Das „Evidenzbasierte Informationszentrum für Pflegende“ beantwortet klinisch relevante Fragen aus dem Spitalsalltag in Form von Rapid Reviews. Rapid Reviews sind beschleunigt erstellte Zusammenfassungen wissenschaftlicher Studien zu bestimmten Fragestellungen. Diese neue Serie in pflegenetz präsentiert regelmäßig und kompakt die Ergebnisse aktueller Reviews des Informationszentrums und lässt zusätzlich Pflegepraktiker*innen zum Thema zu Wort kommen.
Das pflegerische Wissen wächst rasant. Alleine in der pflegewissenschaftlich ausgerichteten Datenbank CINAHL werden pro Jahr 380.000 neue Beiträge aufgenommen (Bewer, 2016). Im Pflegealltag werden häufig neue Maßnahmen implementiert und es stellen sich Fragen zu bereits etablierten Interventionen. Um hierzu informierte Entscheidungen treffen zu können, stellen Studien eine wertvolle Ressource dar. Diese Studien gilt es, kritisch zu hinterfragen und dazu braucht es Know-how und Übung. Um Pflegenden zu ermöglichen, am aktuellen Stand des Wissens zu bleiben, gibt es in Niederösterreich seit Oktober 2019 das „Evidenzbasierte Informationszentrum für Pflegende“. Dieses Zentrum ist von NÖGUS gefördert und beantwortet klinische Fragen von Pflegenden in Form von Rapid Reviews, welche auf der Website www.ebninfo.at frei zugänglich abrufbar sind.
Das „Evidenzbasierte Informationszentrum für Pflegende“ erhielt die Frage, welche transdermalen Interventionen für die Pflege bei erwachsenen Patient*innen mit Phlebitis eine möglichst rasche Freiheit von lokalen Symptomen wie Schmerzen oder Schwellung erreichen.
Wir haben eine systematische Übersichtsarbeit mit 13 Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von verschiedenen topischen transdermalen Anwendungen gefunden (Di Nisio et al., 2015). Für unsere Fragestellung lieferten acht dieser Studien Ergebnisse. Diese Untersuchungen waren randomisierte kontrollierte Studien und hatten somit das zuverlässigste Studiendesign, um die Wirksamkeit einer Anwendung nachzuweisen. Sie dauerten zwischen zwei Tagen und vier Wochen und untersuchten insgesamt 585 Personen, die im Schnitt zwischen 45 und 67 Jahren alt waren.
Vier Studien verglichen Heparinsalbe oder -gel mit einem Placebo und zeigten über alle Endpunkte hinweg (Dauer der Phlebitis, Rötung, Schmerzen, lokale Verhärtung und Schwellung) einen Vorteil von Heparin gegenüber Placebo, der jedoch nicht immer statistisch signifikant war (Vilardell et al., 1999, Mehta et al., 1975, Kowalsky et al., 1978 und Schedel, 1977). Bezüglich Symptomfreiheit nach sieben Tagen, Reduktion der Rötung sowie Druckschmerz nach zehn Tagen zeigen sich statistisch signifikante Ergebnisse für die Anwendung von Heparin- bzw. Hirudoid im Vergleich zur Gabe von Placebo. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist gering, da die Studien teilweise ein hohes Bias-Risiko und kleine Stichprobengrößen aufweisen.
Keine klaren Aussagen lässt eine Studie mit 23 Patient*innen zu (De Sanctis et al., 2001), die Essaven-Gel mit Placebo verglich. Die Untersuchung zeigte, dass mit Essaven-Gel behandelte Personen nach vier Wochen im Schnitt eine statistisch signifikante Verbesserung bzgl. Schmerzen, Funktionseinschränkung und Schwellung hatten. Aufgrund der kleinen Stichprobengröße lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass dieser Unterschied auf einem Zufallsfehler beruht.
Eine Studie mit 47 Personen (Nachbur et al., 1972) verglich Hauttemperatur, Rötung, Verhärtung, Schmerz und Schwellung nach Anwendung von Phlebolan-Spray mit jenen unter Placebo nach fünf Tagen. Die Ergebnisse lassen keine klare Aussage zur Über- oder Unterlegenheit von Phlebolan-Spray zu, da der Unterschied nicht statistisch signifikant und die Stichprobe klein war.
Zwei Studien untersuchten nitroglycerinhältige Anwendungen mit Heparin-Gel (Berrazueta et al., 1993 und Almenar et al., 1993). Im direkten Vergleich von Nitroglycerin und Heparin zeigt sich eine schnellere Reduktion von Schmerzen, Rötung und Verhärtung bei der Anwendung von Nitroglycerin. Was Schwellung und Dauer betrifft, zeigten beide Wirkstoffe ähnliche Effekte. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz ist aufgrund der geringen Studiengröße und des hohen Bias-Risikos gering.
Jaqueline Irsigler, BSc ist Stationsleiterin an der Klinischen Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten am Universitätsklinikum Krems. Frau Irsigler fasst die Ergebnisse des Rapid Reviews wie folgt zusammen:
„Trotz hygienisch korrekten Umgangs mit peripheren Venenkathetern lässt sich im Krankenhausalltag eine Phlebitis nicht immer vermeiden. Die lokale Behandlung einer Phlebitis mit einem bestimmten transdermalen Wirkstoffpräparat bedarf einer medizinischen Anordnung. In der Praxis wird beobachtet, dass die Auswahl des Therapeutikums von der persönlichen Erfahrung bzw. individuellen Einschätzung der Mediziner*innen abhängig ist. Sehr oft orientiert sich die ärztliche Anordnung jedoch auch an Empfehlungen von Pflegepersonen. In meinem Praxisalltag zeigt sich, dass überwiegend Heparinsalbe bzw. –gel angeordnet wird. Die präsentierte Studienlage lässt keinen eindeutigen Schluss zu, welche die beste lokale transdermale Versorgung einer Phlebitis ist, da die Evidenz schwach und das wissenschaftliche Vertrauen in das Ergebnis niedrig ist. Ein evidenzbasiertes standardisiertes Vorgehen lässt sich davon nur bedingt ableiten. Das Ergebnis des Rapid Review erleichtert dennoch unsere Entscheidungsfindung bei der Maßnahmenauswahl und die vorliegende Evidenz unterstützt die vorrangig angewendete Behandlung. Weiterführend wäre interessant, ob es Evidenz dazu gibt, ob zusätzliche pflegerische Maßnahmen wie lokale Kühlung oder Hochlagerung der betroffenen Extremität einen Einfluss auf die Symptomreduktion haben.“
Bewer K. (2016). Evidenzbasierte Behandlungsqualität in der Pflege trotz Zeitdruck und Informationsflut – Hilfsmittel und Lösungsansätze von EBSCO Health. https://www.pflegekongress.at/html/publicpages/148059858188059.pdf [Zugriff: 16. Februar 2021].
Ebninfo (2021). Abläufe und Methoden. https://ebninfo.at/wp-content/uploads/IZP_Methoden_Manual.pdf [Zugriff: 22. Jänner 2021].
Di Nisio M, Peinemann F, Porreca E, Rutjes AW (2015). Treatment for superficial infusion thrombophlebitis of the upper extremity. Cochrane Database Syst Rev. 2015(11): CD011015.
Vilardell M, Sabat D, Arnaiz JA, Bleda MJ, Castel JM, Laporte JR, et al. (1999). Topical heparin for the treatment of acute superficial phlebitis secondary to indwelling intravenous catheter. A double-blind, randomized, placebo-controlled trial. Eur J Clin Pharmacol. 1999; 54(12): 917-21.
Mehta PP, Sagar S, Kakkar VV (1975). Treatment of superficial thrombophlebitis: a randomized, bouble-blind trial of heparinoid cream. Br Med J. 1975; 3(5984): 614-6.
Kowalsky BL, Budde R. Clinical double-blind study on percutaneous heparinoid therapy in postoperative infusion thrombophlebitis. Therapiewoche. 1978; 28(39): 7260-3.
Schedel F, Hennemann B, Reindl P. (1977). Controlled study on the efficacy of external treatment in surface-near thrombophlebitis. Fortschr Med. 1977; 95(23): 1557-60.
De Sanctis MT, Cesarone MR, Incandela L, Belcaro G, Griffin M. (2001). Treatment of superficial vein thrombophlebitis of the arm with Essaven gel–a placebo-controlled, randomized study. Angiology. 2001; 52 Suppl 3: 63-7.
Nachbur B. (1972). Clinical test of the efficacy of Phlebolan-Spray in the treatment of aseptic surface thrombophlebitis (1972). Schweiz Rundsch Med Prax. 1972; 61(42): 1305-7.
Berrazueta JR, Poveda JJ, Ochoteco J, Amado JA, Puebla F, Salas E, et al. (1993).The anti-inflammatory and analgesic action of transdermal glyceryltrinitrate in the treatment of infusion-related thrombophlebitis. Postgrad Med J. 1993; 69(807): 37-40.
Almenar B, Hernandez M, Gimeno J, Palencia M, Algarra F. Heparinoids versus nitroglycerine in the treatment of superficial phlebitis (1993). Heparinoides frente a nitroglicerina en el tratamiento de las flebitis superficiales. Rev Clin Esp, 1993; 193(5): 229‐31 pp.
Martin Fangmeyer, BScN, MScN
Gesundheits- und Krankenpfleger
Leitung des Evidenzbasierten Informationszentrums für Pflegende
Donau-Universität Krems – Cochrane Österreich
www.ebninfo.at
office@ebninfo.at
#ebninfoAT
Jaqueline Irsigler, BSc
Gesundheits- und Krankenpflegerin
Stationsleiterin an der Klinische Abteilung für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten
Universitätsklinikum Krems – Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften
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