerden berichtet. Besonders beträchtlich ist, dass Nanwani-Nanwani et al. (2022), Gamberini et al. (2021) und Nunez-Seisdedos et al. (2022) von einer Dyspnoerate über 50 % berichten. Die Ergebnisse zeigen, dass Dyspnoe bei langfristig invasiv beatmeten COVID-19-Patient*innen auch Monate nach der mechanischen Beatmung Probleme bereiten kann. Es wird auch ersichtlich, wie individuell sich der Krankheitsverlauf entwickelt und dass dieser von verschiedenen Faktoren abhängt.
Larsson et al. (2022), Daher et al. (2021) und Irisson-Mora et al. (2022) erklärten Fatigue als das am häufigsten auftretende Symptom der COVID-Patient*innen. Somit ist ersichtlich, dass Fatigue eine wesentliche Rolle bei den langfristigen Auswirkungen einer COVID-Infektion spielt.
Bezugnehmend auf die Untersuchungen von Nanwani-Nanwani et al. (2022), Sirayder et al. (2022), Daher et al. (2021), Irisson-Mora et al. (2022), Wu et al. (2022), Zangrillo et al. (2022), Monti et al. (2021) und Gamberini et al. (2021) zeigt sich, dass die Teilnehmer*innen aufgrund von COVID-19 einer psychischen Belastung ausgesetzt waren. Vor allem Angst, Depressionen, und Veränderungen der Kognition werden beschrieben, wobei die Untersuchungen des kognitiven Status zu unterschiedlichen Ergebnissen in den einbezogenen Studien geführt hat.
Der Grund für die Heterogenität der Ergebnisse könnte in der teilweise geringen Stichprobengröße der einbezogenen Studien liegen. Weiters zeigt sich ein Mangel an multizentrischen Studien, um allgemein gültigere Ergebnisse zu produzieren. Die Gewichtung des Geschlechts spielt gerade in Studien, die sich mit Krankheiten oder medizinischen Behandlungen befassen, eine große Rolle. Ergebnisse können möglicherweise nur auf eine Geschlechtergruppe übertragen werden. Nur in den beiden Studien von Núñez-Seisdesdos et al. (2022) und Irisson-Mora et al. (2022) herrschte ein Gleichgewicht der Geschlechter. In den meisten Studien war das männliche Geschlecht in einem Ausmaß von mehr als 50 % der Teilnehmer*innen repräsentiert.
Aufgrund der Thematik war es nur möglich, Studien zur COVID-19-Pandemie aus dem Jahr 2020-2023 einzuschließen. Die zeitliche Einschränkung spiegelt sich auch in den Studien wider, denn fast alle Autor*innen der Studien wiesen auf den kurzen Beobachtungszeitraum hin. Es wird eine längere und intensivere Nachbeobachtungszeit benötigt, um ausreichend Informationen über den Krankheitsverlauf und den Langzeitfolgen vom SARS-CoV-2-Virus zu erhalten.
Die zwölf inkludierten Studien wurden im Vorhinein auch nicht länderspezifisch eingeschränkt. Somit stammen die Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen Ländern in Europa, Mexiko und China. Dies kann zu Verzerrungen aufgrund verschiedener Kulturen und unterschiedlicher Covid-Präventionsmaßnahmen führen und möglicherweise sind daher die Ergebnisse nicht auf alle Patient*innen übertragbar.
Ausblick
Zurzeit ist noch keine eindeutige Antwort auf die Forschungsfrage möglich, da die Auswirkungen dieser Infektionskrankheit viele unterschiedliche Symptombereiche betreffen und die Ergebnisse teilweise widersprüchlich sind. Die Reaktionen der Betroffenen auf das Virus variieren je nach individueller Anfälligkeit, wodurch sich die Auswirkungen bei jedem Menschen unterschiedlich zeigen. Trotz der unterschiedlichen Ergebnisse ist ersichtlich, wie enorm einschränkend die Erkrankung sein kann und wie sehr die Dauer dieser Einschränkungen abweichen kann. Neben physischen Auswirkungen auf die Mobilität, Lungenfunktion und Fatigue kann auch das psychische Befinden der Betroffenen stark beeinträchtigt sein. Diese Symptome können sich auf die Lebensqualität der Patient*innen auswirken und enorm die Bewältigung der täglich anfallenden Aufgaben einschränken.
Abschließend kann angemerkt werden, dass weiterer Forschungsbedarf notwendig ist, um aussagekräftigere Ergebnisse über die Auswirkungen und Langzeitfolgen zu erhalten. Auch für den gezielten Transfer von Behandlungs- und Pflegeinterventionen in die Praxis in Österreich sind zukünftige Studien erforderlich, welche konkretere Informationen über den Umgang mit der Erkrankung bieten. Auch die Verfügbarkeit von qualitativen Studien zu diesem Thema sind begrenzt. Diese sind besonders wertvoll, um eine ganzheitliche Sicht der Auswirkungen auf die Betroffenen zu erhalten und die persönliche Sichtweise jedes Einzelnen einfließen lassen zu können.
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