„Es bedeutet nicht so viel, wie man geboren wurde. Es hat aber unendlich viel zu bedeuten, wie man stirbt“ (Sören Kierkegaard).
Jeder Mensch hat eine bestimmte Vorstellung davon, was gutes Sterben bedeutet. Einige wünschen sich prompt aus dem Leben gerissen zu werden oder sanft im Schlaf zu sterben und andere würden sich für ein langsames Abschiednehmen entscheiden, hätten sie die Wahl (Jakoby, 2016)
Fässler-Weibel (2009) ist der Meinung, dass Sterben eine Interaktion mit der Umwelt ist und dass die Entwicklung unterschiedlicher Erlebnisweisen davon abhängt. Keiner stirbt nach einem bestimmten Modell, sondern „Jeder stirbt seinen eigenen Tod“. Wichtig ist, dass die Chance genutzt wird, um in dieser Wahrheit zu lesen und so den Patienten bzw. die Patientin und seinen bzw. ihren Angehörigen die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Durch genaues Hinhören können die Bedürfnisse der Betroffenen verstanden werden. Die Kommunikation mit Sterbenden erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und oft ist es selbst für Erfahrene, die das soziale Umfeld sowie die interfamiliäre Situation nicht kennen, eine Herausforderung.
Begleitung und Bedürfnisse
„Am Ende kommt es nicht darauf an, was man hat, sondern wen man hat.“ (Cicely Saunders)
Husebø und Mathis (2017) erläutern Gespräche am Lebensende. Hier wird verdeutlicht, wie wichtig das Reden über das Sterben ist und welche Wünsche der Betroffene bezüglich seiner Endlichkeit hat. Patientinnen und Patienten erhalten oft zu spät die Möglichkeit über den Wunsch, wie und wo sie sterben möchten, zu sprechen.
Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen, haben unterschiedliche Bedürfnisse. Es ist wichtig diese unter Berücksichtigung ihrer Prioritäten zu erfassen und bestmöglich zu berücksichtigen.
Es kann sich dabei um Alltagsbedürfnisse, wie ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, ein erhöhtes Ruhebedürfnis oder Schmerzfreiheit handeln. Sterbende Menschen haben oft eine ausgeprägte Sinneswahrnehmung. Die Zuwendung über die Haut ist für viele wichtig, sollte aber ganz bewusst gewählt und vorab angekündigt werden. Für viele hat es Priorität, menschliche Zuwendung genießen zu können, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, letzte Dinge zu regeln oder Rituale, unter Berücksichtigung der individuellen Spiritualität, einhalten zu können (Nagele & Feichtner, 2005)
Die individuellen Wünsche der Patientinnen und Patienten haben in Hospizen und auf Palliativstationen oberste Priorität und die Betroffenen entscheiden was und vor allem auch wann etwas geschieht (Nagele & Feichtner, 2005)
„Du bist wichtig, weil du DU bist. Du bist bis zum letzten Augenblick deines Lebens wichtig und wir werden alles tun, damit du nicht nur in Frieden sterben, sondern auch leben kannst bis zuletzt.“ (Cicely Saunders)
Ein Einblick
Schon beim Erstkontakt mit Frau R. wurde klar, dass es die ein oder andere Herausforderung in der Begleitung und Betreuung geben wird. Frau R. kann ihren Willen und ihre Bedürfnisse eindeutig benennen. Eigentlich, so finden wir, sehr entgegenkommend, da wir auch viele Bewohnerinnen und Bewohner betreuen, welche „nicht lästig“ wirken wollen oder sich einfach mit den Gegebenheiten zufriedengeben und daher selten Wünsche oder Bedürfnisse äußern. Einen Tag vor der Übernahme ins Hospiz besuche ich Frau R. auf der Palliativstation und bespreche alles Notwendige für den bevorstehenden Umzug. Es beschäftigen sie viele Fragen. Ich erkundige mich, was sie für einen guten Start im Hospiz brauchen würde, und erhalte folgende Antwort: „Ein gemeinsames Glas Prosecco wäre fein, denn diesen habe ich immer gerne getrunken“. Ich erzähle ihr, dass tatsächlich eine Flasche Rosé Prosecco in unserem Kühlschrank steht und nur darauf wartet getrunken zu werden. Freudestrahlend verabschiedet mich Frau R. Am nächsten Tag kommt sie ins stationäre Hospiz zur Aufnahme. Sie strahlt, freut sich auf ihr Zimmer „Am Berg“, welches durch eine markante Fototapete zum gedanklichen Abschweifen einlädt. Nach einer Phase des Ankommens lassen wir die Korken knallen und stoßen gemeinsam mit den diensthabenden Pflegekräften an. Frau R. meinte, dass dies ein sehr guter Start für sie war. In den kommenden Wochen lernen wir sie immer besser kennen. Ihr Aussehen ist ihr besonders wichtig und so können bis zu zwei Stunden bei der Unterstützung der Körperpflege vergehen. Alle Pflegeprodukte haben ihren Platz und werden in der gewohnten Reihenfolge verwendet. Untertags möchte Frau R. nur ein Seidennegligé tragen, damit sie die „Wärme und Schwere“ ertragen kann. Unser einziger männlicher Pflegemitarbeiter scherzte einmal bei einer Besprechung: „So gut habe ich noch nie gerochen“. Da die wohlriechenden Düfte von den Pflegeprodukten an ihm hafteten. Frau R. will ihr Frühstücksei auf die Minute perfekt gekocht, ausschließlich ein getoastetes Brot, eisgekühlte Getränke, den Himbeersaft süß und eiskalt im Rotweinglas serviert. Mittags möchte Frau R. ihre Suppe mit Schnittlauch aus dem Hospizgarten verfeinert. Diese genannten Bedürfnisse sind die einzigen die sie noch selbst bestimmen kann. Frau R. wirkt in ihrem Ton manchmal fordernd, aber dennoch höflich. Sie drückt sich gewählt aus und äußert ganz klar, was sie möchte oder nicht möchte. Der Besuch des Hospiz-Hundes „Toffee“ bereitet ihr immer Freude. Die Nachmittage verbringt sie mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern auf der Hospizterrasse, liegend bzw. sitzend im Pflegebett. Sie mag es mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern Essen zu bestellen oder kurze Ausflüge zu machen. Als Frau R. noch mobil war, war sie mit einem anderen Hospizbewohner zum „Ripperl“ Essen unterwegs. Friseurbesuche und Besuche des mobilen Nagelstudios sind von hoher Bedeutung für sie. Auch hier sagt sie ganz klar was sie möchte…
Warum beschreibe ich dies in aller Ausführlichkeit? Ich möchte aufzeigen, dass Bewohnerinnen wie Frau R. keine Ausnahme sind, wenn auch nicht die Regel. Aber ich möchte aufzeigen, dass vor allem im Hospiz auf Bedürfnisse eingegangen werden kann. Ob es ein Entspannungsbad am Abend, das Rosenöl als Waschzusatz, der laufende Fernseher oder die streunende Katze als nächtlicher Besucher im Pflegebett ist: vieles ist im Hospiz möglich und darf Platz haben.
Die Kernfrage an unsere Bewohnerinnen und Bewohner ist:
„Was müssen wir von Ihnen wissen, damit wir Sie gut betreuen und begleiten können“?
Die Autonomie bis zum Schluss ist oberstes Kriterium in der Betreuung. Wenn die Krankheit zunehmend die Lebensqualität beeinträchtigt und das Lebenselixier kontinuierlich weniger wird, so können wir mit vermeintlichen Kleinigkeiten Gewohntes oder Gewünschtes ausgleichen.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass gerade im Hospiz- und Palliativwesen eine bedürfnisorientierte Betreuung unumgänglich ist. Hier gibt es, wenn auch nicht immer, die notwendigen Zeitressourcen. An der gemeinsamen Haltung bezüglich der Autonomie des Menschen und des Hospiz- und Palliativgedankens muss im Team kontinuierlich gearbeitet werden. Auch die persönlichen Vorstellungen vom Sterben, der uns Anvertrauten, haben Platz und wird von allen respektiert.
Jakoby, B. (2016). Damit der Tod als Freund kommt. Wie wir im Sterben Gelassenheit und Frieden finden. Nymphenburger Verlagsbuchhandlung: München.
Fässler-Weibel, P. (2009). Nahe sein in schwerer Zeit. Zur Begleitung von Angehörigen Sterbender.Topos plus Verlagsgemeinschaft: Kevelaer.
Husebø, S. & Mathis, G. (2017). Palliativmedizin. Springer Verlag: Berlin-Heidelberg.
Nagele, S. & Feichtner, A. (2005). Lehrbuch der Palliativpflege. Facultas: Wien.
Ich habe nach dem Gesundheits- und Krankenpflegediplom eine Ausbildung als akademische Pflegeexpertin in Palliative Care an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg absolviert. Meine wertvolle Berufserfahrung konnte ich auf einer onkologischen Abteilung, in der Hauskrankenpflege, in einem stationären Hospiz, in einem mobilen Palliativteam und zuletzt im Palliativ-Konsiliardienst sammeln.
Im Oktober 2021 wurde ich mit der Hospizleitung des St. Barbara Hospiz Ried im Innkreis betraut. Die Herausforderung, ein so wichtiges Pionierprojekt leiten zu dürfen, bereitet mir große Freude. Anfang Februar öffneten unsere Türen und seither dürfen wir, in den ehemaligen Räumlichkeiten des Konvents, eine Lebensstätte für unheilbar kranke Menschen gestalten und betreuen. Das gesamte Team ist motiviert und engagiert unsere Bewohner und deren An- und Zugehörigen mit ihrer fachlichen Expertise, ihrer Menschlichkeit und Herzlichkeit zu begleiten.
DGKP Nadine Guntner
Hospizleitung
Akademische Expertin in Palliative Care
St. Barbara Hospiz
Schloßberg 1, 4910 Ried im Innkreis
M: nadine.guntner@barbara-hospiz.at
T: 07752- 602- 1160
F: 07752/602-95160
M: +43 664 88541569
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