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Jana Bockholdt
Ich schwöre bei Gott einen reinen Eid - Pflegesachverständige in Österreich

„Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, einen reinen Eid, dass ich die Gegenstände eines Augenscheins sorgfältig untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig angeben und den Befund und mein Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der Wissenschaft (der Kunst, des Gewerbes) angeben werde; so wahr mir Gott helfe!“[1]

Diesen Eid legen alle allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, unabhängig von ihrem Fachgebiet, ab bevor sie ihre Gutachtertätigkeit aufnehmen.

 

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Was sind allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige?

Zunächst muss klargestellt werden, dass allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige in der Pflege nicht zu verwechseln sind mit „Pflegegeldgutachter*innen“, die den Pflege- und Betreuungsaufwand von Menschen im Rahmen des österreichischen Pflegegeldsystems in die Pflegegeldstufen 1-7 feststellen.

Gerichtssachverständige sind Experten in ihrem Fachbereich, müssen ein Zertifizierungsverfahren nach dem Sachverständigen – und Dolmetschergesetz durchlaufen und Kenntnisse in der Verfahrenskunde und der Gutachtenerstellung nachweisen.

Sie sind eine wichtige Säule im Funktionieren der Rechtspflege in Österreich. Mit ihrer Expertise unterstützen sie Richter und Gerichte in der Meinungsbildung und im Finden von Urteilen. Dabei vertraut das System darauf, dass Sachverständige, die ihrer Tätigkeit zu Grunde liegenden Standesregeln jederzeit und zwingend einhalten. Die Standesregeln sind auf der Website des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen. Folgende Regeln finden sich unter anderem darunter:

  • Die Ehre und das Ansehen des eigenen Berufsstandes müssen vom Sachverständigen gewahrt werden.
  • Standeswidrig sind Teilnahmen an bedenklichen, gesetz- oder sittenwidrigen Geschäften
  • Bestechlichkeit, die die Objektivität schmälern würden, sind im Rahmen von Gutachten Erstellungen standeswidrig
  • Schilderungen im Rahmen der Gutachtens Erstellungen müssen objektiv und sachlich erfolgen. Zudem dürfen sie nur den eigenen (zertifizierten) Bereich umfassen.
  • Jede Bezugnahme auf andere Sachverständige und deren Leistungen ist untersagt
  • Es gibt eine Verpflichtung zu ständiger Fort- und Weiterbildung.

 In Österreich gibt es über 200 verschieden Fachgebiete, die in mehr als 50 Fachgruppen gegliedert sind, dazu gehören unter anderem Immobilien, Bauwesen, Informationstechnik, Verkehr, Medizin und Gesundheit. In der Fachgruppe Gesundheit findet sich die Gesundheits- und Krankenpflege.

Was tun Pflegesachverständige oder wie es richtig heißt, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für den Fachbereich Gesundheits- und Krankenpflege?

Zumeist bekommen Pflegesachverständige von einem Gericht einen Beschluss, im dem die oder der Sachverständige bestellt wird, ein Gutachten zu bestimmten Fragestellungen zu erstellen. Diese können je nach Fachgebiet in der Krankenpflege zu Abläufen, Prozessen, Organisationen, Pflegezuständen, Betreuungserfordernissen, Managementthemen, Pflegedokumentationen, Operationen, Aufenthalten in Intensivstationen und deren Folgen, zu Pflegefehlern, zum Pflegebedarf, zu Aufenthaltsorten und Wohnformen, Taxierung von Schadenshöhen etc. haben. Jedenfalls ist bei einem Gerichtsbeschluss ein laufendes Verfahren anhängig für das ein Gutachten durch Pflegesachverständige erstellt werden soll. Der Gerichtsbeschluss enthält konkrete Fragestellungen, zu denen im Gutachten Stellung genommen werden muss. Die Gutachten unterliegen dabei einer bestimmten Systematik, die sich in eine Befundaufnahme, das Gutachten an sich sowie eine Zusammenfassung gliedert. Die Befundaufnahme enthält wesentliche gesammelte objektive, wertfreie Fakten. Das können unter anderem Vorortbesuche, persönliche Gespräche, Telefonate, Aktenstudium, Dokumentensichtungen, Beobachtungen sowie Recherchen sein. Die Befundaufnahme dient dazu alle Daten und Fakten zu sammeln, die es ermöglichen, ein fach- und sachgerechtes Gutachten zu erstellen. Das Gutachten an sich enthält dann die nachvollziehbare, schlüssige und von aktuellem Fachexpert*innenwissen geleitete jedoch für Laien verständliche Beantwortung der dem Gerichtsbeschluss zugrunde liegenden Fragestellungen. In den überwiegenden Fällen, wird damit die Arbeit der Gutachtenden beendet sein, selten ist es erforderlich, das Gutachten vor Gericht zu erläutern bzw. für weiterführende Fragen zur Verfügung zu stehen. Ein mittels Gerichtsbeschlusses bestelltes Gutachten muss von Gutachtenden erstellt werden, es sei denn es liegen schwerwiegende Gründe vor, die eine sach- und fachgerechte Erstellung unmöglich machen. Ein Grund kann Befangenheit sein, zum Beispiel wenn das Gutachten das Unternehmen betrifft, in dem man tätig ist. Dies muss dem Gericht unmittelbar und unverzüglich mitgeteilt werden.

Eine weitere Form des Gutachtens ist das Privatgutachten, hier können Institutionen oder Privatpersonen oder Anwälte ein Gutachten beauftragen, das anzunehmen entscheidet jedoch der/die Gutachter*in selbst, auch hier gelten die Standesregeln für Gutachtende.

In welchen Bereichen sind Sachverständige im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege tätig?

Es empfiehlt sich generell nur in dem Bereich tätig zu werden, in dem über das größte und aktuelle Expertenwissen verfügt wird. Dies kann der Bereich OP, Intensiv, Krankenhaus allgemein, Kinderkrankenpflege, Langzeitpflege, 24-Stunden-Betreuung, alternative Wohnformen, Management, Ausbildung im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege, psychiatrische Krankenpflege etc. sein. Es bleibt den Sachverständigen überlassen, ihr Fachgebiet auf Spezialgebiete einzuschränken, vor allem auch dann, wenn man in bestimmten Spezialgebieten länger nicht tätig war. Das Tätigkeitsfeld ist im Bereich Gerichts- und Privatgutachten angesiedelt.

Welche konkreten Fragestellungen finden sich in Gerichtsbeschlüssen oder Gutachtensanfragen?

Je nach Spezialgebiet können die Fragestellungen sehr vielfältig sein und je nach Sachlage sehr variieren. Einige häufiger auftretende Fragestellungen sind unter anderem:

  • Wäre die vorliegende Sturzverletzung durch die Anwendung von konkreten Pflegetechniken zu verhindern gewesen
  • Handelt es sich bei dem vorliegenden Dekubitus der Person um einen Pflegefehler und mit welchen Mitteln wäre dies zu verhindern gewesen. Wie groß ist der daraus persönliche Schaden durch erlittene Schmerzen.
  • Ist die Wohnform, in der die Person lebt für sie geeignet, wenn nein welche anderen Wohnformen wären, dienlich
  • Liegt ein Pflegeorganisationsmängel an einem bestimmten Tag vor, an dem es zur Körperverletzung einer bestimmten Person kam.
  • Wurde das höchst persönliche Recht einer Person im Zusammenhang mit einer Pflege- und / oder Betreuungshandlung verletzt (zB. das Recht auf Achtung der Würde und Intimsphäre)
  • Welcher monatliche Pflegebedarf resultiert aus einer Fehlbehandlung im Krankhaus, und mit welcher pflegerischen, haushaltshilflichen Qualifikation kann der monatliche Pflegeaufwand abgedeckt werden und sind weiterführende Pflege- und Betreuungsmaßnahmen erforderlich als jene, die vom Pflegegeld umfasst sind.

Welche Voraussetzungen braucht es um Gerichtssachverständige*r zu werden?

Um Sachverständigentätigkeit aufzunehmen, braucht es zum einen eine facheinschlägige Ausbildung in diesem Bereich. Ebenso ist eine zehnjährige praktische Berufserfahrung zwingende Voraussetzung. Allgemein werden ein exaktes und eindeutiges Formulieren der schriftlichen Gutachten sowie ein sicheres Auftreten und eine klare Ausdrucksweise bei der mündlichen Erörterung von Befund und Gutachten erwartet. Der Sachverständigentätigkeit geht idealerweise ein Kurs zu Verfahrensrechtskunde (Organisation der österreichischen Gerichtsbarkeit, Abläufe, Rahmenbedingungen, Vorschriften) voraus. Im Anschluss daran kann zur Prüfung angetreten werden. Diese findet nach festgelegten Prüfungsstandards statt. Nach erfolgreich bestandener Prüfung, erfolgt die Eintragung in die Liste der Sachverständigen. Ebenso zu den Voraussetzungen gehören die Ausstattung mit der erforderlichen Ausrüstung für die konkrete Gutachter*innentätigkeit im betreffenden Fachgebiet.

Die Sachverständigentätigkeit fordert ein hohes Maß an Sorgfalt, Verantwortung, umfangreichem aktuellen Fach- und Allgemeinwissen, sie ist jedenfalls eine Bereicherung im Arbeitsalltag eine*r/s Pflegenden und trägt dazu bei, das pflegerische Fachwissen immer aktuell am Stand der Wissenschaften zu orientieren.

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Fußnoten

[1] Sachverständigeneid; Quelle Internet (https://www.gerichts-sv.at/sr_sv_eid.html); Zugriff 2023-01-13

Zur Person

Jana Bockholdt

Geschäftsführerin der Barmherzigen Schwestern Pflege GmbH

Akademische Krankenhausmanagerin

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson

Allgemein beeidete und gerichtlich zertifiziert Sachverständige im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege

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