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Ana Toromanova & Marieluise Einfalt
Bieten Mund-Nasenschutz-Masken einen ausreichenden Schutz vor multiresistenten Erregern?

Multiresistente Erreger sind seit Jahren ein zunehmendes Problem im Gesundheitswesen. Betreuungspersonen schützen sich vor einer Ansteckung häufig mit einer Mund-Nasenschutz-Maske. Ob diese Vorgehensweise wirksam ist, wird im Artikel auf Basis von Studien versucht zu beantworten.

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Immer mehr Bakterien reagieren unempfindlich auf Antibiotika und stellen somit eine große Herausforderung für die Gesundheit dar. Für viele therapeutische Substanzen liegen die Resistenzraten mittlerweile zwischen zehn und 25 Prozent. Mit 10.224 gemeldeten Blutstrominfektionen waren Escherichia coli, Staphylococcus aureus und Klebsiella pneumoniae 2018 in Österreich die am häufigsten vorkommenden, invasiven multiresistenten Keime (BMSGPK, 2018). Da ein Teil dieser Infektionen im Krankenhaus verzeichnet wurden (BMSGPK, 2018), sind die Beschäftigten in diesem Bereich einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Um die Übertragung dieser Bakterien im Krankenhaus einzudämmen, werden unterschiedliche Maßnahmen vorgenommen. Sie reichen von der Isolation der Patient*innen bis hin zum Tragen einer Mund-Nasenschutz-Maske. Mund-Nasenschutz-Masken, auch als OP-Masken oder medizinische Gesichtsmasken bekannt, werden eingesetzt, um das Gegenüber vor abgegebenen infektiösen Tröpfchen der Mundschutzträger*innen zu schützen (Schlenger, 2020). Bieten sie aber auch den Mundschutzträger*innen einen ausreichenden Schutz? Das Team des »Evidenzbasierten Informationszentrums für Pflegende« an der Donau-Universität Krems hat sich die wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema genauer angeschaut. Dabei gingen wir der Frage nach, ob das Tragen einer Mund-Nasenschutz-Maske während der Pflege und Betreuung von Patient*innen mit einer Infektion durch multiresistente Erreger die Übertragung auf das Gesundheitspersonal verhindert.

Das Team führte eine umfassende systematische Literaturrecherche in vier Datenbanken durch. Zusätzlich wurden Referenzlisten relevanter Studien gesichtet und eine Pubmed-Similar-Articles-Suche durchgeführt. Die Suche erfasste 728 Publikationen. Zwei Personen sichteten diese anschließend unabhängig voneinander. Insgesamt entsprachen zwei Publikationen den vorab definierten Einschlusskriterien: eine Vorher-Nachher-Studie, welche die Auswirkungen des Tragens einer Mund-Nasenschutz-Maske auf die Übertragung von EMRSA-Erreger (epidemische Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) auf das Gesundheitspersonal untersuchte (Lacey, 2001) sowie eine systematische Übersichtsarbeit (López-Alcalde et al., 2015). López-Alcalde und Kolleg*innen (2015) untersuchten den Nutzen von Schürzen, Handschuhen und Gesichtsmasken hinsichtlich der Vermeidung einer Übertragung von MRSA-Erregern. Da die Autor*innen der systematischen Übersichtsarbeit keine Studien identifizieren konnten, fassten wir nur die Ergebnisse der Vorher-Nachher-Studie zusammen.

Diese Studie dauerte vier Monate und wurde an zwei spezialisierten Stationen eines Krankenhauses in Großbritannien durchgeführt. Beteiligt waren 27 Personen – 24 Gesundheits- und Krankenpfleger*innen sowie drei Physiotherapeut*innen. Sie betreuten insgesamt 19 Patient*innen (präinterventionell: sieben, postinterventionell: zwölf) mit einer EMRSA-Infektion (epidemische Methicillin-resistente Staphylococcus aureus). In den ersten zwei Monaten trug das Betreuungsteam keine Mund-Nasenschutz-Masken, danach kamen solche bei Tätigkeiten mit einem erhöhten Risiko für eine EMRSA-Übertragung immer zur Anwendung (Universal pleatedface masks, Technol, UK; zum Filtern von 1,0-Mikrometer-Partikeln). Dazu zählten Aktivitäten mit intensivem Patient*innenkontakt, mit oder ohne Versorgung kolonisierter Körperregionen. Die Messung des Endpunkts ─ Anzahl der EMRSA-Isolate bei Mitgliedern des Betreuungsteams ─ nahmen die Beteiligten selbst zu Beginn und am Ende jeder achtstündigen Dienstschicht mittels Nasen-, Rachen- und Handabstrichs vor. Um Erreger nachzuweisen, wurden sowohl spezialdiagnostische Tests auf Koagulase und auf hitzeresistente DNase als auch Verfahren zur Resistenzbestimmung durchgeführt.

Nutzen

In der ersten Studienphase wurden insgesamt 600 Abstriche entnommen, in der zweimonatigen Periode nach Einführung der Mund-Nasenschutz-Masken waren es 560. Präinterventionell traten bei dreizehn der 27 Mitglieder des Betreuungsteams (48 Prozent) positive EMRSA-Isolate auf, nachdem die Intervention eingeführt wurde bei sieben (26 Prozent). Das Risiko einer Besiedelung war demnach für Mitglieder des Behandlungsteams in der zweiten Studienphase (Tragen einer Mund-Nasenschutz-Maske) um 46 Prozent geringer als in der ersten Phase ohne eine Mund-Nasenschutz-Maske (RR: 0,54; 95% KI: 0,25─1,14). Der beobachtete Unterschied war jedoch statistisch nicht signifikant (Lacey, 2001). Das Ergebnis ist mit Vorsicht zu interpretieren: Die Autor*innen haben in der Studie Störvariablen zum Teil nicht berücksichtigt, z. B. ob die Basishygienemaßnahmen nach der Einführung der Mund-Nasenschutz-Masken besser eingehalten wurden, weil die Intervention das Bewusstsein der Mitarbeiter*innen verändert hatte. Zudem war unklar, warum in der zweiten Studienperiode sieben Prozent weniger Abstriche bei gleichzeitig gleicher Anzahl an beteiligten Personen durchgeführt wurden.

Basierend auf den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann keine zuverlässige evidenzbasierte Aussage getroffen werden, ob das Tragen von Mund-Nasenschutz-Masken das Risiko einer MRE-Infektion für das Gesundheitspersonal reduziert und einen ausreichenden Schutz bietet.

Kommentar aus der Praxis

Marieluise Einfalt, akademische Expertin in der Krankenhaushygiene im Ordensklinikum Linz Elisabethinen, meint zum Thema:

Das Tragen von Mund-Nasenschutz-Masken hat im Rahmen der aktuellen Pandemie praktisch in jeden Haushalt Einzug gehalten und wird teilweise sehr kontrovers diskutiert. Praxisrelevant für eine erfolgreiche Infektionsprävention ist, wie die Unterbrechung der Infektionskette des jeweiligen Erregers gelingen kann. MRE sind nämlich nicht automatisch über den Respirationstrakt übertragbar. Der verwendete Schutz (z. B. Mund-Nasenschutz-Maske, partikelfiltrierenden Halbmasken [FFP-Masken]) sollte optimalerweise dem jeweiligen Erreger, der Lokalisation und der geplanten Tätigkeit entsprechend, eingesetzt werden. Zusätzlich müssen alle weiteren Punkte der Basishygiene eingehalten werden, um eine Übertragung effektiv verhindern zu können. Als alleinige Maßnahme zur Infektionsprävention ist das Tragen eines MNS nicht ausreichend.

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Literatur

BMSGPK – Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Resistenzbericht Österreich AURES 2018, Antibiotikaresistenz und Verbrauch antimikrobieller Substanzen in Österreich 2018

Lopez-Alcalde J, Mateos-Mazon M, Guevara M, Conterno LO, Sola I, Cabir Nunes S, et al. Gloves, gowns and masks for reducing the transmission of meticillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA) in the hospital setting. Cochrane Database Syst Rev. 2015(7):CD007087.

Lacey S, Flaxman D, Scales J, Wilson A. The usefulness of masks in preventing transient carriage of epidemic methicillin-resistant Staphylococcus aureus by healthcare workers. J Hosp Infect. 2001;48(4):308-11.

Schlenger RF. Gesichtsmasken: Welche gut oder nur bedingt schützen. Dtsch Arztebl International. 2020;117(50):18-23.

Zur Person

Mag.a Ana Toromanova
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Evidenzbasierten Informationszentrum für Pflegende
Donau-Universität Krems – Cochrane Österreich
www.ebninfo.at
office@ebninfo.at
#ebninfoAT

Marieluise Einfalt
Gesundheits- und Krankenpflegerin
Dozentin und fachliche Leitung des akademischen Lehrgangs „Krankenhaushygiene“ an der IMC-FH Krems, Leitung Hygieneteam Ordensklinikum Linz Elisabethinen, akademische Expertin in der Krankenhaushygiene

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