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Karl Schwaiger
Das Pflegemanagement in Österreich steht vor zukunftsweisenden Entscheidungen

Der Pflegekräftemangel, die hohen Belastungen in der Pflegearbeit und in der Krisenbewältigung während der letzten Jahre aufgrund der Pandemie, gesellschaftliche Entwicklungen mit einer neuen Einstellung zu Arbeit und Freizeit, sowie die Etablierung und Integration neuer Berufsbilder in der Pflege wie die Pflegefachassistenz (PFA), die Advanced Practice Nurse (APN) und die Operationstechnische Assistenz (OTA) sind nur einige maßgebliche Herausforderungen mit denen sich das Pflegepersonal und das Pflegemanagement konfrontiert sehen. Diese tiefgreifenden Veränderungen, führen in den bisher sehr stabilen Systemen des Gesundheitswesens zu großer Verunsicherung beim bestehenden Pflegepersonal, teils sogar zu Abwanderung aus dem Pflegeberuf. Für die zukünftige Entwicklung und  Zusammensetzung der Pflegeteams, also für den geeigneten Qualifikationsmix pro Organisationseinheit und die daraus resultierende geänderte Arbeitsteilung in den Teams, sowie für die Entwicklung der organisatorischen und strukturellen Veränderungen müssen die erforderlichen Entscheidungen getroffen und die entsprechenden Strategien und Konzepte entwickelt werden. Best Practice-Beispiele zur Orientierung gibt es bereits sowohl in Österreich als auch international. Die Diskussion, wo der „österreichische Weg“ hinführen soll, ist eröffnet.

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Die letzten Jahre, beginnend mit der Reform des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes 2016, sowie verstärkt seit der Pandemie im Jahr 2020 und der nun anhaltend negativ spürbaren Phase des enormen Pflege- und Fachkräftemangels, waren und sind eine besondere, in den letzten Jahrzehnten noch nie da gewesene Herausforderung für die Gesellschaft im Allgemeinen und für das Gesundheitswesen und das Pflegemanagement im Speziellen.

Bis 2030 ist nach der Pflegepersonal-Bedarfsprognose der Gesundheit Österreich GmbH aus dem Jahr 2019 (Gesundheit Österreich GmbH, 2019) in Österreich von einem zusätzlichen Pflegepersonalbedarf in Höhe von 75700 Vollzeitäquivalenten (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen [DGKP], Pflegefachassistenz [PFA] und Pflegeassistenz [PA]) auszugehen. Diese Summe ergibt sich aus einem zusätzlichen Pflegepersonalbedarf auf Grund der demographischen Entwicklung in Höhe von 34000 Personen für den Akutsektor und den Langzeitbereich, sowie von ca. 41500 zur Abdeckung der Pensionierungen.

Ob diese Berechnungen, auf Grund der zum Zeitpunkt der Erstellung der Prognose noch nicht vorhersehbaren Entwicklungen mit den großen Belastungen der Pflegeberufe im Rahmen der Pandemie, der Realität in den Krankenanstalten sowie dem Langzeitpflegebereich standhalten, muss laufend evaluiert werden. Vieles spricht dafür, dass sich der zusätzliche Bedarf an Pflegekräften zwischenzeitlich durch verschiedene gesellschaftliche Trends wie dem Wunsch nach mehr Freizeit und somit mehr Teilzeitarbeit oder Vollzeitarbeit bei weniger Stundenverpflichtung und dem allgemeinen Fachkräftemangel, auch in der Pflege weiter erhöhen wird.

Die Analysen von Statistik Austria weisen in ihrem Bericht über den Personalstand der nichtärztlichen Gesundheitsberufe in den Krankenanstalten Österreichs (Statistik Austria, 2022) jedenfalls im Jahr 2021 mit 61204 eine geringere Anzahl an Beschäftigten im Gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege aus als in den Jahren 2019 mit 61757 und 2020 mit 62195. Die Anzahl der Personen in den Sanitätshilfsdiensten und der Pflegeassistenz hat sich im gleichen Zeitraum zwar um ca. 1000 erhöht, aber insgesamt ist dadurch österreichweit keine Erhöhung der Anzahl der beschäftigten Pflegekräfte in Krankenanstalten erkennbar.

Entsprechend des bisherigen Qualifikationsmix, betrifft die vorhersehbare Pensionierungswelle zu ca. 70 – 80% diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger*innen.  Diese ist nun, auf Grund der laufenden Veränderungen bei den Ausbildungsangeboten für den gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege vom Sekundarlevel hin zum tertiären Bildungsbereich an den Fachhochschulen, nicht mehr mit diplomierten Pflegekräften zu kompensieren.

In jenen Krankenanstalten und Einsatzbereichen der Pflege, in denen die strukturierte Integration der neuen Berufsgruppe der Pflegefachassistenz nicht rechtzeitig vorangetrieben wurde, oder die Pflegefachassistenz nicht als adäquater, wichtiger neuer Berufsstand im System erkannt oder akzeptiert wurde, haben sich die Pensionierungswelle und die weitere „natürliche Fluktuation“, z. B. durch Gravidität der Mitarbeiterinnen und den kontinuierlich ansteigenden Mangel an Teammitgliedern besonders negativ auf die verbliebenen Kräfte in der Pflege ausgewirkt. Ein Teufelskreis der Überforderung und Überbelastung, aufgrund  von Kompensation laufender Minderbesetzung sowie weiteren akuten Personalausfällen, ist die Folge und führt mittel- und langfristig zu vermehrten Krankenständen, Unzufriedenheit und Frustration  –  schlussendlich sogar bis hin zum Berufsausstieg, zur  „Flucht aus der Pflege“.

Selbst in der Schweiz, unserem langjährigen Vorbild in Hinblick auf die gute Bezahlung und die professionellen Arbeitsbedingungen, geben nach aktuellen Schätzungen ca. 300 Pflegekräfte pro Monat ihren Beruf auf und es fehlen aktuell ca. 14000 Pflegekräfte (SBK, 2022). Dies, obwohl es in der Schweiz die Lehre zur „Fachangestellten Gesundheit“ (FaGe) gibt. Dieses Berufsbild ist in Österreich ein von den politischen Verantwortlichen viel gepriesenes Modell für zukünftige Pilotprojekte für die „Lehre in der Pflege“, die unsere personellen Probleme im Pflegebereich in Österreich nun erfolgreich bekämpfen sollen. DerVersuch eine „Lehre für die Pflege“ in Österreich zu etablieren, wird unsere Personalprobleme in der Pflege nicht ansatzweise lösen können. Im Gegenteil, er birgt nur weitere Schnittstellenprobleme, trägt aber nicht dazu bei mehr an Qualität und Quantität in unseren Systemen zu entwickeln. Dies wurde  den politischen Entscheidungsträgern bereits vorgelegt und ausführlich mit ihnen diskutiert, ist bisher aber leider erfolglos geblieben.

Ein erfolgreiches Beispiel der rechtzeitigen Etablierung eines geeigneten Qualifikationsmix in der Pflege kann aus den Salzburger Landeskliniken berichtet werden. Durch die unmittelbar nach der Gesetzesnovelle 2016 beginnende Ausbildung der Pflegefachassistent* (PFA) an der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege wurden bisher bereits ca. 300 PFA in den Universitätskliniken und den weiteren drei Standorten der Salzburger Landeskliniken beschäftigt.

Zusätzlich wurde die Entwicklung und der Einsatz von Advanced Practice Nurses (APN) in den Salzburger Landeskliniken in den letzten Jahren seitens der Pflegedirektorinnen und des Pflegedirektors gezielt vorangetrieben und der Einsatz, teils bereits erfolgreich dokumentiert und wissenschaftlich evaluiert, in der Praxis etabliert. Gleichzeitig werden weitere acht bis zehn „Junior APN“, fachlich und wissenschaftlich versierte Kolleg*innen, als neue Rolle im Rahmen eines speziellen Entwicklungs- und Karriereplans implementiert.  Diese befinden sich entweder im konsekutiven Masterstudium oder haben bereits ein einschlägiges Studium abgeschlossen.haben,.

Die Umsetzung des „Skill- and Grade-Mix“ mit Implementierung der PFA bedingt neben der Abstimmung der pflegerelevanten Aufgaben im (Stations-)Team mit dem gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege auch die Implementierung und den Einsatz von Advanced Practice Nurses (APN). Nur auf diese Weise lässt sich die erforderliche Diversifizierung erreichen und die professionell koordinierte Pflege der Patienten*innen mit dem gezielten Einsatz der Pflegepersonen und unter Berücksichtigung ihres Qualifizierungsgrads, entsprechend der pflegerischen Komplexität der Fragestellungen und Aufgaben bei und mit den  Patient*innen umsetzen.

Dies im Sinne der Qualitätssicherung organisatorisch und strukturell sicherzustellen, ist aus der Sicht des Pflegemanagements der Salzburger Landeskliniken eine wesentliche Aufgabe und Verantwortung, aber auch eine große Herausforderung in dieser Funktion.

Die Strategie des Pflegemanagements der Salzburger Landeskliniken beabsichtigt die Stabilisierung der Pflegeteams sowie die Sicherstellung der Arbeitszufriedenheit. Dies soll durch eine klare Zuordnung der Aufgaben, kollegiales Zusammenwirken aller Qualifikationsstufen unter Einsatz von Delegation, Lösung der Aufgaben entsprechend des definierten Tätigkeitsprofils, sowie Einsatz der vertieften und spezialisierten Fachexpertise der APN bei den besonders komplexen Fragestellungen in der direkten Betreuung und Pflege unserer Patient*innen gelingen.

Dass dies im Zusammenhang mit dem aktuellen Mangel an Pflegepersonal nur ein Teil einer Gesamtstrategie im Bundesland Salzburg mit zahlreichen weiteren Maßnahmen zur Attraktivierung des Pflegeberufs sein kann, ist völlig klar, denn für den umfassenden Maßnahmenkatalog zur Bewältigung der Probleme werden von der Salzburger Landesregierung in den nächsten Jahren insgesamt 220 Mio. € zur Verfügung gestellt (Plattform Pflege II, Ergebnisbericht, Stand Dezember 2022).

Um jedoch einen nationalen Diskurs über die Entwicklung eines unternehmens- und organisationsspezifisch geeigneten, erforderlichen, sowie zukunftsorientierten Qualifikationsmix in der Pflege anzustoßen und um gleichzeitig einen internationalen Überblick über die Erfahrungen mit dem Skill- und Grade Mix und die Situation in der Schweiz und in Deutschland sowie über die wissenschaftlichen Grundlagen zur Thematik zu erhalten, laden die Pflegedirektorinnen und der Pflegedirektor der Salzburger Landeskliniken und des Universitätsklinikums Salzburg zur Fachtagung „Qualifikationsmix Pflege 2023“ am 24. April 2023 herzlich nach Salzburg ein.

Bei der internationalen Fachtagung „Qualifikationsmix in der Pflege“ am 24. 4. 2023 im Hotel Heffterhof in Salzburg erhalten Sie nach einem Impulsreferat von Univ. Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger zum Thema „Die Durchschnittsfalle“ und einem Überblick über die „Österreichische Ausbildungslandschaft in der Pflege“ durch Ass. Prof. Priv. Doz. Dr. rer. medic. Andre Ewers, BScN, MScN, einen Überblick über die aktuelle Situation in der Schweiz aus dem Uniklinikum Zürich und in Deutschland aus dem Uniklinikum Düsseldorf, sowie in der Folge einen Einblick in die konkrete Umsetzung der Implementierung und des erfolgreichen Einsatzes der neuen Berufsgruppen PFA, OTA und Ordinationsassistenz, sowie der APN-Integration in die Praxis in den Salzburger Landeskliniken im Rahmen vonausgewählten Workshops.

Für weitere Informationen und Ihre persönliche Anmeldung kontaktieren Sie bitte
Frau Danijela Jovic unter der E-Mail Adresse d.jovic@salk.at oder unter der Telefonnummer +43 (0)5 7255-30501.

 

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Literatur

Gesundheit Österreich GmbH (2019). Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich: Eine Studie der Gesundheit Österreich GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Kurzfassung vom 25. 11. 2019

Land Salzburg, Plattform Pflege II (2022). Ergebnisbericht, Stand Dezember 2022 https://www.salzburg.gv.at/soziales_/Documents/20230110-Ergebnisbericht-PP-II-Downloadversion.pdf, Zugriff am 22.01.2023

SBK Schweizer Berufsverband für Pflegefachpersonal, Sektion Aargau-Solothurn (2022) Medienmitteilung, Aarau, 29. November 2022

Statistik Austria (2022) Personalstand der nichtärztlichen Gesundheitsberufe in den Krankenanstalten Österreichs seit 1985 (Tabelle), erstellt am 29. 09. 2022 https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gesundheit/gesundheitsversorgung-und-ausgaben/einrichtungen-und-personal-im-gesundheitswesen, Zugriff am 22.01.2023

Zur Person

Mag. Karl Schwaiger

ist Pflegedirektor bei den Salzburger Landeskliniken und verantwortlich für die Standorte Landesklinik Hallein sowie Landesklinik St. Veit im Pongau.

Der Pflegewissenschaftler und akademische Krankenhausmanager ist seit 30 Jahren als Pflegedirektor tätig und war viele Jahre Vorsitzender der ANDA sowie der ARGE Pflegedirektoren Salzburg und bis 2020 der 1. Vizepräsident des ÖGKV.

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