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Anita Sackl, Kristina Uhrmacher, Ellen Schörner
pflege.gv.at - alles zum Thema Pflege und Betreuung
Herausforderungen und Chancen digitaler Informationen

In unserem Alltag nehmen digitale Informations‐ und Beratungstechnologien einen immer größeren Raum ein. Zunehmend mehr Menschen suchen Informationen auf digitalen Plattformen, und die digitale Welt quillt über vor Informationen. Aber wo finden Österreicher*innen aktuelle, verständliche und qualitätsgeprüfte Informationen? Wie sind diese abrufbar? Digitalisierung ist nicht mit breitem Informationszugang oder hoher Reichweite gleichzusetzen. Digitalisierung kann Hürde und Chance zugleich sein.

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Herausforderung Informationsbarrieren

Wer auf Pflege oder Betreuung angewiesen ist, hat schon genug Hürden zu bewältigen. Dabei sind Informationsbarrieren oft leicht zu beseitigen. Dennoch sind Informationen vieler Websites nicht nur technisch schwer zugänglich. Auch die Sprache stellt eine Barriere dar – zumindest für viele Menschen, die es von vornherein nicht ganz so einfach haben.

Sei es das Alter, eine Behinderung oder krankheitsbedingte Beeinträchtigung: Barrierefreie Informationen beschleunigen für viele Menschen nicht nur die Informationssuche, sie helfen ihnen oft dabei, bestimmte Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Schließlich kann Sprache eine unüberwindbare Barriere sein, wenn sie nicht verstanden, gelesen, gehört oder auf andere Weise erfasst werden kann. Was also für Rollstuhlfahrer*innen eine sie aufhaltende Stufe ist, ist zum Beispiel für Menschen mit einer Sinnesbeeinträchtigung die Sprache. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, Informationen verschiedenartig zur Verfügung zu stellen, um Informationsbarrieren abzubauen. Das soll dabei helfen, dass sich möglichst viele Österreicher*innen zumindest digital besser orientieren können.

Herausforderung Navigationskompetenz

Das Internet wird von rund drei Viertel der erwachsenen Österreicher*innen genutzt, um sich über Gesundheitsthemen zu informieren. Obwohl es das am häufigsten genutzte Medium ist, zeigten die Ergebnisse der österreichischen Gesundheitskompetenz‐Befragung (HLS19‐AT) im Jahr 2020 auf, dass im Durchschnitt etwa ein Drittel der österreichischen Bevölkerung Schwierigkeiten bei der Orientierung im Gesundheitssystem und im Umgang mit dort vorhandenen Informationen hat. Insbesondere Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen, solche in einer finanziell schwierigen Situation und Personen mit chronischen Erkrankungen weisen häufiger eine geringe Navigationskompetenz im Gesundheitssystem auf. Eine Maßnahme, um diese Situation zu verbessern, ist die Etablierung von Navigationshilfen wie Informationsplattformen (Griebler, 2021; Griebler et al. 2022). Auch die Europäische Kommission empfiehlt eine Verbesserung des Zugangs zu Dienstleistungen der Langzeitpflege mittels digitaler Technologien. Diese sollen die Informationen für Nutzer*innen sowie betreuende und pflegende Angehörige verbessern, Angebote aufzeigen und verständlich vermitteln (EU‐Kommission, 2022). Die Kompetenz, sich digital zurechtzufinden, hängt maßgeblich mit der nächsten Herausforderung für die Digitalisierung zusammen – der Lesekompetenz der Österreicher*innen.

Herausforderung Lesekompetenz

Jede zweite erwachsene Person in Österreich hat Probleme, Informationen in E‐Mails, Broschüren oder auf Websites zu verstehen. Rund eine Million Menschen haben eine sehr niedrige Lesekompetenz und erfahren dadurch Benachteiligungen in Alltag und Beruf (Abbildung 4). Das sind die Ergebnisse einer OECD‐Studie, die zwischen 2011 und 2012 durchgeführt wurde, um die Schlüsselkompetenzen der erwachsenen Österreicher*innen zwischen 16 und 65 Jahren zu messen. Um die Lesekompetenz zu ermitteln, wurden sechs Kompetenzstufen definiert (Statistik Austria, 2013). Diese Stufen lassen sich in etwa auf die Kompetenzniveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) umlegen.

Der GER beinhaltet sechs Kompetenzniveaus, die sich auf unterschiedlichen Ebenen anwenden lassen. Um die in der OECD‐Studie ermittelte Lesekompetenz der Österreicher*innen einzuordnen, bezieht sich die folgende grobe Differenzierung auf die Ebene des Lese‐ bzw. Hörverstehens: A1 und A2: vereinfachte Standardsprache; B1: einfache Standardsprache; B2–C1: komplexe Standardsprache; C2:uneingeschränktes Sprachverständnis inkl. vieler Fachsprachen

Die Lesekompetenz der Österreicher*innen ist damit im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Grundsätzlich variiert die Lesekompetenz der Österreicher*innen je nach sozioökonomischer Situation oder Bildungsstand. Auch die gesundheitliche Situation oder das Alter kann einen wesentlichen Einfluss darauf haben, wie lesekompetent jemand ist. Umgekehrt hat eine geringe Lesekompetenz enorme Auswirkungen auf die soziale Lage und Gesundheit, denn: je schneller wichtige und richtige Informationen gefunden und verstanden werden, desto schneller können Rechte und Sozialleistungen wahrgenommen oder Pflichten nachgekommen werden.

pflege.gv.atein Wegweiser

Die Infoplattform pflege.gv.at ist eine wichtige Orientierungshilfe und Informationsquelle für Pflege und Betreuung. Sie gibt einen Überblick über Pflege und Betreuung in Österreich, bildet Informationen zu Neuerungen durch die Pflegereform ab und bietet spezifische Informationen zu relevanten Aspekten im Alltag verschiedener Personengruppen. Neben österreichweit gültigen Informationen verweisen Links zu Unterstützungen in den einzelnen Bundesländern. Der Fokus liegt darauf, den drei angesprochenen Herausforderungen 1. Informationsbarriere Sprache, 2. mangelhafte Navigationskompetenz sowie 3. Lesekompetenz der Österreicher*innen gerecht zu werden. Informationen werden deshalb verschiedenartig angeboten. Fachbegriffe werden in einem Lexikon erklärt. Zusätzlich stehen Broschüren in leicht verständlicher Sprache zur Verfügung. Die gleichen Inhalte können auch als Gebärdensprachvideos abgerufen werden. So bieten beispielsweise die Themenblöcke „Leben mit Demenz“ oder „Leben am Lebensende“ in leicht verständlicher Sprache und als Gebärdensprachvideos ein niederschwelliges Informationsangebot.

Abbildung 1: pflege.gv.at informiert

Informationsbarrieren abbauen: konzeptionelle Überlegungen

Die Informationen von pflege.gv.at richten sich in erster Linie an Betroffene und pflegende sowie betreuende Zu‐ und Angehörige bzw. an alle, welche sich mit dem Bereich Pflege und Betreuung konfrontiert sehen.

Damit auch alle, die pflege‐ und betreuungsbezogene Informationen benötigen, die Website nutzen können, muss diese auch den Anforderungen jener Menschen mit sensorischen und motorischen Einschränkungen, Beeinträchtigungen der Sinnesfunktionen, Lernschwierigkeiten oder geringer Lesekompetenz entsprechen. Für eine zielgruppengerechte Gestaltung gilt es visuelle, auditive, taktile und kognitive Herausforderungen mitzubedenken. Nur so können Informationsbarrieren für möglichst viele Menschen abgebaut werden.

Abbildung 2 fasst Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Internetnutzung zusammen, die wiederum die gestalterischen Möglichkeiten begrenzen – auch in sprachlicher Hinsicht: Komplexe Inhalte müssen in einfacher Sprache aufbereitet sein.

Abbildung 2: Einschränkungen und deren Auswirkungen auf die Internetnutzung (Darvishy & Seifert, 2013)

Menschen mit Sehbehinderung benötigen ein konsequentes und reduziertes Farbspektrum. Zusätzlich ist es notwendig, die richtigen Akzente zu setzen. So sollten Elemente wie Buttons oder Links besonders hervorgehoben und auffälliger gestaltet werden als andere Elemente, z. B. durch kräftige Farbtöne oder prägnante Formen. Kleine, selbsterklärende Grafikelemente wie Icons navigieren Nutzer*innen zu den gewünschten Inhalten und werten das Design auf.

Hinsichtlich der Konzeption einer Website bringen die dargestellten Faktoren also gleich mehrere Herausforderungen mit sich. Schließlich ist das Ziel, die Inhalte barrierefrei darzustellen – ein Balanceakt zwischen wahrnehmbaren, bedienbaren, verständlichen und robusten Webinhalten und einer optisch ansprechenden Oberfläche.

Das Farbkonzept

Insbesondere für Menschen mit Sehbeeinträchtigung stellt das Farbkonzept eine essenzielle Komponente dar. Da Komplementärfarben zu vermeiden sind, wurden für das Farbspektrum der Website pflege.gv.at Herbstfarben gewählt. Abbildung 3 visualisiert die Farbwahrnehmung der gewählten Herbstfarben in Bezug auf die einzelnen Sehschwächen.

Abbildung 3: Farbkonzept auf pflege.gv.at

Die Sprache

Sprache verbindet, schließt aber auch aus. Grundsätzlich kann man zwischen einfacher (A1–B1) und komplexer Sprache (B2–C2) unterscheiden. Abbildung 4 visualisiert die einfache Sprache und dessen Lese-bzw. Sprachfähigkeit bis zur Kompetenzstufe 2. Die Kompetenzstufen 3 bis 5 entsprechen der komplexen Sprache (B2-C2). Mehr als die Hälfte der Österreicher*innen (54,3 Prozent) versteht maximal B1‐Niveau, während für die Kommunikation mit den Behörden zumindest Stufe 3 (B2) erforderlich ist. Der Großteil der Behördeninformationen auf Websites ist ebenso komplex formuliert (B2), sodass jede zweite Person sie nicht versteht.

Alltagssprachliche Informationen erleichtern allen das Leben, für viele sind sie allerdings essenziell, um Sozialleistungen überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Aus diesem Grund orientiert sich die Sprache der gesamten Website am Kompetenzniveau B1. Auf diesem Sprachniveau können die Inhalte ohne Informationsverlust vermittelt werden. Da Fachbegriffe (z. B. Patientenverfügung) einen Text komplexer machen und dazu führen, dass er nicht verstanden wird, werden sie zusätzlich in einem Lexikon erklärt.

Für Deutschlernende oder all jene, die aufgrund einer Lernschwierigkeit Inhalte auf B1 nicht erfassen können, bietet pflege.gv.at Texte in leicht verständlicher Sprache an. Die sogenannten Leicht‐Lesen‐Texte wurden nach den capito‐Kriterien für leicht verständliche Sprache erstellt und anschließend von einer Prüfgruppe, welche auf dem Kompetenzniveau A2 kommuniziert, auf deren Verständlichkeit geprüft und zertifiziert. Die rund 90 Kriterien beziehen sich zum Beispiel auf Anrede, Schriftgröße oder Sprachstil und werden je nach Sprachstufe (A1–B1) unterschiedlich definiert.

Abbildung 4:
Sprachniveau in Österreich (atempo/capito Graz, 2021)

Über die Menüleiste und „LL Leicht‐Lesen“ können die Inhalte der Leicht‐Lesen‐Texte abgerufen werden bzw. sind ebenso als Gebärdensprachvideos nach der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS), dargestellt und unter „Gebärdensprache“ ersichtlich. Diese Inhalte werden stetig erweitert, damit essenzielle Informationen für eine breite Bevölkerungsgruppe zugänglich sind.

pflege.gv.at – Chancen der Digitalisierung nutzen

Für das Projekt pflege.gv.at wurden die Herausforderungen und Anforderungen der Zielgruppen betreffend digitale Inhalte als Chance gesehen, um Informationsbarrieren hinsichtlich Pflege und Betreuung abzubauen. Das Ziel von pflege.gv.at ist es, qualitätsgesicherte Inhalte barrierefrei zugänglich zu machen. Dafür werden die in partizipativen Prozessen erarbeiteten Inhalte sowohl von einem Beirat verschiedener Interessenvertretungen als auch durch Expert*innen der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) auf ihre inhaltliche Korrektheit sowie Verständlichkeit und Zugänglichkeit für bestimmte Zielgruppen (Leicht Lesen, Gebärdensprache) geprüft. Zusätzlich durchlaufen die Inhalte eine weitere Qualitätssicherung durch die jeweils thematisch zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK).

Für die Infoplattform wird angestrebt, verständliche Inhalte unterschiedlich aufbereitet anzubieten und damit möglichst viele Menschen zu erreichen. Damit das gelingt, sollten die genannten Herausforderungen im Blick behalten werden. Schließlich ist unsere Gesellschaft heterogen charakterisiert und jede*r hat unterschiedliche Anforderungen an die Beschaffenheit von Informationen. Umso wichtiger ist es, die digitale Welt ebenso vielseitig zu gestalten und Informationsbarrieren für alle Nutzer*innen abzubauen.

Mehrwert von pflege.gv.at:

  • öffentliche, übergreifende, österreichweite Plattform
  • Einbindung der im Fokus stehenden Anwender*innen in die Entwicklung
  • leicht verständliche Sprache
  • übersichtliche Darstellung
  • informativ
  • beratend
  • barrierefrei
  • Teile der Inhalte in „Leicht Lesen“ verfügbar
  • Teile der Inhalte in Gebärdensprache verfügbar
  • aktuell
  • qualitätsgesicherte Texte (erste Qualitätssicherungsstufe durch GÖG‐Expert*innen, zweite Qualitätssicherungsstufe durch das BMSGPK)

Mit pflege.gv.at soll eine Navigationshilfe entwickelt werden, die alle Wege des Pflegesystems abbildet, indem sie Antworten auf einzelne Fragestellungen sowie bundesweit gültige Informationen bietet und die Schnittstelle für bundeslandspezifische Fragen ist. Das Ziel ist eine Website für alle, die Pflegeinformationen benötigen.

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Literatur

Darvishy, A., Seifert, A. (2013). Altersgerechte Webseitengestaltung: Grundlagen und Empfehlungen. Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Zürich

EU‐Kommission (2022). Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Langzeitpflege. COM(2022) 441 final. Europäische Kommission, Brüssel

Griebler, R., Straßmayr, C., Mikšová, D., Link, T., & Nowak, P. (2021), Gesundheitskompetenz in Österreich: Ergebnisse Der Österreichischen Gesundheitskompetenzerhebung HLS19‐AT., Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Wien

Griebler, R., Straßmayr, C., Nowak, P., Arbeitsgruppe Gesundheitskompetenz‐Messung der ÖPGK (2022). Navigationskompetenz im Gesundheitssystem. Ergebnisse und Empfehlungen der Österreichischen Gesundheitskompetenz‐Befragung (HLS19‐AT). Factsheet. Gesundheit Österreich, Wien

Statistik Austria (2013). Schlüsselkompetenzen von Erwachsenen‐ – Erste Ergebnisse der PIAAC‐Erhebung 2011/12. Wien: Statistik Austria

Zur Person

Anita Sackl, MPH MAS

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