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Markus Lang, Eva Schaller
Simulation in der Pflegeausbildung: Teaching-Tool zur Förderung der pflegerischen Interaktion mit Menschen im Alter

Das Teaching-Tool Simulationstraining stellt eine didaktische Möglichkeit für Studierende der Gesundheits- und Krankenpflege dar, um soziale Prozesse wie Beziehungsgestaltung und Kommunikation in einer geschütztenLernumgebung zu festigen. Ziel des Vortrags am Pflegekongress wird sein, einen Einblick in die Umsetzung der Methode der Simulation im geriatrischen Setting im Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege der FH JOANNEUM zu geben.

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Einleitung

Weltweit leben Menschen länger. Dies wird schätzungsweise zu einer Verdreifachung von über 80-jährigen Menschen von aktuell 143 Millionen auf 426 Millionen Personen bis zum Jahr 2050 führen (United Nations, 2020). Auch in Österreich ist mit einem Anstieg alter und hochbetagter Personen und einem assoziierten Pflegebedarf zu rechnen (Rappold & Juraszovich, 2019). Diese demografischen Veränderungen müssen demnach auch im Studium der Gesundheits- und Krankenpflege Einzug finden. Simulationstraining bietet sich als didaktische Methode an, um Studierende in der Pflege alter Menschen zu unterrichten und in weiterer Folge auf die klinische Praxis vorzubereiten (Arrogante et al., 2022).

Simulationstraining an der FH Joanneum

Die Umsetzung und Etablierung von Simulationstraining in der Pflegeausbildung wird von der World Health Organization empfohlen (Martins et al., 2018) und ist am Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege der FH JOANNEUM vom ersten Semester an curricular verankert.

Das Modell der simulationsbasierten Lehre folgt den Phasen „Briefing“, „Actual Simulation“ und „Debriefing“. Im „Briefing“ werden die Teilnehmer*innen in die technische Ausrüstung und das durchzuführende Szenario eingeführt. In der „Actual Simulation“ wird das Szenario durchgeführt. Die letzte Phase des „Debriefing“ hat einen besonderen Stellenwert für den Lernprozess und stellt ein kritisch-reflektierendes Gespräch dar (Nyström et al., 2016).

Integration von simulationsbasierter Lehre in der Pflegeausbildung soll Lücken im Transfer von Theorie zu Praxis reduzieren (Haerling, 2021 in Steinacker et al., 2022).

Weiterführend wird die Umsetzung eines Simulationstrainings im Rahmen der geriatrischen Pflege beispielhaft angeführt: Inhalte des Simulationstrainings orientieren sich dabei an den aktuell theoretisch vermittelten Lehrinhalten und sollen Studierende unterstützen Lösungsansätze in der Versorgung zu entwickeln.

Gestaltung und Ziele der Szenarien

Es werden zwei Szenarien in einem Simulationstraining durchgeführt. Die Szenarien sind so konzipiert, dass sie inhaltlich aufeinander aufbauen. So werden ein möglicher Krankheitsverlauf und damit verbundener Betreuungsbedarf in verschiedenen Settings dargestellt.

Das erste Szenario findet im Akutspital auf einer unfallchirurgischen Station statt. Fokus hierbei liegt auf Patient*in A. Patient*in B, 83 Jahre alt, liegt gemeinsam im Zweibettzimmer im Akutspital. Aufbauend auf das erste Szenario ist das zweite Szenario in der Langzeitpflege angesiedelt. Dort begegnet den Studierenden erneut Patient*in B nach erfolgter Entlassung aus dem Akutspital. Im Mittelpunkt der pflegerischen Versorgung steht die Aufnahme von Bewohner*innen in der Langzeitpflege. Patient*in B ist mit einem Alterssimulationsanzug ausgestattet und wird von Studierenden fortführend in beiden Szenarien dargestellt.

Vorab gesetzte Lernziele für das Simulationsszenario im geriatrischen Setting wurden wie folgt definiert:

  • Studierende schärfen ihr Bewusstsein für eine adäquate Umgebungsgestaltung im Setting Pflegewohnheim.
  • Studierende leiten Maßnahmen ein, welche die Beziehungsgestaltung fördern und nutzen in dem Zusammenhang adäquate Kommunikationsstrategien.
  • Studierende informieren den bzw. die Bewohner*in bei jeder Handlung und leiten zu aktivierender Pflege an.

Erfahrungen der Studierenden

Die Studierenden hatten die Möglichkeit das Simulationstraining im Rahmen der Lehrveranstaltung mittels eines anonymen Surveys zu evaluieren. Der Survey beinhaltete zehn geschlossene Fragen mit einer Vier-Punkt-Likert-Skala sowie eine offene Frage und hatte zum Ziel Perspektiven der Studierenden zur Simulation systematisch zu erheben. Die Ergebnisse der Evaluierung lassen Rückschlüsse über die Qualität des Simulationstrainings zu und ermöglichen eine Weiterentwicklung des didaktischen Konzepts. Insgesamt nahmen 98 von 141 Studierenden an der Evaluierung teil, was einer Rücklaufquote von 70 % entspricht. Likert-Skala-Fragen (1= trifft völlig zu, 2= trifft eher zu, 3= trifft eher nicht zu, 4= trifft überhaupt nicht zu) wurden mit Mittelwert, Standardabweichung und Konfidenzintervall analysiert.  Cronbachs Alpha für die in Tabelle 1 (Auszug der Evaluierung) dargestellten acht Fragen wurde mit .81 berechnet. Niedrige Mittelwerte weisen auf stärkere Zustimmung mit der Aussage hin.

Tabelle 1: Mittelwerte (M), Standardabweichung (SD) und Konfidenzintervall (CI) aus der Evaluierung der Studierenden bezogen auf zwei aufbauende Szenarien

Frage: Szenario 1: Akutpflege Szenario 2: Langzeitpflege
M SD CI M SD CI
Das Simulationstraining bietet eine gute Möglichkeit, um komplexe Inhalte der Lehrveranstaltung zu üben. 1,4 0,5

 

1,3 1,5 1,6 0,6 1,4 1,7
Das Simulationstraining bietet eine gute Möglichkeit, um sozialkommunikative Kompetenzen zu festigen. 1,5

 

0,6

 

1,4

 

1,7

 

1,2

 

0,4

 

1,1

 

1,3

 

Das Simulationstraining hat mir die Komplexität der pflegerischen Versorgung bewusst gemacht. 1,4

 

0,5

 

1,3

 

1,5

 

1,6

 

0,7

 

1,5

 

1,7

 

Das Simulationstraining hat sichtbar gemacht, wie wichtig Beobachtung in der Umsetzung des Pflegeprozesses ist. 1,2

 

0,4

 

1,1

 

1,3

 

1,3

 

0,5

 

1,2

 

1,4

 

Das Simulationstraining bildet praxisnahe Situationen realistisch ab. 1,7

 

0,7

 

1,6

 

1,8

 

1,4

 

0,6

 

1,3

 

1,6

 

Die Zeit für das Debriefing war ausreichend. 1,1

 

0,3

 

1,0

 

1,2

 

1,1

 

0,2 1,0 1,1
Ich hatte ausreichend Möglichkeit meine Gedanken zu den Ereignissen in der Simulation zu diskutieren. 1,1 0,3 1,0 1,1 1,1 0,3 1,0 1,1
Die an das Debriefing anschließende erweiternde Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der pflegerischen Versorgung war hilfreich. 1,2 0,4 1,1 1,3 1,2 0,4 1,1 1,3

 

Schlussfolgerung

Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass insbesondere die sozialkommunikative Kompetenz im Umgang mit älteren Menschen durch die Szenarien gefestigt wurden.  Kommunikation ist ein wesentlicher Aspekt des reflektierenden Handelns innerhalb der Gesundheits- und Krankenpflege. Erst durch Kommunikation kann der Pflegeprozess als Beziehungsprozess stattfinden. Haltung, Gedanken und Gefühle zu reflektieren ist Voraussetzung, um Empathie zu entwickeln (Olbrich, 2023).

Anhand von Studien konnte ein positiver Einfluss von Simulationstraining im geriatrischen Setting auf die Einstellung und Empathie Studierender gegenüber alten Menschen nachgewiesen werden (Arrogante et al., 2022; Chua et al., 2021). Neben der Förderung der zuvor genannten Kompetenzen zeigt ein Review ebenso, dass durch Simulationstraining im geriatrischen Bereich auch das Anbieten von personzentrierter Pflege unterstützt werden kann (Bowden et al., 2021).

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Literatur

Arrogante, O., Velarde-García, J. F., Blázquez-González, P., & Moro-Tejedor, M. N. (2022). The effects of high-fidelity simulation training on empathy and attitudes toward older people among undergraduate nursing students: A quasi-experimental study. Nurse Education in Practice64. https://doi.org/10.1016/j.nepr.2022.103441103441

Bowden, A., Chang, H.-C., Wilson, V. & Traynor, V. (2021). The impact of ageing simulation education on healthcare professionals to promote person-centred care towards older people: A literature review. Nurse Education in Practice, 53. doi: 10.1016/j.nepr.2021.103077

Chua, J. Y. X., Ang, E., Lau, S. T. L., & Shorey, S. (2021). Effectiveness of simulation-based interventions at improving empathy among healthcare students: A systematic review and meta-analysis. Nurse Education Today104. doi: 10.1016/j.nedt.2021.105000

Martins, J. C. A., Baptista, R. C. N., Coutinho, V., Fernandes, M., & Fernandes, A. (2018). Simulation in nursing and midwifery education. Abgerufen am 15.12.2022 von WHO-EURO-2018-3296-43055-60253-eng.pdf

Nyström, S., Dahlberg, J., Edelbring, S., Hult, H., & Abrandt Dahlgren, M. (2016). Debriefing practices in interprofessional simulation with students: A sociomaterial perspective. BMC Medical Education, 16 (148). https://doi.org/10.1186/s12909-016-0666-5

Olbrich, C. (2023). Pflegekompetenz. Hogrefe Verlag.

Rappold, E., Juraszovich, B. (2019). Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich. Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Wien. Abgerufen am 15.12.2022 von Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich (sozialministerium.at)

Steinacker, A. C., Kreiss, V. & Herchet, D. (2022). Simulationsszenarien für Aus- und Weiterbildung in der Pflege. Springer Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64363-1

United Nations, Department of Economic and Social Affairs (2020). World Population Ageing 2019 (ST/ESA/SER.A/444). Abgerufen am 07.03.2023 von World Population Ageing 2019 (un.org)

Zur Person

Markus Lang, BSc MNurs (Hons), DGKP und Eva Schaller, BSc, MSc, DGKP

arbeiten beide nach langjähriger Berufspraxis in unterschiedlichen Settings derzeit als Hochschullektor*innen am Institut für Gesundheits- und Krankenpflege an der Fachhochschule JOANNEUM in Graz.

Kontaktmöglichkeiten:

E-Mail: markus.lang@fh-joanneum.at, Telefon: 0664/80453-8745

E-Mail: eva.schaller@fh-joanneum.at, Telefon: 0664/80453-8759

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