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Gabriele Gschwandtner, Lydia Gromer, Birgit Freitag, Beate Heiß
Interprofessionelle Zusammenarbeit
Die pflegerische Perspektive im Rehabilitationsteam

Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sind zentrale Professionen in der rehabilitativen Versorgung. Gemeinsames Ziel aller beteiligten Disziplinen ist es, Menschen in der Erreichung ihres jeweiligen individuellen teilhabeorientierten Rehabilitationszieles durch fachspezifische Maßnahmen zu unterstützen. In diesem Beitrag wird ausgehend von den Aufgabenfeldern der Pflege, ein Einblick zu  Abläufen in den Rehabilitationszentren der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) mit Fokus auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit gegeben.

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Hintergrund

Die Individualisierung der Rehabilitation ist auf europäischer Ebene festgelegt, es besteht internationale Einigkeit und sie ist im österreichischen Rehabilitationsplan 2020 verankert. Damit gehören „starre“ Rehabilitationskonzepte der Vergangenheit an. Die Ausrichtung ist individualisiert mit Fokus auf Autonomie und Teilhabe. Interdisziplinäre Zusammenarbeit gilt als fixer Bestandteil (European Physical and Rehabilitation Medicine Bodies Alliance, 2018). Für die Rehabilitationszentren der PVA wurde vom chefärztlichen Bereich aufgrund dessen 2022 ein neues, alle Indikationen umfassendes, Medizinisches Leistungsprofil (MLP 2.0) entwickelt und implementiert. Der Fokus hierbei wird auf individualisierte ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health)-basierte Rehabilitationsprogramme gelegt (Skoumal & Honegger, 2022). Rehabilitation beinhaltet differenzierte Konzepte für alle Maßnahmen, welche die Teilhabe der Menschen in ihrem Arbeits- und Lebensumfeld unterstützen (Honegger & Skoumal, 2021). Für erwerbsfähige Menschen ist die Arbeitsmarktintegration mit oder nach gesundheitlichen Einschränkungen herausfordernd (Eppel, Leoni, Mahringer, 2016). Diese ausgewählten Daten verdeutlichen auch die Rolle der interdisziplinären Zusammenarbeit. Der Kompetenzbereich der Pflege im multiprofessionellen Versorgungsteam ist im GuKG idgF §13 verankert und die Kompetenzen im §16 ausgeführt. Insbesondere schreibt Abs. 2 Z 6 die Verantwortung für die Koordination des Behandlungs- und Betreuungsprozesses einschließlich der Sicherstellung der Behandlungskontinuität fest. Die Fachkompetenz der Pflege im interdisziplinären Setting ist essenziell, um die Rehabilitationsergebnisse der Patient*innen nachhaltig zu verbessern (Gutenbrunner et al., 2021).

Pflege in den Rehazentren der PVA

Pflege in der Rehabilitation ist ein traditionelles Handlungsfeld. Dennoch hat die systematische fachliche Entwicklung im europäischen Raum eine erst junge Geschichte (Gschwandtner, Freitag, Heiß, 2022). Die interprofessionelle Zusammenarbeit ist durch strukturelle und fachspezifische Einflussfaktoren bestimmt. Gemeinsam mit den Rehabilitand*innen wird ein übergeordnetes individuelles Teilhabeziel erarbeitet, welches die Basis für berufsgruppenspezifische Interventionen darstellt. Die Grundlage dafür ist das WHO (World Health Organisation)-Modell der ICF. Es beruht auf dem bio-psycho-sozialen Ansatz und beinhaltet vier Dimensionen (Körperfunktionen und -strukturen, Aktivität, Teilhabe und Kontextfaktoren) (Reiter et al., 2020).

Im Fokus der pflegefachspezifischen Entwicklung stehen

  • das Handeln ausgerichtet am Teilhabeziel und davon abgeleitet am ICF-Pflegeziel
  • die Anwendung „Aktivierende Rehapflege“ im rehabilitativ-therapeutischen Setting und
  • das strukturierte Aufnahme- und Entlassungsmanagement.

In einem ersten Umsetzungsprozess wird das ICF-orientierte Handeln über das vom Teilhabeziel abgeleitete ICF-Pflegeziel konkretisiert (Gschwandtner, Freitag, Heiß, 2022).

Die Vielzahl der Gesundheitsversorgungsleistungen sowie spezifische rehabilitative Möglichkeiten, erfordern gezielte Beratungsangebote und effizientes Schnittstellenmanagement. Diese Anforderungen werden durch die Implementierung der ETB (Entlassungs- und Teilhabeberatung) seit dem MLP 2.0 garantiert. Die Funktion der ETB wird in der PVA von Mitarbeiter*innen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege übernommen. Das gewährleistet eine bestmögliche pflegerische Nachsorge und setzt den Schwerpunkt auf die Wiedereingliederung in das Berufsleben bzw. eine selbstständige Lebensführung ohne weiteren pflegerischen Unterstützungsbedarf. Diese pflegerische Ausrichtung unterstützt das zielgerichtete- und an den Fähigkeiten der Rehabilitanden*innen orientierte Handeln. ICF bildet dazu die Grundlage für eine gemeinsame professionelle Sprache mit dem Ziel, die Kommunikation im interdisziplinären Team zu verbessern.

Pflege als Mitglied des interdisziplinären Teams

Becker et al. (2017) halten fest, dass interdisziplinäre Teamarbeit zentraler Faktor in der patient*innenzentrierten Versorgung ist. Die positiven Effekte sind bereits wissenschaftlich bestätigt. „Insbesondere in der Rehabilitation, wo unterschiedliche Berufsgruppen wie z. B. Ärzte, Pflege, Psychologen, Sozialarbeiter, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie zusammenarbeiten, hängt eine patientenorientierte Behandlungsplanung und -durchführung von der Güte der interprofessionellen Teamarbeit ab“ (Körner & Becker, 2017, S. 361).

Ausgehend vom Pflegeassessment und dem übergeordneten Teilhabeziel leitet der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege das ICF-Pflegeziel ab und arbeitet immer am teilhabezielorientierten Erhalt und an der Wiedererlangung der Selbstständigkeit. Des Weiteren wird die Integration der erworbenen Fähigkeiten in den Alltag beobachtet. Diese Erkenntnisse werden interdisziplinär kommuniziert. Dazu wurde in den Rehabilitationszentren der PVA im Rahmen von Besprechungsstrukturen die ICF-Besprechung implementiert. Es findet ein strukturierter und dokumentierter Fachaustausch statt, in dem erforderliche Entscheidungen oder Adaptierungen von Therapieplänen besprochen werden. Die ETB nimmt dabei eine zentrale Rolle ein.

Fazit

Im rehabilitativen Kontext sind der Beitrag der Gesundheits- und Krankenpflege durch zielgerichtete und fachlich fundierte Pflegehandlungen, die sich am Teilhabeziel ausrichten, sowie Fähigkeiten der interdisziplinären Kommunikation unumgänglich. Zudem sind eine gemeinsame Sprache und strukturelle Rahmenbedingungen Schlüsselelemente der interdisziplinären Zusammenarbeit. Wenn die Kompetenzen der jeweiligen Professionen fokussiert eingesetzt werden, entsteht mit den Rehabilitand*innen ein gemeinsames Behandlungsverständnis. Dieses wirkt nachhaltig auf den Rehabilitationserfolg jeder*s Einzelnen und gewährleistet abgestimmte patient*innen- und teilhabeorientiert ausgerichtete Prozesse.

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Literatur

Becker, S., Körner, M. Müller, C, Lippenberger, C., Rundel, M. & Zimmermann, L. (2017). Development and pilot testing of an interprofessional patient-centered team training programme in medical rehabilitation clinics in Germany: a process evaluation. BMC Medical Education, 17. 1−9.

Eppel, R., Leoni, T. & Mahringer, H. (2016). Österreich 2025 – Gesundheit und Beschäftigungs-Fähigkeit. Status quo und Reformperspektiven. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung. Wien. Abgerufen am 29.12.2022 von https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=59108&mime_type=application/pdf.

European Physical and Rehabilitation Medicine Bodies Alliance (2018). White Book on Physical and Rehabilitation Medicine in Europe. Introductions, Executive Summary, and Methodology. Eur J Phys Rehabil Med 54: 125-55. DOI: 10.23736/S1973-9087.18.05143-2)

Gschwandtner, G., Freitag, B. & Heiß, B. (2022). Pflege in der Rehabilitation – Einblick in ein attraktives Tätigkeitsprofil. Österreichische Pflegezeitschrift. ÖGKV GmbH. 6, 23−27.

Gutenbrunner, C., Stievano, A., Nugraha, B., Stewart, D. & Catton, H. (2021). Nursing – a core element of rehabilitation. International Nursing Review. 69, 13−19.

Honegger, M., Skoumal, M. (2021). Telerehabilitation in der PVA, PV RehaTRAIN. Soziale Sicherheit. Fachzeitschrift der österreichischen Sozialversicherung. 4 (2021), 182−187.

Körner, M. & Becker, S. (2017). Reha-Team und Interprofessionalität. Rehabilitation. 56. 361−364.

Reiter, D., Fülöp, G., Pochobradsky, E., Röthlin, F. & Stoppacher, A. (2020). Rehabilitationsplan 2020. Gesundheit Österreich. Wien

Skoumal, M. & Honegger, M. (2022). Medizinisches Leistungsprofil 2.0 und PV RehaLeistungsPortfolio®. Soziale Sicherheit. Fachzeitschrift der österreichischen Sozialversicherung. 4, 182−187.

Zur Person

Mag.a Gabriele Gschwandtner

Referentin Pflege- und Rehabilitationsmanagement

E-Mail: gabriele.gschwandtner@pv.at

Lydia Gromer, BA

Referentin Pflege- und Rehabilitationsmanagement

Birgit Freitag, BScN

Referentin Pflege- und Rehabilitationsmanagement

Mag.a Beate Heiß

Leiterin der Pflegedirektion, Hauptstelle Pensionsversicherungsanstalt

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