Wissen über Faktoren, die die Lebensqualität beeinflussen und eine vertiefte Auseinandersetzung damit, ist unabdingbar, will man die Lebensqualität aufrechterhalten und fördern. Im vorliegenden Artikel werden die Ergebnisse einer Studie, die den Einfluss des Pflegeheimeinzugs und möglicher Faktoren auf die Lebensqualität pflege- und betreuungsbedürftiger älterer Menschen erforscht, vorgestellt. Kernaussage ist die vorrangige Bedeutung subjektiver Faktoren, gegenüber objektiven.
Was bedeutet Lebensqualität? Was macht Lebensqualität aus? Was hat Einfluss auf die Lebensqualität, insbesondere jene von älteren, pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen in Pflegeheimen?
Mit Blick auf die vorhandene Forschung rund um das Thema „Lebensqualität (im Alter)“ bestätigt sich die Vermutung, dass der Begriff sehr uneinheitlich definiert ist. Mit Blick auf die Praxis, ins Leben jedes*jeder einzelnen, erscheint diese Feststellung plausibel. Werden Menschen danach gefragt, was für sie Lebensqualität bedeutet, werden wohl kaum gleiche Antworten zu erwarten sein. Dies hängt damit zusammen, dass unter Lebensqualität „vieles“ subsumiert werden kann. Lebensqualität ist bis zu einem gewissen Grad etwas Subjektives. Sie hängt sehr stark von der befragten Person, ihrer Persönlichkeit, ihrer Perspektive, ihrer Betrachtungsebene, ihrer Kultur, ihrem Wertesystem, ihrer Prioritätensetzung, ihren Erfahrungen und vielem mehr ab.
Trotz unterschiedlicher Definitionen und Konzepte (z.B. Brown, Bowling & Flynn, 2004) zeigen Studien ähnliche Indikatoren, die immer wieder von Befragten in Bezug auf ihre Lebensqualität genannt werden (z.B. Andrews, 1974; Holzhausen, 2009): körperliche, emotionale, kognitive, soziale Funktionsfähigkeit, soziale Unterstützung, soziale Rollen, soziale Partizipation, Familie, soziale Beziehungen, soziale Kontakte, Wahrnehmung der Gesundheit, Gesundheitszustand, ökonomischer Status, das Gefühl, gebraucht zu werden, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, Autonomie, Mobilität, Privatsphäre, das Gefühl, sich zu Hause zu fühlen, Sicherheit. Im Vergleich zwischen jüngeren und älteren Menschen zeigt sich, dass für ältere Gesundheit und Funktionsfähigkeit bedeutender sind (Bowling et al., 2002).
Bedingt durch den demografischen Wandel in Zusammenhang mit der Alterung unserer Gesellschaft rückt das Ziel einer guten Lebensqualität unserer älteren Mitmenschen, die vielfach pflege- und betreuungsbedürftig sind, zunehmend in den Fokus: als Ziel in der Versorgung, als Outcomeparamenter, als Schlagwort in der Politik und Gesellschaft sowie im öffentlichen Auftritt von Betreibern von Alten- und Pflegeheimen.
Von den im Jahr 2019 rund 463.662 Personen, die Bundespflegegeld bezogen haben und somit pflege- und betreuungsbedürftig waren, lebten laut Statistik Austria (2021) 96.458 Menschen in österreichischen Alten- und Pflegeheimen.
Welchen Einfluss nun der Einzug in das Pflegeheim und die dort stattfindende Versorgung auf die Lebensqualität von pflege- und betreuungsbedürftigen älteren Menschen hat, rückt somit als bis dato unbeantwortete Frage in den Fokus der Forschung. Eine Längsschnittstudie, die die Lebensqualität von 126 pflege- und betreuungsbedürftigen älteren Menschen aus 47 österreichischen Pflegeheimen erhoben hat, nimmt sich dieser Frage an. Unter Zuhilfenahme der Instrumente der WHO Quality of Life Group wurde die Lebensqualität zu drei Zeitpunkten – beim Einzug in das Pflegeheim, eine Woche und drei Monate danach – erforscht.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich der Einzug in das Pflegeheim sowie die dort stattfindende Versorgung positiv auf die Gesamt-Lebensqualität sowie auf die Bereiche physische, psychische Lebensqualität, Umwelt, Autonomie, soziale Partizipation, Aktivitäten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und Intimität auswirken. Bereits eine Woche nach dem Einzug war die Lebensqualität besser als beim Einzug. Als Gründe dafür nannten die Bewohner*innen das Gefühl von Sicherheit, bei Bedarf Hilfe zu haben, die Gemeinschaft, die Aktivitäten und Veranstaltungen, das Gefühl, sich nicht allein zu fühlen sowie die sozialen Kontakte. Auch das verstärkte Auftreten positiver Effekte durch die Versorgung im Pflegeheim kann diesen positiven Einfluss erklären. Ob Personen den Einzug in das Pflegeheim positiv wahrnehmen, hängt wesentlich von ihrem Charakter, ihrer Biografie sowie ihrem sozialen Umfeld ab (z.B.: Brown et al., 2004; Tesch-Römer et al., 2003) – aber auch, ob sie den Einzug in das Pflegeheim selbst entschieden haben. Aus der Studie geht auch hervor, dass subjektive Indikatoren einen wesentlicheren Einfluss auf die Lebensqualität haben. Indikatoren, die die Bereiche psychisches Wohlbefinden und subjektiv wahrgenommene Lebensqualität widerspiegelten, haben den stärksten Einfluss auf die Lebensqualität.
Wenig überraschend zeigte sich, dass sich Pflegebedürftigkeit negativ auf die Lebensqualität auswirkt. Größeren Einfluss auf die Lebensqualität hat jedoch eine momentane Erkrankung sowie die subjektive Einschätzung der Beeinträchtigung dieser Erkrankung.
Die objektiven Faktoren – hier wurde der Einfluss des Geschlechts, des Einkommens, der Bildung, des Alters fokussiert untersucht – haben einen untergeordneten Einfluss. Das Geschlecht und die Bildung zeigen dabei den wesentlicheren Einfluss, wobei Frauen eine bessere Lebensqualität als Männer und Personen mit einer höheren Bildung eine schlechtere Lebensqualität haben.
In Bezug auf objektive Faktoren erklärt „das Pflegeheim“ bzw. Unterschiede zwischen Pflegeheimen 15 Prozent der Varianz in der Lebensqualität – was auch die Bedeutung objektiver Rahmenbedingungen unterstreicht. Beispielsweise nennen die befragten Bewohner*innen die Tatsache, in einem Einzel- oder Doppelzimmer zu leben, als wesentlich für ihre Lebensqualität. Auch können Unterschiede in der Lebensqualität durch Unterschiede zwischen Pflegeheimen erklärt werden. In der Studie zeigen die Lage und Trägerschaft einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität – Personen, die in Pflegeheime in der Stadt mit öffentlich-rechtlichem Träger einzogen, hatten eine bessere Lebensqualität als jene am Land mit privatem Träger. Anders als in der bestehenden Literatur zeigte sich ein positiver Einfluss der Größe des Pflegeheims auf die Lebensqualität.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass „das Pflegeheim“ und die dort stattfindende Versorgung die Lebensqualität Pflege- und Betreuungsbedürftiger wesentlich beeinflusst.
Die referenzierte Studie wurde im Rahmen einer Dissertation an der Karl-Franzens-Universität in Graz durchgeführt und ist im Springer Verlag unter dem Titel „Lebensqualität pflege- und betreuungsbedürftiger älterer Menschen: Eine Längsschnittstudie unter besonderer Berücksichtigung des Pflegeheimeinzugs“ veröffentlicht.
Andrews, M. F. (1974). Social Indicators of perceived life quality. Social Indicators Research, 1(3), 279-299.
Bowling, A., Banister, D., Sutton, S., Evans, O. & Windsor, J. (2002). A multidimensional model of quality of life in older age. Ageing and Mental Health, 6 (4), 355-371.
Brown, J., Bowling, A. & Flynn, T. (2004). Models of Quality of Life: A Taxonomy, Overview and Systematic Review of Literature: European Forum on Population Ageing Research.
Holzhausen, M. (2009). Lebensqualität multimorbider älterer Menschen. Konstruktion eines neuen individualisierten Messverfahrens. Bern: Huber.
Statistik Austria. (2021). Betreuungs- und Pflegedienste. Abgerufen am 18.02.2021 von https://data.statistik.gv.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/sozialleistungen_auf_landesebene/betreuungs_und_pflegedienste/index.html
Tesch-Römer, C., Motel-Klingebiel, A. & Kondratowitz, H.-J. von. (2003). Quality of life. In Center for Research and Study of Ageing (S. 257-280). Abgerufen am 18.02.2021 von http://oasis.haifa.ac.il/downloads/oasis-final-report.pdf
Drin Romana Winkler, BA MA MSc
Geschäftsführerin des Landesverbands Altenpflege Steiermark, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Alten- und Pflegeheime Österreichs, Mitarbeiterin der Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz, Zertifiziererin nach dem Nationalen Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheime und lehre an der Fachhochschule Burgenland.
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