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Petra Berger, Monika Reiter
Viele Wege führen in die Pflege

Als mich das Magazin pflegenetz um einen Beitrag zum Thema Ausbildungen in der Pflege bat, wusste ich, dass dies eine Thematik ist, die viele unterschiedliche Meinungen zu diversen Kompetenzstufen in der Pflege auftut. Neben einer Darstellung der aktuellen Pflegeausbildungen nach dem Gesundheitsheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) und der aktuellen Situation in der Pflege, ist es mir ein besonderes Anliegen, ein Augenmerk auf den §44 GuKG zu werfen, und die Notwendigkeit zu betonen, diesen, neben der tertiären Ausbildung zum gehobenen Dienst an den Fachhochschulen, auch nach 2023 beizubehalten.

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Betrachtet man aktuelle Zahlen an potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern an unserer Schule für Gesundheits- und Krankenpflege (GUKP), so zeigt sich, dass neben stagnierenden Zahlen für die Pflegeassistenzberufe, die Nachfrage nach der verkürzten Ausbildung von der Pflegeassistenz zum gehobenen Dienst (§44 GuKG) in den letzten Jahren enorm hoch ist. Dass diese Möglichkeit 2024 nicht mehr gegeben sein soll, führt zu großer Enttäuschung und großem Unverständnis von Seiten engagierter Bewerberinnen und Bewerbern sowie Pflegeeinrichtungen.

Im Rahmen der Erstellung dieses Artikels bat ich meine Kollegin Frau Reiter Monika, MBA, welche sowohl auf sekundärem als auch tertiärem Niveau in Ausbildungen zum gehobenen Dienst GUKP unterrichtet, nach anregender Diskussion um ihr Statement, welches ich in allen Punkten unterstreichen möchte:

Aktuell wird medial viel über Pflege- und Betreuungsberufe berichtet. Der Anlass ist ein trauriger und besorgniserregender. Bereits im November 2019 bezifferte die GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) in der Studie „Pflegepersonal-Bedarfsprognose für Österreich“ die Gesamtsumme der zusätzlich benötigten Personen in der Pflege in Österreich im Zeitraum von 2017 bis 2030 mit rund 76.000. Diese Zahl ergibt sich aus dem Zusatzbedarf aufgrund der demografischen Entwicklung und dem Ersatzbedarf durch Pensionierungen.

Bereits vor der COVID-19-Pandemie war also klar, dass es dringend erforderlich ist, Maßnahmen zu setzen, die die Aufrechterhaltung der pflegerischen Grundversorgung sicherstellen. Durch die zusätzliche Belastung in den Pflegeberufen hat sich die Situation weiter zugespitzt.

Die mediale Präsenz der Pflegeberufe hat aufgezeigt, dass diese Berufe herausfordernd sind und neben einer fundierten, qualitativ hochwertigen Ausbildung, eine hohe physische und psychische Belastbarkeit für die Arbeit in Pflegeberufen erforderlich ist.

Der Weg in die Pflegeassistenzberufe wurde für junge Menschen bereits erleichtert. Bestehende Schulversuche, die einen Abschluss als Pflegefachassistenz bzw. Pflegeassistenz an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ermöglichen, werden ins Regelschulwesen übernommen.

Die angekündigte Pflegereform beinhaltete aber auch, dass die Durchlässigkeit erhöht werden soll. Es wird ein bedingter Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsleben versprochen. Das bedeutet, dass Menschen, die bereits in der Pflege arbeiten, zukünftig in der Arbeitszeit weiterführende und/oder kompetenzerweiternde Ausbildungen absolvieren können werden.

Derzeit besteht für Pflegeassistentinnen bzw. Pflegeassistenten, mit zwei Jahren Berufserfahrung, die Möglichkeit die verkürzte Ausbildung zum gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege zu machen. Diese Durchgängigkeit gibt es aber nur mehr bis 31.12.2023. Ab 01.01.2024 können Ausbildungen zum gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege laut GuKG ausschließlich an Fachhochschulen absolviert werden. Die Möglichkeit der tertiären Ausbildung in der Pflege ist ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung der Pflegeberufe. Immer mehr Menschen in komplexen Versorgungslagen benötigen pflegerische Unterstützung. Hier tragen wissenschaftlich qualifizierte Pflegekräfte entscheidend zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung der Betroffenen bei. Zur Sicherung der Versorgung von Pflegebedürftigen in allen Settings der Pflege wird es aber auch zukünftig ein Miteinander verschiedener Pflegeberufe benötigen.

Erfahrene Pflegepersonen, die sich weiterqualifizieren wollen, sind eine wertvolle Ressource. Diesen Personen muss es auch in Zukunft möglich sein, sich mit einem vertretbaren Einsatz höher zu qualifizieren. Daher sollte der Zugang zur Weiterqualifizierung in den gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege für Pflegeassistenzberufe auch weiterhin ohne Hochschulreife möglich sein, wie derzeit laut §44 GuKG. Zur Motivation, sich im Sinne der Karriereentwicklung weiter zu qualifizieren, würde auch eine Entlohnung während der Ausbildung beitragen. Dieses Modell ist in anderen Sparten (Bruttogehalt in der Polizeigrundausbildung: 1. Ausbildungsjahr: € 1820, 2. Ausbildungsjahr: € 2440 [https://aufnahme-polizei.at/dienstgrade/]) bereits Standard. Das kann auch zu einer Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs für Quer- und Wiedereinsteigende führen.

Im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz ist laut § 117 Abs 27 eine „Notbremse“ zum Auslaufen der Sekundarausbildungen an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen (GuK-Schulen) vorhanden. So kann das Gesundheitsministerium (BMASGK) durch Verordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung einen späteren Zeitpunkt für das endgültige Ende der Ausbildungen zum gehobenen Dienst in der Gesundheits- und Krankenpflege an klassischen GuK-Schulen bestimmen. Das ist möglich, wenn die Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege durch Bachelorstudiengänge an Fachhochschulen noch nicht bedarfsdeckend sichergestellt ist. Das ist zwar aus jetziger Sicht bereits absehbar, allerdings werden die Evaluierungsergebnisse der laufenden Evaluierungsstudie zur GuKG-Novelle 2016 (die im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz seitens der Gesundheit Österreich GmbH seit 2017 durchgeführt wird) erst Ende 2023 abgeschlossen sein.

Unabhängig von den evidenzbasierten Ergebnissen, die diese Studie aufzeigen wird, sollte die erneute Diskussion zu grundsätzlichen Möglichkeiten der Ausbildungszugänge in der Pflege wieder aufgenommen werden. Aussagekräftige und zukunftsweisende Maßnahmen für alle drei Pflegeberufe (Gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege, Pflegefachassistenz und Pflegeassistenz) sollten geliefert und im Zuge des Pflegereformpakets umgesetzt werden.

Am Beispiel der Pflegeausbildungen in der Schweiz zeigt sich, dass eine qualitativ hochwertige pflegerische Versorgung, durch einen sehr breiten Zugang zu Pflegeausbildungen, ein Erfolgsmodell sein kann (siehe Abbildung). In Anbetracht der geburtenschwachen Jahrgänge, die in den nächsten Jahren am Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden, sollten auch weiterhin niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten die Zielgruppe für potenzielle Pflegepersonen erhöhen.“

Abb. 1: Schweizer Ausbildungswege in die Pflege (https://pflege-berufe.ch/ausbildung-weiterbildung)

„Es bestehen bereits Weiterbildungsmöglichkeiten durch die Anerkennung (Validierung) von informell und nonformal erworbenen Kompetenzen laut Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung (PA-PFA-AV) § 13. Diese Möglichkeit der Validierung kann aber noch nicht genutzt werden, da das dafür erforderliche Validierungsverfahren noch nicht fertiggestellt wurde.

Neben der Qualifizierung von Pflegekräften, die erst mittelfristig Entlastung für den Pflegebereich bringen wird, gibt es bereits jetzt zahlreiche Entlastungsmöglichkeiten, die Pflegekräften mehr Zeit bringt ihren pflegerischen Aufgaben nachzugehen. Der Einsatz der vorhandenen Pflegekräfte entsprechend deren Qualifikationen und Kompetenzen, kann durch die Abgabe von Tätigkeiten, die nicht pflegespezifisch sind, wie das Servieren der Mahlzeiten, das Beziehen von Betten usw. an Unterstützungs­personal verbessert werden. Die Implementierung von Überwachungs-, Hebe- und Begleitrobotern oder der Einsatz weiterer Technologien wie autarke Smart Homes, Sensoren zur Überwachung von Vitalzeichen bieten auch Entlastungsmöglichkeiten, wenn diese gut begleitet installiert werden. Um den Verbleib der ausgebildeten Pflegekräfte im Pflegeberuf zu erhöhen, sind also auch die Trägerschaften gefordert. Die Rahmenbedingungen in den Einrichtungen müssen rasch und nachhaltig verändert werden. Dazu gehört, neben den schon erwähnten Maßnahmen, auch die Anpassung der Personalschlüssel, der sich an den zu erbringenden Leistungen orientiert, realistische Ausfallszeiten berücksichtigt und in der Praxis entsprechende Anwendung findet. Der Mindest­pflegepersonalschlüssel muss richtig interpretiert werden. Bisher wird der Mindestschlüssel von den Trägern als Maximalschlüssel gesehen. Das hat schon vor der COVID-19-Pandemie dazu geführt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Planungssicherheit hatten.

Die Erschöpfung der Pflegepersonen hat sich durch die zusätzliche Belastung verstärkt. Die Anzahl der Berufsaussteigerinnen und Aussteiger wird täglich mehr und die menschenwürdige Versorgung der Pflege­bedürftigen wird für die verbleibenden Pflegepersonen  noch weniger bewältigbar. Niederschwellige Angebote, die die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegebereich fördern, sind noch kaum vorhanden. Die verpflichtende Teilnahme an regelmäßigen Coachings oder Supervisionen, wie in anderen Berufen, sollte auch für Pflegeberufe angedacht werden.

Die angekündigte Pflegereform besteht bisher aus Schlagworten, wie z. B. Durchgängigkeit in der Pflegeausbildung schaffen, die Attraktivität der Pflegeberufe erhöhen, lebensphasengerechte Arbeitsplätze anbieten oder Karrieremodelle in der Pflege anbieten.

Es ist Eile geboten, sicht- und spürbare Schritte in die richtige Richtung zu setzen. Parallel dazu braucht es die Entwicklung zukunftsorientierter Strategien zur Stabilisierung und nachhaltigen Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheits- und Sozialsystems.“

Was wir mit unseren Worten ausdrücken wollen, ist, dass es nicht an der Zeit ist, Ausbildungsformen in der Pflege zu streichen, sondern dass es ein Miteinander von allen Aus- und Weiterbildungsvarianten und Ausbildungsstätten geben muss, um eine qualitativ hochwertige Pflegeausbildung in den unterschiedlichsten Kompetenzstufen zu gewährleisten und die Attraktivität des Pflegeberufs wieder zu heben.

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Literatur

https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxeAbfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20009672

https://www.oesterreich.gv.at/themen/dokumente_und_recht/buergerservice_rechtsauskuenfte/2/Seite.9805003.html

https://www.sozialministerium.at/Themen/Pflege/Pflegereform/Arbeit-in-der-Pflege.html

https://ooe.arbeiterkammer.at/service/presse/Land_Oberoesterreich_laesst_Heim-Pflegekraefte_haengen.html

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00208/index.shtml

https://pflege-berufe.ch/ausbildung-weiterbildunghttps://www.odasante.ch/gesundheitsberufe/bildungssystematik/

Zur Person

Petra Berger, MHPE,

Direktorin, Schule für Gesundheits- und Krankheitspflege, BFI OÖ

Monika Reiter, MBA,

Stellvertretende Direktorin, Schule für Gesundheits- und Krankheitspflege, BFI OÖ

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