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MANUELA HÖDL
Die COVID-19-Krise als Chance für die Pflegepraxis und -wissenschaft: eine Reflexion

Die COVID-19 Pandemie hat im März 2020 Österreich erreicht und ist seitdem fester Bestandteil der Pflegepraxis und -wissenschaft. Als Chancen für die Zukunft haben sich für mich der offene Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft, die Inspiration durch Pflegepersonen, sowie die Nutzung von Pressemitteilungen ergeben. Die-se Aspekte sollen zukünftig verstärkt eingesetzt werden, um als Pflegewissenschaft auch Sprachrohr für die Pflegepraxis sein zu können.

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Einleitung

Pflegepersonen stehen durch die aktuelle COVID-19-Pandemie bei der pflegerischen Versorgung und Betreuung vor großen zusätzlichen Herausforderungen (Petzold et al., 2020). Andererseits wurden durch und in diese/r Pandemie auch die Leistungen der Pflegepersonen wahrgenommen und sichtbar, beispielsweise durch das tägliche Klatschen von Balkonen.
Bezogen auf die Sichtbarkeit der Pflege, zielt dieser Artikel darauf ab, einen Einblick in die mediale Berichterstattung hinsichtlich Pflegepraxis und -wissenschaft während der COVID-19-Pandemie in Österreich zu geben. Dieser Artikel stellt nur einen Auszug dar, da beispielsweise Pressekonferenzen im Fernsehen, Berichte aus Tageszeitungen etc. hier nicht inkludiert sind.

Pflegepraxis und Medien

Im Zeitraum von 01.02.2020 bis 22.12.2020 wurden von der Öster-reichischen Presseagentur (Austria Presse Agentur, 2020) 2.578 Meldungen herausgegeben, die das Wort „Pflege“ enthielten. Circa 3% aller Pressemittelungen beinhalteten das Wort Pflege im Titel, wie Pflegeheim, Pflegereform etc. oder fokussierten auf die Pflege. Letztendlich wurden 162 Meldungen genauer betrachtet. Insgesamt 127 Pressemeldungen nahmen zur gesamt-österreichi-schen COVID-19-Situation Stellung, wohingegen sich 15 Presse-mitteilungen auf die Situation in Niederösterreich und je 7 auf die Situation in Kärnten und Wien bezogen. Der Großteil der Pressemitteilungen wurde von Bundesministerien ausgesendet, gefolgt von einer politischen Partei (Abbildung 1).

Abbildung 2. Prozentueller Anteil an Organisationen die für den Inhalt und auch für Rückfragen bezüglich der Pressemeldungen zuständigen sind.

Pflegewissenschaft & Medien

Drei der 162 Pressemitteilungen beinhalteten die Begriffe „Forschung“ oder „Wissenschaft“, wobei keine spezifisch auf Pflege-wissenschaft und/oder -forschung fokussierte. Beispielsweise ging es in einer dieser drei Pressemitteilungen darum, pflegerische, medizinische und ökonomische Gesichtspunkte zu Zeiten der COVID-19-Pandemie zu diskutieren. Alle Diskutanten waren Männer und niemand war in der Pflegepraxis und/oder -wissenschaft tätig. Eine weitere der drei Pressemitteilungen behandelte eine Diskussionssendung des Parlaments zum Thema „Pandemiebekämpfung und Pflegereform – ein Widerspruch?“. Zwei der drei geladenen Expert*innen waren Männer und Mediziner.

Persönliche Reflexion:
Pflegepraxis & Pflegewissenschaft

Vor mehr als sieben Monaten, Anfang Mai 2020, gab es die Idee, eine Online-Umfrage zur pflegerischen Situation in Österreich zu machen. Ausgelöst wurde diese Idee durch zahlreiche mediale Berichte über die Überlastung der Pflegepersonen und auch durch persönliche Gespräche (telefonisch/online) mit Betroffenen. Basierend auf den Daten wurden drei Artikel veröffentlicht (Ho-edl, Bauer, et al., 2020; Hoedl, Eglseer, et al., 2020a, 2020b). Zusätzlich erschien ein Bericht am 28./29. September in der Kleinen Zeitung (Rossacher, 2020) und ein Interview am AirCampus wurde veröffentlicht (Hoedl, 2020). Ich möchte Ihnen nun zwei Aspekte nennen, die ich persönlich in dieser Zeit als ausschlaggebend empfunden habe, um Projekte erfolgreich entwickeln und durchführen zu können.

Abbildung 1. Prozentueller Anteil an Organisationen die für den Inhalt und auch für Rückfragen bezüglich der Pressemeldungen zuständig sind.

Inspiration

Der erste entscheidende Punkt war, dass ich von den Pflegepersonen aus der Praxis „inspiriert“ wurde. Ich benutze bewusst das Wort „inspirieren“, da es diesmal nicht darum ging, ein häufiges Pflegeproblem (z.B.: Dekubitus, Mangelernährung, Schmerz) mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Pflegepersonen oder andere Zielgruppen zu suchen und zu untersuchen. Es ging viel-mehr darum, ein Stimmungsbild einzufangen und den Pflegepersonen aus der Praxis ein Sprachrohr zu sein.

Medienpräsenz

Das erste Mal in meiner persönlichen wissenschaftlichen Karriere hatte ich das Gefühl, dass die Ergebnisse dieser Studien nicht nur für wissenschaftliche Publikationen, sondern auch medial genutzt werden mussten. In den COVID-19-Projekten habe ich mich von den Gesprächen mit den Pflegepersonen inspirieren und leiten lassen und damit eine stark subjektive Komponente zwischen mir, den Pflegepersonen und den Projekten aufgebaut. Diese subjektive Komponente hat mir den notwendigen Halt und Mut gegeben, erstmals mit meinen/unseren Ergebnissen an die Medien heranzutreten.

Chance: Pflegewissenschaft als Sprachrohr für die Pflegepraxis

Von all diesen Projekten in den vergangenen Monaten, die aus-schließlich aufgrund der COVID-19-Pandemie entstanden sind, habe ich als Pflegewissenschafterin auch Chancen und Potenziale entdeckt.
Die erste Chance steckt darin, dass sich Pflegepraktiker*innen offen an mich und meine Kolleginnen gewendet haben. Dieser Austausch ist Grundlage für eine Handlungs- und damit auch pra-xisorientierte Wissenschaft, wie die Pflegewissenschaft. Dieser offene und ehrliche Austausch kann und soll auch zukünftig die Basis gemeinsamer Projekte sein.
Die zweite Chance ist, sich inspirieren zu lassen. Solch eine In-spiration eröffnet andere Sichtweisen und Horizonte und gibt das Gefühl, ein wichtiger Aspekt in der pflegerischen Versorgung zu sein.
Eine weitere Chance ist die Nutzung von Pressemeldungen. Ich denke, dass sowohl die Pflegepraxis als auch die Pflegewissen-schaft hier enormen Aufholbedarf hat. Dabei sollten diese Presse-meldungen sowohl der Pflegepraxis als auch der -wissenschaft die Möglichkeit bieten, die eigenen Herausforderungen aber auch Lösungsansätze zu kommunizieren. Für die Pflegewissenschaft sehe ich den Umgang mit Medien zukünftig als wichtigen Inhalt eines Studiums.
Aber die größte Chance sehe ich darin, und ich hoffe, dass mir und meinen Kolleg*innen dies auch weiterhin möglich sein wird, dass wir mit unseren Projekten Sprachrohr für die Pflegepraxis sein können. Erzählen Sie uns von Ihren Herausforderungen und Lösungsansätzen, wir werden versuchen das Thema aufzugrei-fen, wissenschaftlich zu untersuchen und die Ergebnisse medial aufzubereiten.

Mein Dank geht an alle Pflegepersonen, die sich trotz der COVID-19 Pandemie die Zeit für unsere Online-Umfragen/Interviews Zeit genommen haben; sowie an Fr. Thonhofer BScN, die mich bei der Recherche für diesen Artikel unterstützt hat.

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Literatur

Austria Presse Agentur. (2020). Austria Presse Agentur. https://apa.at/. Zugriff: 23.12.2020.

Hoedl, M. (2020). Mehr als Applaus [Interview]. AirCampus. https://www. aircampus-graz.at/podcasts/pflege/. Zugriff: 23.12.2020.

Hoedl, M. Bauer, S., Eglseer, D. (2020). Influence of nursing staff working hours on the stress level during the COVID-19 pandemic: a cross-sectional online survey. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.08.12.201 73385v1. Zugriff: 23.12.2020.

Hoedl, M. Eglseer, D., Bauer, S. (2020a). COVID-19 among nursing staff: Settings and regional differences. https://www.medrxiv.org/content/10 .1101/2020.08.14.20174797v1. Zugriff: 23.12.2020.

Hoedl, M. Eglseer, D., Bauer, S. (2020b). Associations between personal protective equipment and nursing staff stress during the COVID-19 pan-demic. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.08.06.2016412 9v1. Zugriff: 23.12.2020.

Petzold, M. B., Plag, J., & Stroehle, A. (2020). Dealing with psychologi-cal distress by healthcare professionals during the COVID-19 pandemia. Nervenarzt, 91(5), 417-421. https://doi.org/10.1007/s00115-020-00905-0 .

Rossacher, T. (2020). So belastend ist Corona für die Pfleger. Bericht in der Kleine Zeitung 28/29.09.2020. https://www.kleinezeitung.at/steier-mark/5873763/Grosse-CoronaUmfrage_Das-macht-dem-PflegePersonal-zu-schaffen. Zugriff: 23.12.2020.

Zur Person

Dr. Manuela Hödl MSc, BSc

Universitätsassistentin, Institut für Pflegewissenschaft, Medizinische Universität Graz. Schwerpunkte: Langzeitpflegeinrichtungen, Kontinenzversorgung, chronische Wunden.

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