Bezahlte Information
Christina Klopf, Melanie Ternon
Künstliche Intelligenz in der Pflege – Aktuelle Entwicklungen und Ausblick

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Pflege birgt das Potenzial Pflegepersonen nachhaltig zu entlasten und Pflegequalität zu steigern. Die rasante Entwicklung von KI-Tools hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass diese innovativen Technologien auch im Gesundheitsbereich vielfältig eingesetzt werden. Erste Studien evaluieren den Einsatz und beschreiben die Vorteile und Risiken. Der folgende Artikel beschreibt den aktuellen Stand der Forschung, Anwendungsfelder von KI in der Pflege sowie Chancen und Herausforderungen.

Bezahlte Information

Hintergrund und Stand der Forschung

In Europa kommt es aktuell zu demografischen Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur. Damit einher geht ein Mehrbedarf an Betreuung- und Pflege, welcher das österreichische Gesundheitssystem vor zahlreichen Herausforderungen stellt. Der aktuelle und sich weiter intensivierende Mangel an Fachpersonal gefährdet die Aufrechterhaltung von adäquater Versorgungs- und Pflegequalität (Juraszovich et al., 2023). Durch den Einsatz von KI, im Englischen als Artifical Intelligence (AI) bezeichnet, könnte das Gesundheitssystem nachhaltig verändert und optimiert werden. Es besteht das Potenzial Gesundheitsfachkräfte zu entlasten und Kosten zu senken. Die zukünftigen Möglichkeiten sind vielfältig. Laut Forschenden der deutschen Akademie der Technikwissenschaften beschränkt sich die Anwendung von KI aktuell allerdings vor allem auf die klinische Versorgung in Forschungseinrichtungen. Erste Pilotprojekte testen Anwendungsmöglichkeiten im organisatorischen Bereich wie zum Beispiel in der Automatisierung der Personalplanung oder im Terminmanagement. Um die Entwicklungen voranzutreiben, fördern öffentliche Gelder Projekte zum Einsatz von KI im Gesundheitsbereich europaweit. KI-Landkarten zeigen, dass aktuell rund 230 KI-Tools im Sektor Gesundheit, Medizin und Pflege angewandt werden oder in Entwicklung sind (Hiltawsky et al., 2024). International betrachtet sind Technologien aus dem asiatischen Raum vergleichsweise weit fortgeschritten. Eine besonders große Rolle spielt der Einsatz von KI in der Entwicklung von Pflegerobotern. Im europäischen Raum werden zahlreiche Projekte zur Entwicklung von Service-, Assistenz- oder Unterhaltungsrobotern durch öffentliche Mittel gefördert. Einer der Vorreiter ist das Fraunhofer-Institut mit dem Pflegeroboter „Care-O bot 4”. Der modulare Roboter biete zahlreiche Einsatzmöglichkeiten und ist der Lage Personen und Sprachen zu erkennen. Er unterstützt bei der Darreichung von Medikamenten, Speisen, Getränken sowie beim Monitoring von Patienten*innen (Kühn, 2022).

Anwendungsbereiche von Künstlicher Intelligenz in der Pflege

Der Artikel „The role of artificial intelligence in healthcare“ von Silvana Secinaro et al. (2021) untersucht die Rolle von KI im Gesundheitswesen anhand einer strukturierten Literaturübersicht. In 288 Studien wurden die Anwendungsbereiche von KI im Gesundheitswesen weltweit erfasst. Es konnte festgestellt werden, dass sich der Einsatz von KI in vier Kernbereiche unterteilen lässt. Erstens wird darauf verwiesen, dass KI im Gesundheitsmanagement zur Unterstützung eines effizienten Informationsmanagements zum Einsatz kommt. Zweitens kann KI in der prädiktiven Medizin zur Vorhersage von Krankheitsausbrüche n und zur Entwicklung neuer Medikamente eingesetzt werden. Das dritte Anwendungsgebiet stellt die klinische Entscheidungsfindung dar. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass KI die Diagnosestellung durch die Analyse großer Datenmengen unterstützt. Viertens können KI-Lösungen bei der Verwaltung von Patient*innendaten unterstützend eingesetzt werden.

Seit einiger Zeit ermöglichen frei zugängliche KI-Plattformen, wie „Chat-GPT” den Einsatz von KI in der Lehre. Im Rahmen der Pflegepädagogik kann „Chat-GPT” zur Erstellung von Fallbeispielen oder spezifischen Fallsituationen genutzt werden. Die Qualität der Inhalte variiert dabei stark durch die eingegebenen Prompts (Suchstrings). Durch die Verwendung geeigneter Operatoren und die Bereitstellung eines eindeutigen Kontextes kann die Erstellung von Fallbeispielen für Lehrzwecke durch KI erheblich erleichtert werden (Wienand, 2023). „Chat-GPT“ kann zudem bei der Aufbereitung von Unterrichtsinhalten und der Wissensbereitstellung unterstützend sein. Essenziell ist die kritische Reflexion der KI generierten Inhalte und die Beachtung von potenziellem Missbrauchspotenzial und Plagiatsgefahr (Krüger et al., 2023).

In der nachfolgenden Abbildung 1 werden mögliche Anwendungsbereiche von KI in der Pflege abgebildet.

Abbildung 1 Anwendungsbereiche von KI

 

Chancen, Herausforderungen und Ausblick

Der Einsatz von KI hat das Potenzial Pflegepersonen zu entlasten und die Pflegequalität nachhaltig zu verbessern. Damit dies gelingen kann, müssen ethische und datenschutzrechtliche Grundlagen eingehalten und kritisch hinterfragt werden. Im Rahmen des Einsatzes von KI kann es zur sogenannten „Black-Box-Problematik“ kommen. Dabei kann die Funktionsweise der KI-Tools nicht nachvollziehbar eingesehen werden, was zur Intransparenz und unvorhersehbaren Ergebnissen führen kann. Eine weitere Herausforderung im Umgang mit KI im Gesundheitswesen sind Unklarheiten bezüglich Haftungs- und Verantwortungsfragestellungen (Beck et al., 2023).

In einem Review von Sergei Polevikov (2023) wurde festgestellt, dass aktuelle Studien oftmals Bias aufgrund von Sponsoring aufweisen. Zudem weisen einige untersuchte Studien zum Thema KI in der Pflege zu geringe Stichprobengrößen auf. Viele KI-Studien sind nicht reproduzierbar. Eine bessere Dokumentation und der offene Zugang zu Daten und Algorithmen sind notwendig, um die Reproduzierbarkeit zu gewährleisten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Einsatz von KI in der Pflege neben Potenzial zur Verbesserung, auch Risiken und Herausforderungen birgt. Um valide Ergebnisse festmachen zu können, müssen die tatsächlichen Entlastungen und Vorteile in Langzeitstudien evaluiert werden. Es besteht weiterer Forschungsbedarf. Abschließend ist die Frage offen, wie Pflegepersonen zukünftig der Anwendung von KI gegenüberstehen, da eine offene Haltung und Interesse für Innovationen entscheiden für den erfolgreichen Einsatz sind.

Diesen Artikel weiterempfehlen.

Literatur

Beck, S., Faber, M., & Gerndt, S. (2023). Rechtliche Aspekte des Einsatzes von KI und Robotik in Medizin und Pflege. Ethik in der Medizin, 35(2), 247-263. https://doi.org/10.1007/s00481-023-00763-9

Hiltawsky, K. (2024). KI für bessere Abläufe in Medizin und Pflege: Anwendungen und Potenziale in organisatorischen Prozessen. Plattform Lernende Systeme. https://www.plattform-lernende-systeme.de/files/Downloads/Publikationen/Whitepaper_KI_fuer_bessere_Ablaeufe_in_Medizin_Pflege_Plattform_Lernende_Systeme_2024.pdf

Krüger, L., Krotsetis, S., & Nydahl, P. (2023). ChatGPT: Fluch oder Segen in der Pflege? Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin, 118(7), 534-539. https://doi.org/10.1007/s00063-023-01038-3

Kühn, T. (2022). Reflexionen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Pflege aus der Perspektive Humanistischer Psychologie nach Erich Fromm. Pflege und Gesellschaft 28(1), 23-41. https://www.beltz.de/fachmedien/erziehungswissenschaft/zeitschriften/pflege_gesellschaft/artikel/50310-reflexionen-zum-einsatz-von-kuenstlicher-intelligenz-in-der-pflege-aus-der-perspektive-humanistischer-psychologie-nach-erich-fromm.html

Juraszovich, B., Rappold, E., & Gyimesi, M. (2023). Pflegepersonalprognose. Update bis 2050. Aktualisierung der Pflegepersonalbedarfsprognose 2030. Ergebnisbericht. Gesundheit Österreich GmbH. https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3378/1/Pflegepersonalbedarfsprognose%20Update%20bis%202050_bf.pdf

Polevikov, S. (2023). Advancing AI in healthcare: A comprehensive review of best practices. Clinica Chimica Acta, 548, 117519. https://doi.org/10.1016/j.cca.2023.117519

Secinaro, S., Calandra, D., Secinaro, A., Muthurangu, V., & Biancone, P. (2021). The role of artificial intelligence in healthcare: A structured literature review. BMC Medical Informatics and Decision Making, 21(125). https://doi.org/10.1186/s12911-021-01488-9

Wienand, S. (2023). KI im pädagogischen Kontext der Pflege: Ideen und Anregungen zur Nutzung von ChatGPT. PADUA, 18(5), 265–270. https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000767

Zur Person

Christina Klopf, BSc und Melanie Ternon, BSc

Advanced Practice Nurses

Christina.klopf@hb.at
Melanie.ternon@hb.at

unser infoservice

Wir informieren Sie sehr gern über zukünftige Neuerscheinungen und interessante Artikel. 

Weitere Artikel dieser Ausgabe

Bezahlte Information

pflegenetz.­newsletter

Mit unserem Newsletter informieren wir Sie
1x monatlich über Aktuelles, Neues und Wissenswertes aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich.

© pflegenetz 2024