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Elisabeth Potzmann
Community (Health) Nurse
– Versorgungslücken schließen

Die Community (Health) Nurse bietet bedarfsorientierte pflegerische Interventionen und medizinische Routineversorgung in Kombination mit Gesundheitsangeboten und sozialen Unterstützungsleistungen vor Ort. Das Entscheidende dabei ist, dass die betroffenen Pflegebedürftigen und chronisch Kranken sowie deren Angehörige rasch und unmittelbar Unterstützung in ihrer Alltagsbewältigung zuhause bekommen. Doch für die tatsächliche Implementierung der Community (Health) Nurse fehlen noch entscheidende Rahmenbedingungen für deren Realisierung sich der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband (ÖGKV) einsetzt.

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„A special field of nursing that combines the skills of nursing, public health und some phases of social assistance and functions a part of the total public health programme for the promotion of health, the improvement of the conditions in the social and physical environment, rehabilitation of illness and disability.“
(WHO, 2017, S. 5)

Die demografische Entwicklung in Österreich stellt die Bevölkerung vor neue Herausforderungen, speziell im Gesundheits- und Sozialbereich. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, bedarf es auch eines niederschwelligen Zuganges zu einer optimalen Gesundheitsversorgung. Dieser Zugang muss nachhaltig und aufbauend sein. Damit ist gemeint, dass die Einschätzung von gesundheitsgefährdenden Entwicklungen und das Setzen frühzeitiger gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen für eine gesunde und pflegerisch gut versorgte Community essenziell und wichtig sind. Schon seit Jahren steht die Attraktivierung der „Pflege zu Hause“ auf der politischen Agenda (Die neue Volkspartei/Grüne, 2019, S. 242), bisher wurden nur unzureichende Lösungen gefunden. Die pflegerische Versorgung und die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sollten ins Zentrum des Bewusstseins der politischen Akteur*innen gerückt werden. In vielen Ländern wie Australien, Finnland und Kanada werden Gesundheits- und Krankenpflegepersonen erfolgreich im Bereich der gemeindenahen Versorgung eingesetzt und haben sich auch in der Grundversorgung bewährt (DBfK, 2018, S. 11). Leider sind diese Gesundheits- und Pflegepersonen in Österreich weder in der Ausbildung noch in der Praxis verankert. Gerade in Zeiten der Pandemie hat sich gezeigt, dass Personen mit breitem Fachwissen eine wertvolle Unterstützung für an Covid-19 Erkrankte sowie in Quarantäne befindliche Personen wären. Die Implementierung des Community (Health) Nursing ist eine Ergänzung zur Primärversorgung und zum Hausärzt*innensystem.
Eine Community (Health) Nurse ist als fortgeschrittene Generalist*in in der Gesundheits- und Krankenpflege und als Spezialist*in für familien- und gemeindenahe Pflege zu betrachten. Ihre Kerntätigkeiten liegen in der Begutachtung, Beratung, Unterstützung und Vernetzung. Durch die Hauptrolle als professionelle und interprofessionelle Vernetzter*innen zwischen den verschiedenen Gesundheitsdienstleister*innen, Politik, Bevölkerung und Pflege wirkt er*sie als neutrale Multiplikator*in, soll Lücken im Versorgungssystem erkennen und schließen und nicht in Konkurrenz zu bereits etablierten Systemen stehen. Die Implementierung einer Community (Health) Nurse ist als Entwicklungsprozess zu sehen (Haubitzer, Horak & Riedler, 2020, S. 37 – 40).
Zusätzlich zu den Kompetenzen laut GuKG (RIS, 2016) erfordert die Tätigkeit der Community Nurse eine einschlägige Berufserfahrung im Umfang von zumindest zwei Jahren im Vollzeitäquivalent, sowie die Kenntnis der Gesundheitsstrukturen in der jeweiligen Gemeinde/der Kommune/dem Sprengel. Diese Vorerfahrung ist mit Bezug auf Benner (2017) für eine derart eigenständige Tätigkeit von Bedeutung. Eine standardisierte Grundausbildung für die Community Nurse gibt es bis dato in Österreich nicht, obwohl die Implementierung dieser bereits, ebenso wie jene der School Nurse, in Regierungsprogrammen angedacht war (Die neue Volkspartei/Grüne, 2019, S. 266). Der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband fordert diese, um eine gesicherte und belegte Kompetenzerweiterung zu gewährleisten und um das Berufsbild zu professionalisieren und nachhaltig in der Praxis zu verankern.
Die Tätigkeit als Community Health Nurse stellt in Ergänzung dazu eine Kompetenzerweiterung dar, die zumindest eine Zusatzqualifikation in Form einer Weiterbildung nach §64 GuKG erfordert. Inhaltlich soll dadurch eine Kompetenzerweiterung im Bereich der rechtlichen Grundlagen, der Statistik, praxisrelevanter Modelle und Konzepte der Prävention und Gesundheitsförderung sowie der familienspezifischen Edukation und Beratung erreicht werden. Um der Anforderung zur detaillierten Überwachung und Beobachtung gerecht zu werden, muss es zusätzlich zu einer Aneignung von Kompetenzen im Bereich des Clinical Assessments kommen. Ebenso sind Kompetenzvertiefungen im Wundmanagement, der Pharmakologie und der Medizinprodukte sowie im wissenschaftlichen Arbeiten wünschenswert. Durch diese Kompetenzerweiterungen und -vertiefungen durch Fort- und Weiterbildungen wird aus einer Community Nurse schrittweise eine Community Health Nurse. Der Einsatz einer Community (Health) Nurse als Pflegeperson in Gemeinden bietet durch die Nutzung fachpflegerischer Kompetenz eine wichtige Option für tatsächliche Reformen am Sektor der Versorgung chronisch Kranker und pflegebedürftiger Menschen zuhause. Dort, wo „Pflege-Nahversorgung“ drauf steht, muss auch professionelle Pflege drin sein. Der Mehrwert der direkten Unterstützung bildet sich in der gesamten Gemeinde/der Kommune/dem Sprengel durch bedarfsgerechte, geleitete pflegerische Grundversorgung und zielgruppenspezifische Programme zur Gesundheitsförderung ab. Grundlegend für ein vollständiges Ankommen der Community Nurse in der Praxis, ist auch die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dazu gehört die langjährige Forderung des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands für einen Leistungskatalog, inkl. Änderung des ASVG. Diese Thematik ist auch im Angesicht der COVID-19-Pandemie von besonderer Brisanz. Es sind die Pflegepersonen, die sich permanent zwischen den Patient*innen und dem*der behandelnden Arzt*Ärztin bewegen und für die Community (Health) Nurse würde dies im besonderen Ausmaß gelten. Um der Community (Health) Nurse, aber auch allen anderen freiberuflich tätigen Pflegepersonen, selbstständiges Arbeiten zu ermöglichen, ist es notwendig, eine direkte Verrechnung von Leistungen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege mit den Krankenversicherungen einzuführen. Mit einem klaren Versorgungsauftrag und einem dementsprechenden standardisierten Leistungskatalog könnten im Rahmen der Primärversorgung insbesondere die freiberuflich tätigen diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, wie auch die Community (Health) Nurse, ihre Leistungen transparent mit den Krankenversicherungen abrechnen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das pflegerische Versorgungsangebot in verschiedenen Kommunen individuell entwickelt, jedoch nicht immer zugunsten der Bevölkerung. Ein komplexes Konstrukt an kaum vernetzten Versorgungsangeboten ist entstanden. Die Einführung von übergeordneten Beratungsstellen, die sich darauf konzentrieren, die Angebote sichtbar zu machen und an die Bevölkerung (im Falle insuffizienter pflegerischer Versorgung) weiterzuleiten, löst das Grundproblem meist nicht. Zu welchem Zeitpunkt jemand professionelle pflegerische und medizinische Leistungen in Anspruch nehmen möchte, ist individuell abhängig von persönlichen und familiären Ressourcen. Im Bereich der Primärprävention (gesundheitliche Aufklärung, Screening der Bevölkerung) könnte derzeit die Aufgabe darin liegen, Menschen über die bevorstehende Impfung gegen COVID-19, mögliche Nebenwirkungen und Impfreaktionen aufzuklären, um so die Akzeptanz der Impfung in der Bevölkerung wesentlich zu erhöhen. Die Sekundärprävention umfasst in einer Pandemie-Situation die Früherkennung von Erkrankungen in Risikogruppen (Cluster). In der Tertiärprävention kann eine Community (Health) Nurse bei der Reduktion von Verschlechterungen oder des Wiederauftretens bereits bestehender Erkrankungen mitwirken.
Knapp eine Million Menschen leisten in Österreich informelle Pflege (Nagl-Cupal et al., 2018. S. 11). Gerade diese betreuenden Angehörigen benötigen Beratung und Unterstützung durch professionell Pflegende. Hier ist die Community (Health) Nurse ein Bindeglied zwischen den etablierten Versorgungssystemen und nimmt eine anleitende Funktion ein, öffnet Türen zum Versorgungssystem und findet mit den Angehörigen gemeinsam Ressourcen und Strategien zur Bewältigung einer pflegespezifischen Situation. Die Rolle einer Community (Health) Nurse kann divers sein und hängt unter anderem mit geografischen Gegebenheiten, der Altersstruktur und dem Gesundheitszustand der jeweiligen Bevölkerung zusammen. Im besten Fall wird durch aufsuchendes Vorgehen, etwa in Form präventiver Hausbesuche oder durch das Kooperieren mit Koordinationsstellen (Bezirksstellen, Pflegedrehscheiben, Gemeinden oder Versicherungen) ein schneller Zugang zur Bevölkerung hergestellt. Durch Begutachtungen der Leistungsnehmer*innen (Patient*innen/Klient*innen) können Einschätzungen der individuellen Bedürfnisse im Zuge von Assessments erfolgen. Diese Assessments erheben die Bedürfnisse einer Person umfassend (körperliche, psychische und soziale Bedürfnisse). Daraus lassen sich für Beratungs- und Unterstützungsleistung essenzielle Maßnahmen ableiten.
Das Assessment beinhaltet nicht nur klinische, pflegerische und körperliche Untersuchungen, sondern es erhebt auch die Stabilität des sozialen Umfeldes, ob Pflegegeld bezogen wird oder ein Antrag einzuleiten ist, ob die Qualität der pflegerischen Versorgung gegeben ist, oder ob es Maßnahmen seitens der professionellen Pflege bedarf. Die Beratung und die Unterstützung seitens der Community (Health) Nurse fallen bedarfsorientiert aus. Wenn Beeinträchtigungen und Risikofaktoren im Gesundheitszustand erkennbar sind, wird durch interprofessionelle Vernetzung unterstützend und beratend auf die entsprechenden Angebote von anderen Dienstleister*innen in der entsprechenden Kommune verwiesen (z.B. Hausarzt*Hausärztin, Hauskrankenpflege, Psychotherapie, Sozialarbeit, Nachbarschaftshilfe, etc.). Weitere Unterstützungsleistungen einer Community (Health) Nurse können, wie zuvor genannt, Primärpräventionsmaßnahmen für die Betroffenen und ihre Familie sein. Sollten im Rahmen der Begutachtung schwere Versorgungsmängel sichtbar werden, hat die Community (Health) Nurse auch entsprechende Kompetenzen, um Maßnahmen ableiten und Erstmaßnahmen durchführen zu können (z.B. beim Fehlen von Pflegehilfsmitteln, insuffizienter Wundversorgung, etc.). Im Bedarfsfall kann eine Zuweisung an andere Dienstleister*innen erfolgen.
Die genannten Kerntätigkeiten erfolgen bestenfalls vor Ort im familiären und häuslichen Setting, können aber auch in Schulen, am Standort der Community (Health) Nurse (z.B. in einer eigenen Pflegepraxis) oder in Form digitaler Kommunikationstools (Pflegevisiten) virtuell durchgeführt werden. Die Versorgungsqualität in einer Region kann auf Basis gesundheitsbezogener Daten aus unterschiedlichsten Quellen bewertet werden. Daraus können gezielt regionale Maßnahmen für die Entwicklung von Präventionsprogrammen zur Gesundheitsförderung und deren Implementierung in den unterschiedlichen Kommunen abgeleitet werden. Dieses Aufgabenfeld liegt im erweiterten Kompetenzbereich der Community Health Nurse, deren Kompetenzerweiterung an eine Weiterbildung bzw. an ein vertiefendes Studium sowie an entsprechende Berufserfahrung gekoppelt ist und somit eine Weiterentwicklung der Community Nurse darstellt.
Ein wesentlicher Faktor ist, dass die Leistungen der Community (Health) Nurse direkt der Bevölkerung zugutekommen. Eine Community (Health) Nurse agiert objektiv und wettbewerbsfrei und sollte im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit oder in einem Angestelltenverhältnis im Auftrag einer Gemeinde/einer Kommune/eines Gesundheitssprengels tätig sein. Die Community (Health) Nurse agiert in ihrem Wirkungsbereich weiters als Ansprechperson für Gemeindepolitik, Primärversorger*innen, Hausärzt*innen und anderen Dienstleister*innen im Gesundheitssektor. Dadurch sollen für die Pflege und Betreuung wesentliche Informationen die Gesundheit einer Gemeinde/einer Kommune/eines Sprengels betreffend bei einer Person zusammenlaufen, was zu kürzeren und effizienteren Kommunikationswegen führt.

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Literatur

Benner, P.: Stufen zur Pflegekompetenz From Novice to Expert. 3. Unveränderte Auflage, Hogrefe Verlag, Bern 2017

DBfK/Agnes-Karll-Gesellschaft für Gesundheitsbildung und Pflegeforschung GmbH (Hg.): Community Health Nursing in Deutschland Konzeptionelle Ansatzpunkte für Berufsbild und Curriculum, 2020.

Die neue Volkspartei/Grüne (Hg.): Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsübereinkommen 2020–2024, Wien 2019.

Haubitzer S.; Horak M.; Riedler K. in Rümmele M, Sprenger M (Hrsg.): Wir denken Gesundheit neu! Corona als Chance für eine Zeitenwende im Gesundheitswesen, Ampuls Verlag, 2020.

Nagl-Cupal, M.; Kolland, F.; Zartler, U.; Mayer, H.; Bittner, M.; Koller, M.; Parisot, V.; Stöhr, D.; Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Hg.): Angehörigenpflege in Österreich. Einsicht in die Situation pflegender Angehöriger und in die Entwicklung informeller Pflegenetzwerke. Universität Wien, 2018.
Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes: Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. 2016. Online: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/i/1997/108/P15/NOR40185025 [23.03.2021]

World Health Organization: Enhancing the role of community health nursing for universal health coverage. World Health Organization, 2017.

Zur Person

Mag. Elisabeth Potzmann
ist seit Juli 2020 Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV). Die gebürtige Burgenländerin erwarb ihr Diplom am Kaiserin Elisabeth Spital der Stadt Wien und war im pflegerischen Akutbereich des Wiener Gesundheitsverbunds tätig. Nach ihrem berufsbegleitenden Studien der Pflegepädagogik, des Managements und der Pflegewissenschaft nahm sie 2009, zusätzlich zu ihrer Lehrtätigkeit an der Gesundheits- und Krankenpflegeschule SMZ-Süd, ihre Lehrtätigkeit an der FH Campus Wien auf und war zuletzt stellvertretende Schuldirektorin und Standort-Studiengangsleiterin.

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