Die Sache mit dem geschriebenen Brief will man sich heute gar nicht mehr vorstellen, kann man auch gar nicht. Jedenfalls nicht als einzige Möglichkeit. Schreiben, Kuvert, Briefmarke, zur Post – und dann ein, zwei, drei Tage warten.
Vor zwanzig Jahren war die Mail eine Option, heute ist es die Ausnahme, dass etwas ohne geht.
Dann die Daten: alles per Klick, alles praktisch beisammen. Amtswege, Termine, Dokumente. Die Vorteile sind bombastisch, und wohl niemand wünscht sich Aktenordner & Co zurück. Ja, sicher, die Datenansammlungen sind auch eine Gefahr, man hört von Datenlecks, und jede*r hat irgendwo Dinge gespeichert, von denen er*sie nicht will, dass sie die halbe Welt erfreuen.
Da ist aber noch etwas, worüber man vergleichsweise wenig hört. Wie sieht es nämlich mit einer ganz bestimmten Generation und der Digitalisierung aus?
Man könnte lang und breit definieren, was unter Digitalisierung zu verstehen ist, und das könnte eine halbe Seite füllen. Um es also kurz zu machen: hier ist von dem die Rede, was nicht mehr physisch (im Sinne von am Papier vorhanden, tastbar, fühlbar, angreifbar, hin- und her transportierbar) geschieht. Wo also statt dem Brief die Mail, statt dem Erlagschein die Online-Überweisung ins Spiel kommt, statt Aktenreihen und Karteikästen der Ordner am PC oder die Datenbank.
Ebenso könnte man überlegen, wer denn die Generation ist, von der ich hier schreibe. Es gibt ja Versuche, etwas wie Altern kalendarisch (wann ist jemand geboren), biologisch (wie fit ist er*sie körperlich) oder nach unterschiedlichen Formen der Abhängigkeit von Hilfeleistungen oder vorliegenden Einschränkungen zu fassen.
Dann gibt es die Alternstheorien, und da wiederum Versuche, zu bestimmen, wie – sehr verkürzt – das Verhältnis von Menschen zu ihrer Umwelt aussieht und wie es aussehen sollte, damit etwas wie Selbstbestimmtheit möglich ist. (1)
Hier ist jene Generation gemeint, die sich schon in der Lebensmitte auf PC und Internet umstellen musste und das auch wunderbar geschafft hat. Und die jetzt mit mobilen Endgeräten und dem nächsten, großen Digitalisierungsschwung umgehen muss.
Nun ist die Begeisterung in Sachen Digitalisierung groß. Wie eingangs gesagt, will niemand ernsthaft zu Griffel und Schreibtafel oder zum Karteikasten zurück – wenn es auch wieder Begeisterung fürs Analoge gibt (Sax, 2017) und gerade das Berühren, das Vor-Augen-Haben, wieder attraktiv scheint.
Das Vorurteil, demgemäß die böse SMS, E-Mail, der böse Tweet oder die Messenger-Nachricht die Sprache nachhaltig verhunzen, muss man nicht teilen: seit es das alles gibt, schreiben auch (wieder) Menschen, die es sonst nie und nimmer getan hätten. Sie tun es nicht in Schulaufsatz-Form, das ist richtig, aber immerhin wird mehr geschrieben.
Nun halten aber die Apps Einzug, und auch das hat Vorteile (sofern man nichts dagegen hat, das einen Push-Nachrichten und andere Formen des Eingangssignals irgendwelcher Aktualisierungen halt andauernd an irgendwas erinnern, ähnlich sieht es mit den Updates aus).
Man muss nicht unbedingt fünfundneunzig sein, um zu bemerken, dass die Mobile Devices, wie sie so schön heißen, also alle mitnehmbaren Endgeräte á la Tablet oder Handy, einen ganz schön fordern. Die Symbole sind in der Standard-Einstellung winzig, und nicht alle lassen sich größer stellen. Die Oberflächen lassen den Stand-PC groß wie eine Kinoleinwand erscheinen, und manchmal ist die Rede von den „Jungen“, die nicht mehr wüssten, wie man eine Maus bedient.
Ich würde die Frage gerne auch umgekehrt stellen: was ist mit denen, die bei der Computerisierung schon nicht mehr jung waren? Menschen, die die Vorteile von PC und Internet durchaus sehen und auch gerne nutzen, die aber schon bei der Instandsetzung Hilfe benötigen. Da gibt es viele, und nachdem auch die Unterstützungsleistungen nicht mehr unbedingt so einfach zu kriegen sind, ist schon das nicht so einfach, wie es vielleicht klingt.
Aktuelles Beispiel eines großen Mobilfunk-Anbieters: Shop-Telefon gibt es keins, man kann also nicht direkt im Geschäft anrufen. Mailadresse: auch nicht so leicht zu finden, aber es wird schon irgendeine Service-App geben, oder eine Hotline. Ach ja, online-Terminbuchung gibt es auch.
Das ist vielleicht mühsam, aber vergleichsweise harmlos.
Wie ist es, wenn man online-Banking nicht mag, und vielleicht achtzig ist und die auf die App umstellen musste? Das Banking per Handy hat anfangs auch Menschen Bauchweh gemacht, die in diesen Dingen recht wendig sind.
Überhaupt: Online-Banking. Für die, die damit aufgewachsen sind, ist das im Grund alternativlos. Ich weiß aber von Menschen, die unbedingt per Erlagschein einzahlen möchten. Ja, theoretisch ist das möglich, teilweise wird es aber teurer. Es gibt dauernde Aufforderungen, doch bitte umzusteigen, und mit schließenden Bankfilialen und immer eingeschränkteren Öffnungszeiten wird es nochmal schwieriger.
Ein neues Handy (und man ist mittlerweile darauf angewiesen, eins zu haben) braucht Datentransfer vom einen zum anderen Gerät. Der Mobilfunkanbieter macht das. Zu einem Betrag, der für Pensionist*innen (und überhaupt) kein kleiner ist.
Office-Pakete für allerhand Endgeräte? Ja, das geht. Mit allerhand Jahresabos, die man übers Benutzerkonto verwalten muss.
Teilweise gibt es noch Alternativen (zum Beispiel für allesgurgelt.at, das ja Kamerazugriff und die eine oder andere digitale Fertigkeit braucht), teilweise gibt es sie schwer oder kaum.
Man kann da schon die Gefahr sehen, dass Ältere von den kleinen Bildschirmen und Symbolen, von blitzschnellen Touch-Modi, überhaupt vom dringend erforderlichen Rückgriff auf zig kleine Fertigkeiten im Handling des Digitalen einfach abgehängt werden.
Und das sogar ganz abgesehen davon, dass natürlich Selbstbedienungskassen, wenn sie verstärkt kommen, nicht nur Arbeitsplätze vernichten, sondern auch die direkte Kommunikation zwischen Menschen drastisch einschränken werden.
Kurz: es werden viele Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigt, die Digital Natives haben – weil sie nämlich damit aufgewachsen sind. Sie wissen, dass man manchmal einfach Herumprobieren muss, vor allem wissen sie, wie.
Dass die drei Striche auf einer Oberfläche fürs Menü stehen, das Zahnrad für die Einstellungen – alles klar. Das kam irgendwann, und wer da ausgestiegen ist, der traut sich nicht mehr so einfach zu, irgendwo draufzudrücken, weil er schon irgendwie wieder auf Home kommt – weil er oder sie gar nicht weiß, dass er oder sie dorthin muss.
Hätte man es nun allein mit Luxus-Dingern zu tun, mit etwas, das zwar angenehm ist, aber nicht unbedingt nötig – selbst dann wäre es schön, wenn auch Menschen mit geänderter Adaptionszeit (also der Zeit, die für die Verarbeitung von Neuem nötig ist, und das trifft eben auf Ältere besonders zu) darauf Zugriff hätten.
Darum geht es aber nicht einmal „nur“, sondern sehr oft geht es um ganz zentrale, unbedingt und alternativlos erforderliche Dinge wie Kommunikation, Service, wie Zahlung, wie Kontoüberblick, wie Amtswege oder Termine.
Schon im mittleren Lebensalter kann einen das ganz schön fordern, es kann einem sogar auf die Nerven gehen; vielleicht gibt es nicht jede und jeder zu.
Ältere könnten bald abgehängt sein.
(1) Vgl. eine ausführliche Aufstellung von Alternsformen bzw. Alter(n)stheorien in Matolycz, E. (2016). Pflege von alten Menschen. Wien: Springer, 2. Auflage, S. 13ff.
Matolycz, E. (2016). Pflege von alten Menschen. Wien: Springer, 2. Auflage, S. 13ff.
Sax, D. (2017). Die Rache des Analogen. Warum wir uns nach realen Dingen sehnen. Wien, Salzburg: Residenz Verlag GmbH.
Mag. Dr. Esther Matolycz
DGKS, Publizistin; Studium der Pädagogik mit Schwerpunkt Berufspädagogik des Gesundheitswesens, besondere Nähe zur Geriatrie.
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