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Dominik Fröhlich, Nicole Stimpfl
Von der Akademisierung bis zur Pflegelehre. Ist Pflegelehre ein Teil der Lösung?

Durch die Covid-19 Pandemie wurde der Personalmangel verstärkt, seitens der Politik ist die Pflegelehre ein möglicher Lösungsweg. Der Berufsverband ÖGKV sieht diesen Vorschlag äußerst kritisch. Ein internationaler Vergleich zeigt, dass die Akademisierung die Professionalität steigert. Infolge wird ein internationaler Vergleich und zukünftige weitere Spezialisierungen ermöglicht.

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Mit der GuKG Reform 2016 wurde ein Grundstein gelegt, in dem ein Bachelorabschluss in der Gesundheits- und Krankenpflege ermöglicht wurde. Im internationalen Vergleich hinkt Österreich in der Akademisierung der Pflege deutlich hinterher (Dieplinger, Nestler & Osterbrink, 2018). Durch die Covid-19 Pandemie wurde die Notwendigkeit von gut ausgebildetem Gesundheits- und Krankenpflegepersonal aufgezeigt. Eine steigende Multimorbidität und eine zunehmende Komplexität verlangt nach gut ausgebildetem Personal, welches nach evidenzbasiertem Wissen arbeiten kann (Weiß, 2021). Studien zeigen, dass der Anstieg von akademisierten Pflegepersonen die Mortalitätswahrscheinlichkeit von Patient*innen um 7% senkt. Es wird davon ausgegangen, dass bei einem Anteil von 60% akademisierter Pflegepersonen das Risiko um bis zu 30% reduziert werden kann (Pimpl, 2020). Weiters konnte in verschiedenen Best Practice-Projekten der Nutzen der Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an nicht-ärztliches Personal aufgezeigt werden. Dadurch könnte eine Erweiterung der Kompetenzen und Verantwortungsbereiche durch weitere Qualifikationen ermöglicht werden. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass die Tätigkeitsfelder je nach Spezialisierung sowie Fort- und Weiterbildungen erfolgreich erweitert wurden (Dieplinger, Nestler & Osterbrink, 2018).

Der ICN hat folgendes Kompetenzmodell entwickelt, um auf die verschiedenen Bildungsniveaus einzugehen. Als eine angepasste Variante für Österreich wäre folgende möglich (Pimpl, 2020):

  1. Support or assistive worker: Unterstützungskräfte, mit geringer oder keiner pflegerischen Ausbildung. Dieses Personal verrichtet einfache und vorausplanbare Tätigkeiten.
  2. Enrolled nurse, Registered Nurse Assistant, Licensed Practical Nurse: Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz.
  3. Registered/Licensed Nurse: GeneralistInnen der Gesundheits- und Krankenpflege (DGKP/BScN).
  4. Specialist Nurse: GeneralistInnen mit Spezialisierungen.
  5. Advanced Practice Nurse: erweiterte und vertiefte Handlungsfelder (MScN/PhD in Nursing).

Schon seit längerer Zeit gibt es in Österreich eine öffentliche Diskussion über die Pflegelehre. Doch ist die Pflegelehre tatsächlich Teil der Lösung?

Der größte unabhängige Berufsverband für die Gesundheits- und Krankenpflegepersonen – der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverband – sieht dies kritisch. Da unter anderem die Qualität durch eine duale Ausbildung nicht garantiert ist, weil die verpflichtenden Praktika im 17. Lebensjahr durchgeführt werden können. Zusätzlich würde eine Einführung die Situation der unbesetzten Lehrstellen verschärfen. Für die Rekrutierung gibt es ein etabliertes System im Sekundarbereich, der berufsbildenden mittleren Schulen. Des Weiteren fehlt das nötige Lehrpersonal und bestehendes Personal müsste in den Bund überführt werden. Zu erwähnen ist, dass Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege sich bestens bewährt haben und die Studiengänge bestens ins Ausbildungssystem implementiert wurden. Es benötigt eine Stärkung des bestehenden Systems, um eine Durchlässigkeit von der Pflegeassistenz bis zum Doktorat zu gewährleisten (ÖGKV, 2020).

Die Gesundheits- und Krankenpflege ist der Dreh- und Angelpunkt im Gesundheitswesen. Von der Geburt bis hin zum Tod begleiten Pflegepersonen Patient*innen und Angehörige in Ausnahmesituationen (Archan et al., 2021). Dafür bedarf es, neben der fachlichen, auch einer hohen sozialen und persönlichen Kompetenz, welche in jungem Alter nicht als Voraussetzung gesehen werden kann. Besonders in der Schweiz wurde sichtbar, dass die Einführung der Pflegelehre (FaGe-Ausbildung) zwar 4500 Pflegelehr-Abschlüsse beinhaltete, jedoch eine Drop-Out Quote zwischen 50 und 60 Prozent nach sich zog (ÖGKV, 2020).

Mit den drei aktuell bestehenden Ausbildungsschienen für Pflegeassistenz (PA), Pflegefachassistenz (PFA) sowie dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege wurde der undurchsichtigen Ausbildungslandschaft in der Pflege ein transparentes und durchgängiges System entgegengesetzt. Diese Optionen bieten ausreichend, Möglichkeiten im Pflegeberuf Fuß zu fassen, sowohl auf akademischem als auch auf nicht akademischem Niveau. Eine weitere, vierte Ausbildungsschiene würde diese klaren Strukturen erneut destabilisieren und für Unklarheit im Pflegealltag sorgen.

Der ÖGKV fordert in seinem 10 Punkte Plan folgende Gegenmaßnahmen (ÖGK, 2021):

  1. Ausbau der FH Studienplätze in ganz Österreich
  2. Berufsbegleitende Ausbildungsformen schaffen
  3. Die Weiterführung und Stärkung der BMS/BHS Modelle sind der Pflegelehre vorzuziehen (Stichwort: Ausbildungsdschungel, wofür ohnehin das Lehrpersonal fehlt)
  4. Finanzierung des Masterstudium für Lehraufgaben (derzeit privat finanziert)
  5. Praxisanleiter*innen brauchen Ressourcen (Ausbildung, Zeit, Honorierung)
  6. Patient*innenferne Übungsplätze schaffen (Dritter Lernort, Skills Labs) zur Entlastung der Praxis und zur Professionalisierung der praktischen Ausbildung
  7. Durchgängigkeit der Ausbildungsniveaus – von der Pflegeassistenz bis zum Doktorat
  8. Ausbildungsfinanzierung und Abschaffung der Studiengebühren in allen Ausbildungsniveaus, orientiert an der Höhe der Polizeiausbildung, damit der Lebensunterhalt gesichert ist.
  9. Gratis Klimaticket/Öffi-Ticket für Auszubildende
  10. Ausarbeitung und Umsetzung der Weiterbildungsverordnung (Spezialisierung)

 

Nützen wir die vorhandenen Strukturen und ermöglichen Menschen, in diese einzusteigen. Eine Pflegelehre kann aus unserer Sicht kein Teil der Lösung sein.

Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband JUNGE PFLEGE (Dominik Fröhlich, Nicole Stimpfl)

 

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Literatur

Archan T., Kadric I., Windhaber T., Zwischenberger M. (2021). Pflegende – die systemrelevanten Pilot*innen im Gesundheitswesen, ÖPZ, 2/2021, 8-11.

Dieplinger A., Nestler N., Osterbrink J. (2018). Was auf Österreich zukommt. Procare, 18(5), 32-35.

ÖGKV. (2020). Stellungnahme des ÖGKV zum Thema Pflegelehre. Abgerufen am 15.01.21 von https://www.oegkv.at/landesverbaende/wien/aktuelles/eintrag/stellungnahme-des-oegkv-zum-thema-pflegelehre/

ÖGKV. (2020). Pressemeldung – Faktenckeck Pflegelehere: Was über das „Schweizer Modell“ nicht gesagt wurde. Abgerufen am 03.01.2022 von https://www.oegkv.at/presse/oegkv-pressemeldungen-prm/

Pimpl S. (2020). Der positive Einfluss der Akademisierung des Pflegeberufs auf das PatientInnen Outcome. Eine Literaturrecherche zur Thematik des Pflegeberufs. Innsbruck: FHG Innsbruck.

Weiß C. (2021). Pflegen kann nicht jeder. Abgerufen am 24.12.21 von https://www.fh-krems.ac.at/fachhochschule/medienportal/presse/pflegen-kann-nicht-jeder-2021-12-09/#pressemitteilungen

Zur Person

Dominik Fröhlich, DGKP

Vorsitzender ÖGKV Bundesarbeitsgemeinschaft Junge Pflege

Kontaktdaten:

E-Mail: dominik.a.froehlich@hotmail.com

Nicole Stimpfl, DGKP

Akademisch geprüfte Expertin für Intensivpflege und Pflege bei Nierenersatztherapie

Stv. Landesvorsitzende ARGE Junge Pflege Tirol, Vorstandsmitglied ÖGKV Bundesarbeitsgemeinschaft Junge Pflege

Kontaktdaten:

E- Mail: nicole-stimpfl@outlook.com

Beschreibung ÖGKV Bundesarbeitsgemeinschaft Junge Pflege:

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Junge Pflege sieht sich innerhalb und außerhalb des ÖGKV als Interessenvertretung für folgende Zielgruppen:

  • Pflegepersonen in allen Pflegeausbildungen
  • Pflegepersonen nach Berufseintritt bis zu maximal 10 Berufsjahren (ab Abschluss der Ausbildung)

Die Junge Pflege bietet als neue bundesweite Arbeitsgruppe einen Ansatz zur nachhaltigen und zukunftsorientierten Gestaltung des ÖGKV. Sie will zum einem das berufspolitische Grundverständnis bei jungen Pflegepersonen schaffen und zum anderen als Sprachrohr für junge Pflegepersonen agieren.

 

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