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Esther Matolycz
Pflege ist nachhaltig. 

Pflegeberufe haben mehr als nur ein Imageproblem.

Zunächst wird Pflege medial eher einseitig verhandelt, und auch das mal mehr, mal weniger differenziert. Was unterm Strich bleibt, ist bekannt – ein diffuser Eindruck. Pflege sei irgendwie fordernd und irgendwie „was für Idealisten“ (wobei Idealist*innen ja häufig eher Naivität als die Orientierung an Idealen zugeschrieben wird).

Vielleicht sind aber nicht nur diese schwer zu greifenden Vorurteile das Problem, sondern vielleicht sitzt der (Image)Schaden auch tiefer.

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Geht’s der Wirtschaft gut…“.

Manche pflegenden Kolleg*innen sprachen Anfang der 1990er gerne von der Firma, wenn das Krankenhaus oder Pflegeheim gemeint war. Man ging in die Firma, kam gerade von dort und so weiter. Man fand das ganz witzig. Der Witz kam aus dem Widerspruch: zum Beispiel tickte ein Krankenhaus ganz anders und war im Grunde genommen so ziemlich das Gegenteil. Dort ging es nicht um Werbung, nicht um das fesche Portfolio, dort ging es nicht um Gewinne.

Das war es aber gar nicht, was uns damals so augenfällig war. Augenfällig war eher, dass es hier das Soizale gab, dort das rein ökonomisch Orientierte. Diese Grenzen wurden akzeptiert – und die im Sozialen Tätigen waren in aller Regel stolz darauf.

Hier und da hieß es, man verdiene im Sozialbereich schlecht. Da kam es aber ganz drauf an, in welchem Umfeld man sich bewegte. Andernorts hieß es nämlich auch, „die Schwestern“ hätten es „schwer in der Tasche“, würden also ganz gut verdienen. Dass „die Schwestern“ es „stark hätten“, wusste der Volksmund allerdings auch.

Kurz: Zwar schieden sich die Geister, aber Berufe im Umfeld der Gesundheits- und Krankenpflege waren im Großen und Ganzen durchaus angesehen, immerhin aber klar zuzuordnen; die Tätigkeit galt als sicher, wertvoll und solide.

Mit ungefähr den 1990er Jahren zog es dort, wo es um Gewinnmaximierung ging, nun deutlich an. Unter Flaggschiffen wie Flexibilisierung, Privatisierung, Optimierung, Effizienz aber auch Lean Management und Ähnlichem sollten dem grenzenlosen Wachstum weder Routinen noch alte Bürokratie noch Redundanz, aufgeblasene, administrative Apparate oder sonst etwas im Weg stehen, das verdächtig war, den Siegeszug der freien Wirtschaft durch kleingeistigen Wiederholungsmief zu bremsen.

Ökonomische Möglichkeiten wurde allerhand zugetraut; sie schienen grenzenlos.

Ungefähr dreißig Jahre später hätte am liebsten jeder sein Business. Wer keins hat, kann ja lernen, wie man eines aufbaut. Tutorials und online-Kurse gibt es genug. Die zündende Idee, dann Kundengewinnung und –bindung und ab geht die Post.

Längst sind auch soziale Leistungen als Gegenstand eines Business erschlossen; die Firma Pflegeinrichtung ist schlicht deshalb nicht mehr witzig, weil der Begriff keinen Widerspruch zur Realität erzeugt.

Die Privatisierung von Teilen des Gesundheitswesens hat also Einzug gehalten.

Ebenfalls in den vergangen zwanzig Jahren folgte man dort (egal, ob öffentlich oder privat) auch im Vokabular der „Wirtschaft“:  Management, Meeting, Optimierung, Outcome und so weiter.

Man kam dem nun kritisch gegenüberstehen oder auch nicht.

Eines zeigt diese leise Übernahme aber deutlich: Wer Vorbildfunktion hat, wessen Denkart es offensichtlich wert ist, übernommen zu werden, wer den Ton angibt.

Pflege hat diese Denkart – wie könnte es anders sein – durchaus inhaliert; sie identifiziert sich längst mit managerialem Vokabular und mit entsprechenden Interessen, was zunächst als Reaktion auf die allgemein stattgehabte Ausrichtung an der Wirtschaftlichkeit zu sehen ist.

Ebenso aber als Reaktion darauf, dass Aufstiegsschancen über pflegerische Professionalität noch nicht so gegeben sind, wie es wünschenswert wäre. In der Folge identifiziert man sich eben mit dem, was Aufstieg und Anerkennung auch von außen verspricht (Wolf/Ostermann 2016, S. 181).

Natürlich hat das weitreichende Folgen, denn andernorts wundert man sich, weshalb das Image von Pflege Schwierigkeiten hat.

Das, womit Pflege punkten kann, ist nämlich just ein völlig anderes Programm. Eines, das da wäre:

Pflege empowert dort, wo es nötig ist. Sie verhilft dazu, größtmögliche Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Sie gibt aber auch dort Lebensqualität, ist dort auf Seite der Klient*innen, wo aus Sicht der Lai*in „nichts mehr zu machen“ ist.

Vielleicht ist es, gerade weil ökonomisch-monetäre Werte, das Business, der entsprechende Aufstieg als das Non plus ultra gelten, aber eben schwierig, junge Leute für Alternativen zu begeistern.

Anders gesagt: in den vergangenen zwei Jahrzehnten (auch schon davor, aber da ganz besonders) wurde das Denken in Dimensionen des grenzenlosen Wachstums und der Vermehrung in einer Weise etabliert, die nur wenig neben sich gelten lässt. Das ist kein geschriebenes Gesetz, aber ein ungeschriebenes – und eines mit großer Macht.

Umgekehrt hält mit der Energiekrise auch die Idee der Nachhaltigkeit Einzug. Es soll nachhaltig gekauft, konsumiert und überhaupt gehaushaltet werden.

Der Begriff ließe sich tatsächlich in Zusammenhang mit ganz anderen Dimensionen bringen. Nachhaltig ist es schließlich auch, wenn eine Gesellschaft sich klar dazu bekennt, sich um Kranke, Schwächere oder Ältere zu bemühen. Nachhaltig ist es, wenn dort investiert wird, wo diese Werte Raum haben und weitergegeben werden.

Das ist ein großes Potential von Pflege. Es hat allerdings das Problem, das Pflege überhaupt hat: sie fällt erst auf, wenn sie fehlt.

Mediziner*innen haben es (zumindest ein wenig) einfacher, der Gesellschaft klarzumachen, was geschieht, wenn ihre Leistungen weggekürzt werden: die Menschen sind krank und werden nicht behandelt.

Die vielfältigen Leistungen von Pflege lassen sich nicht leicht subsumieren; die Profession arbeitet daran.

Gewiss ist aber, dass das Thema Nachhaltigkeit (im Sinne von Auffangnetzen, dem Kitt einer Gesellschaft und dem klaren Bekenntnis zu Hilfe und Beistand) ein Zug ist, auf den es sich auch in der Kommunikation nach außen aufzuspringen lohnt.

Schwierig ist, dass man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen konnte, dass Karrieren allein „in der Wirtschaft“ oder mit dem eigenen „Business“ zu machen sind. Daran ändert auch der Umstieg nichts, dass selbst die Einstiegsgehälter von Pflegenden es durchaus mit jenen anderer (akademischer) Berufsgruppen aufnehmen können.

Die ewig perpetuierte Botschaft ist nicht folgenlos geblieben. Allerdings sollten soziale Berufe nicht den Fehler machen, gerade das ins Programm der Selbstdarstellung zu nehmen, was andere ohnehin besser können.

Pflege hat eigene Werte und kann und soll das auch mutig zeigen. Die gerade so moderne Nachhaltigkeit passt ganz hervorragend dazu.

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Literatur

Wolf J, Ostermann A (2016) Von der Organisation der Pflege zur Pflege

der Organisation. Ein neuer Typus der Pflegedienstleitung im Krankenhausmanagement. In: Bode I, Vogd W (Hg) Mutationen des Krankenhauses. Soziologische Diagnosen in organisations- und gesellschaftstheoretischer Perspektive. Wiesbaden: Springer VS, S. 165-183

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