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Sieglind Holzner
Warum professionelle Wundversorgung in der Praxis so wichtig ist

Eine professionelle Wundversorgung stellt einen wesentlichen Faktor für die Heilung nicht nur akuter, traumatischer, sondern auch chronischer Wunden dar. Dabei ist es von wesentlicher Bedeutung nicht nur die Wunde per se, sondern den Menschen in seiner Gesamtheit zu sehen, ihre bzw. seine Bedürfnisse und Wünsche ernst zu nehmen und die Wundversorgung diesbezüglich zu gestalten. Neben der korrekten hygienischen Vorgangsweise, der Wundreinigung und der richtigen Wundauflage sind auch das richtige Verbandswechselintervall sowie die Kenntnis über zusätzlich bestehende Krankheitsbilder, den Ernährungszustand und Lebensalltag des betroffenen Menschen von großer Bedeutung, um im Besonderen chronische Wunden fachgerecht und professionell versorgen zu können.

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Als größtes Organ des menschlichen Körpers reagiert selbst intakte Haut äußerst sensibel auf Veränderungen der Umgebungsbedingungen. Das aus drei Schichten, der Epidermis, der Dermis und der Subcutis, bestehende Sinnesorgan hat eine Vielzahl an Funktionen. Da die Haut neben der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushalts und der Temperatur unter anderem auch als Schutzorgan gegen Kälte und Wärme und als Infektabwehr fungiert, ist für Pflegende die Aufrechterhaltung eines intakten Hautbildes von besonderer Bedeutung (Reibnitz & Skowronsky, 2018).

Grundlegend muss bei einem bestehenden Hautdefekt zwischen einer akuten und einer chronischen Wundsituation unterschieden werden. Während zu den akut auftretenden Wunden jene gezählt werden, die entweder durch ein Trauma, wie Sturz, Verbrennung, Schnitt etc. plötzlich auftreten und komplikationslos der Größe und Tiefe entsprechend rasch wieder abheilen, sind chronische Wunden, meist durch eine bestehende Grunderkrankung nicht nur aufwändiger in der Versorgung, sondern vor allem auch länger bestehend. Von einer chronischen Wunde wird dann gesprochen, wenn diese innerhalb von vier bis acht Wochen nicht abgeheilt ist. Jedoch werden Wunden auch dann als chronisch bezeichnet, wenn sie zwar frisch entstanden, jedoch aufgrund einer Grunderkrankung der betroffenen Person auftreten, wie z. B. bei einem diabetischen Fußulkus, bei Druckgeschwüren oder bei Ulcera aufgrund chronisch-venöser Insuffizienz und peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Hier ist eine frühzeitig stattfindende Evaluation der Ursache von großer Bedeutung (Dissemond et al., 2022).

So ist es notwendig, Betroffene mit Diabetes mellitus mittels ärztlicher Unterstützung gut einstellen zu lassen, Personen mit gefäßbedingten Problemen für einen Gefäßstatus gefäßchirurgisch vorzustellen und vorwiegend liegende und bettlägerige Menschen und deren Betreuende über die Wichtigkeit notwendiger Hilfsmittel bzw. die regelmäßige Um- und Freilagerung zu informieren und zu beraten. Eine adäquate Wundversorgung ist auch hier natürlich unabdingbar. Ohne jedoch die zugrunde liegende Erkrankung zu kennen und so miteinzubeziehen, wird das Abheilen einer bestehenden Wunde nicht nur unnötig in die Länge gezogen, sondern werden sowohl die Lebens- als auch die finanzielle Situation der betreffenden Person belastet (Nowak et al., 2021).

Auch hat die palliative Wundversorgung nicht immer vorrangig das Ziel der Wundheilung, sondern Lebensqualität,Schmerzreduktion, Exsudat- und Geruchsmanagement stehen im Vordergrund. Wunden bei lebensverkürzenden Erkrankungen bedürfen in besonderer Weise ein ganzheitliches Herangehen im multiprofessionellen Versorgungsteam. Bei übelriechenden, palliativen Wunden haben sich 15-minütige Nassphasen, die von den Betroffenen meist als kühlend, juckreiz- und schmerzlindernd erlebt werden sowie geruchsbindende kohlehaltige Auflagen (Sekundärverband) bewährt (Koumaki et al., 2023).

Die Auswahl des Primärverbands ist immer abhängig von der Exsudatmenge, der Tiefe, der Größe, der Lokalisation, etwaiger Kolonisation und/oder Infektion und Wundbeschaffenheit. Bis auf trockene Nekrosen, die immer trocken versorgt werden sollten, hat sich die feuchte Wundbehandlung bewährt. Ein feuchtes, nicht nasses, Wundmilieu unterstützt die natürliche Wundheilung des Körpers und führt zu einer kürzeren Wunddauer. Schorf, umgangssprachlich auch „Kruste“ genannt, ist demnach zu vermeiden, denn es kann darunter nicht eingesehen werden und somit keine Beurteilung erfolgen (Gräni & Läuchli, 2014).

Bereits die Abnahme des zu wechselnden Wundverbandes ist für die weitere Beurteilung von großer Bedeutung. Barysch-Wonderer und Läuchli (2018) erläutern, dass eine einheitliche Wundbeurteilung  wesentlich für die adäquate Therapie und somit auch für den Behandlungserfolg ist. Demnach wird die Beurteilung

  • der Exsudatmenge
  • der Wundgröße
  • des Wundstadiums bzw. der Wundfarbe
  • der Wundtiefe
  • der Wundumgebung
  • des Geruches
  • des Schmerzes

als essenziell für die lokale Therapie angesehen. Durch die Kontrolle der Exsudatmenge lässt sich das Stadium, in welcher sich die Wunde befindet, erkennen. Ein stark durchtränkter, nasser und schwerer Verband weisen einerseits auf die erste Phase der Wundheilung, der Exsudationsphase, hin Andererseits kann hier auch erkannt werden, dass das Verbandswechselintervall eventuell zu lange gewählt wurde. Diese erste Wundheilungsphase, die auch inflammatorische, Entzündungs- oder Reinigungsphase genannt wird, ist gekennzeichnet durch oft große Exsudatmengen, da der Körper Zelltrümmer, Bakterien und abgestorbenes Gewebe ausschwemmen möchte. Während bei einer akuten oder traumatischen Wunde diese erste Phase je nach Größe meist nur einige Tage andauert, kann eine chronische Wunde, deren zugrundeliegende Erkrankung (noch) nicht diagnostiziert und somit behandelt wird, auch wochenlang in dieser Phase verharren. In dieser Wundphase ist das Exsudatmanagement von größter Bedeutung. Das Intervall des Verbandwechsels muss sich an den Wundgegebenheiten orientieren. Meist ist hier eine tägliche Wundversorgung vonnöten. Liegt keine Kolonisation und/oder Infektion vor, kann hier mittels z. B. 0,9% NaCl eine 15-minütige Nassphase erfolgen. Auf diese Nassphase sollte eine zumindest 5–10-minütige Trockenphase anschließen. Nach Abtupfen der Wunde kann nun mittels steriler Kompresse die Wundbeurteilung vorgenommen werden (Barysch-Wonderer & Läuchli, 2018).

Auch ist in dieser Phase der Wundrand genau zu beobachten. Durch die Exsudatmenge mazeriert dieser rasch, hier ist im Bedarf ein adäquater Wundrandschutz zu empfehlen. Der ideale Wundrandschutz ist hypoallergen, ohne Duft- und Farbstoffe und leicht zu entfernen. Pasten sind hier als obsolet anzusehen, da die Entfernung nicht nur zeitaufwändig, sondern meist auch nicht ohne zusätzliche Traumata einhergeht.

Auch sind in der Exsudationsphase Schaumstoffe nicht zu empfehlen, da diese nicht für einen täglichen Wechsel konzipiert wurden und ihre Wirkung hierbei auch nicht entfalten können. Stark exsudierende, fibrinbelegte Wunden können zur Fibrinlösung als Primärverband mittels Alginatverbänden und als Sekundärverband mittels Superabsorbern versorgt werden. Alginat hat die Eigenschaft, Beläge lösen zu können. Dabei ist wichtig, dass das Alginat unter keinen Umständen über den Wundrand gelegt werden darf, da dieser sonst mazeriert (Stürmer & Dissemond, 2021).

Mit Abnahme der Exsudatmenge und einhergehender Säuberung der Wunde müssen die Wundsituation und das Verbandsmanagement neu beurteilt werden. In der sogenannten Granulationsphase beginnt der Körper, neue Zellen zu produzieren und die Exsudatmenge ist nur mehr mäßig. In dieser Phase können Schaumstoffverbände appliziert werden. Je nach Größe, Lokalisation und Tiefe (ab ca. 0,5cm mit einem Wundfüller) gibt es verschiedene Arten von Schaumstoffverbänden. Schaumstoffe mit Haftrand bewähren sich vor allem bei jenen Lokalisationen, wo eine Fixierung mittels Mullbinde nicht möglich ist (z. B. am Sacrum, Trochanter, Sitzbein, etc.). In der Praxis hat sich besonders bei Bein- und Fußulcera die Fixierung mittels Mullbinden bewährt, da Haftränder an der Wundumgebung oft zu zusätzlichen Irritationen führen. Das Wechselintervall kann in dieser Phase von täglich auf alle zwei bis drei Tage ausgeweitet werden.

Der Abschluss der Wundheilungsphasen erfolgt durch die Epithelisierungsphase. Gekennzeichnet durch eine meist zartrosa aussehende, dünne Hautschicht gilt es hier, diese zu schützen. Hydrokolloidverbände können in dieser Phase, die noch sehr dünne und empfindliche Haut unterstützen. Diese können bis zu sieben Tage belassen werden (Werra et al., 2023).

Abschließend kann an dieser Stelle noch gesagt werden, dass immer die jeweilige Wundsituation und -beschaffenheit die Vorgangsweise bestimmt. Bei Verschlechterung ist so schnell als möglich einzugreifen, um eine generalisierte Infektion zu vermeiden. Wundspüllösungen eignen sich zu längerfristigen Einsätzen, während Desinfektionsmittel kurzfristig und indikationsgerecht eingesetzt werden sollten. Bei Kolonisation und/oder Infektion der Wunde können maximal 14 Tage silberhaltige Produkte angewendet werden. Die Vielzahl der unterschiedlichen Verbandsstoffarten erfordern eine ausreichende Kenntnis der durchführenden Pflegekraft, um am Ende des Tages das gemeinsam mit der betroffenen Person angestrebte Ziel zu erreichen.

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Literatur

Barysch-Bonderer, M. & Läuchli, S. (2018). Aktuelle Therapie von chronischen Wunden – T.I.M.E. und andere Behandlungskonzepte. Ars Medici1+2, pp.54-60. Retrieved from: https://www.rosenfluh.ch/arsmedici-2018-01-02

Dissemond, J., Protz, K., Erfurt-Berge, C. et al. (2022). Wundbehandlung ohne kurative Zielsetzung: Ein Positionspapier der Initiative Chronische Wunden (ICW) e. V..Dermatologie 73, 550–555. doi: https://doi.org/10.1007/s00105-022-049

Gräni, N. &  Läuchli, S. (2014). Wundbehandlung – Update 2014. Schweizer Zeitschrift für Dermatologie Ästhetische Medizin, (2), 3-6. Retrieved from: https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/108898/1/Gräni%20NH%20et%20al.%20-%20SZD%202014.pdf

Koumaki, D., Kostakis, G., Boumpoucheropoulos, S., Ioannou, P., & Katoulis, A. C. (2023). A narrative review of management of wounds in palliative care setting. Annals of palliative medicine12(5), 1089–1105. doi: https://doi.org/10.21037/apm-23-138

Nowak, N. C., Menichella, D. M., Miller, R., & Paller, A. S. (2021). Cutaneous innervation in impaired diabetic wound healing. Translational research : the journal of laboratory and clinical medicine236, 87–108. doi: https://doi.org/10.1016/j.trsl.2021.05.003

Reibnitz, C. & Skowronsky, A. (2018). Wundversorgung von A – Z (1st ed.). Berlin [Heidelberg]: Springer.

Stürmer, K. & Dissemnond, J. (2021). Evidenz in der lokalen Therapie chronischer Wunden: Was ist gesichert?   Phlebologie 2022; 51: 79–87 https://www.safw.ch/images/pom/pom_2023_041.pdf

Wang, P. H., Huang, B. S., Horng, H. C., Yeh, C. C., & Chen, Y. J. (2018). Wound healing. Journal of the Chinese Medical Association : JCMA81(2), 94–101. https://doi.org/10.1016/j.jcma.2017.11.002

Werra, U., Beeser, F., Behrens, A., Kursch, F. & Dorweiler, B. (2023). HANDS ON: Wie finde ich die richtige Wundauflage? Eine Übersicht für die Praxis. doi: https://doi.org/10.1007/s00772-023-00982-w

Zur Person

Sieglind Holzner, MSc

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin

Wundmanagerin

Master of Science in Advanced Nursing Practice

Qualitätsmanagementbeauftragte für den Fachbereich Pflege.Betreuung.Beratung. – Hilfswerk Kärnten

Referentin am ÖGKV – Kongress 2024 in Villach

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