Das Berufsbild „Anästhesiepflege“ nimmt, aufgrund der eklatant progressiven Entwicklung der Medizin und folglich auch der Anästhesiologie, in der Zwischenzeit einen besonderen Stellenwert ein. Es reicht von der prä- über die intra- bis hin zur postoperativen Versorgung und Betreuung von Patient*innen. Fokussiert man nun auf den intraoperativen Bereich, so stellt man fest, dass diese Sparte besondere Anforderungen in Bezug auf Qualifikationen und Kompetenzen an die Berufsangehörigen stellt. Im operativen Setting steht Pflege nicht im Vordergrund, da die Prioritätensetzung eine völlig andere ist, nämlich die Beobachtung, Stabilisierung und, wenn nötig, die Wiederherstellung der Vitalfunktionen der Patient*innen. Jeder noch so minimal invasive Eingriff kann binnen kürzester Zeit in einem Notfall enden. Um solchen Szenarien gewachsen zu sein, bedarf es vertiefter medizinischer Kenntnisse, welche durch eine spezialisierte Ausbildung erworben werden müssen. Spinnt man diesen Gedanken nun weiter, so stellt sich unweigerlich die Frage nach den Kompetenzen, die den Berufsangehörigen zugebilligt werden. Das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) sieht hier ausnahmslos Mitverantwortung in allen Belangen vor. Die enorm geänderten Kompetenz- und Qualifikationsanforderungen im intraoperativen Bereich sowie die stetig unschärfer werdenden Grenzen der Tätigkeitsfelder zwischen den Professionen der Ärzt*innen und Anästhesiepflegerpersonen verlangen geradezu nach neuen Positionen bzw. Sichtweisen auf das Berufsbild „Anästhesiepflege“, so auch auf die Kompetenzverteilung bzw. -zuweisung. In diesem Zusammenhang stellt sich nach Ansicht der Autorin die Frage, ob das GuKG eine passende rechtliche Rahmung für diese „neue Profession“ bieten kann.
Vergleicht man beispielsweise eine norwegische „Pflegeanästhesistin“ (NA) mit einer Anästhesiepflegefachkraft, so erkennt man, dass vonseiten des Gesetzes und vorliegender ärztlicher Delegation NAs präoperative Aufklärungen durchführen können (ALNSF, 2005). Außerdem sind NAs in Norwegen aufgrund ihrer Ausbildung berechtigt im Rahmen kleinerer Operationen bei Patient*innen, welche ,abgesehen von der Notwendigkeit des aktuellen Eingriffes, gesund sind und keine Komorbiditäten aufweisen, unabhängig Vollnarkosen durchzuführen. ASA* I und ASA* II (American Society of Anaesthesiologists) klassifizierte Patient*innen können somit von NAs, unter der Voraussetzung, dass ein*e Anästhesist*in verfügbar ist, anästhesiert werden. Patient*innen, die mittels Regionalanästhesie behandelt werden, werden von den NAs autonom geführt (Ringvold, 2018).
Mit dem Wissen über eine maximal diverse Historie von Österreich und den USA möchte die Autorin an dieser Stelle einen Vergleich zwischen diesen ziehen, um so herausarbeiten zu können, was in der Ausübung des Anästhesiepflegeberufes möglich ist. So fällt auf, dass die Ausbildung zur CRNA (Certified Registered Nurse Anesthetist) 8,5 bis neun Jahre in Anspruch nimmt (AANA, 2019), wobei zur Sicherung des hohen Standards bereits 1978 jedes zweite Jahr die Absolvierung eines Rezertifizierungsprogramms etabliert wurde. Das Tätigkeitsfeld einer CRNA ist vielfältig und beinhaltet alle Aspekte der Anästhesie. So klärt die CRNA präoperativ auf, führt verschiedene Settings der Anästhesie und transferiert Patient*innen in den Aufwachraum. Eine CRNA muss in der Lage sein, die persönlichen Grenzen zu erkennen, um im Notfall die bzw. den Ärzt*in hinzuziehen zu können (Faut-Callahan/Kremer, 2009).
In den USA existieren unterschiedliche Ausbildungsstufen zur Autonomie von CRNAs. Hogan, Seifert und Moore (2010) setzten sich bewusst mit dem Rollenbild der CRNAs auseinander, welche ohne Überwachung, weder seitens von Chirurg*innen noch Anästhesist*innen, völlig autonom arbeiten. In keinem der angewandten Modelle (Ärzt*innen allein oder CRNA allein, je nach Autonomie der CRNA) war die Patient*innensicherheit gefährdet. Zwischen der Narkoseführung von Anästhesist*innen und jener von CRNAs waren keine Unterschiede nachweisbar. In den USA herrscht eine mannigfaltige Zusammenarbeit von Anästhesist*innen und CRNAs, da diese innerhalb der gesamten USA unter stark differenten Kontexten ihrer Profession nachgehen (Hogan et al., 2010).
Vier Möglichkeiten des Angebots anästhesiologischer Leistungen sind in den USA etabliert:
➢ Anästhesiolog*innen arbeiten selbständig
➢ CRNAs arbeiten autark
➢ Anästhesiolog*innen sind Supervisor (d. h. im Notfall erreichbar)
➢ Anästhesiolog*innen sind mit der CRNA gemeinsam im OP
Zusammenfassend schreiben Hogan et al. (2010):
➢ Anästhesist*innen und CRNAs bieten der amerikanischen Bevölkerung qualitativ hochwertige Anästhesiemethoden an.
➢ Die Studie von Hogan et al.(2010) arbeitete heraus, dass CRNAs kostengünstiger in der Ausbildung sind als Anästhesist*innen
➢ Anästhesist*innen und CRNAs können dasselbe Spektrum an Anästhesiemethoden abdecken, abgesehen von seltenen und schwierigen Eingriffen.
➢ CRNAs werden pauschal bezahlt. Ihre Gehaltserhöhungen hinken jenen der Ärzt*innen hinterher und in der Regel erhalten sie auch keine Überstundenbezahlung.
➢ Da der Bedarf an Gesundheitsversorgung ständig wächst, ist eine vermehrte Ausbildung von CRNAs zielführend, wobei man diese auf die effizienteste Art mit größtmöglicher Selbständigkeit einsetzen sollte (vgl. Hogan et. al., 2010).
Völlig autark arbeitende CRNAs bieten die kostengünstigste Narkose an, wobei die Einnahmen in den meisten Fällen überwiegen. Supervision durch eine*n Ärzt*in ist das zweitgünstigste Modell der Narkosedurchführung, wobei dieses durch Schadenersatzforderungen ökonomisch limitiert wird. In Einrichtungen, in denen ein gleichmäßig großer Bedarf an Narkoseleistungen besteht, ist das Supervisionsmodell, d. h. ein*e Ärzt*in auf vier CRNAs, am besten geeignet. Hingegen ist in kleineren Institutionen, in denen eine geringere Nachfrage nach Anästhesieleistungen besteht, der Einsatz von autarken CRNAs am effizientesten (Hogan et al., 2010).
Als Resümee sei festgehalten, dass die Autorin bemüht ist, alle Verantwortlichen, die in der Berufsbildgestaltung involviert sind, dazu zu bewegen ihren Visus auf die Thematik zu ändern, um einen anderen Blickwinkel erhalten zu können. Um hier einen konstruktiven Diskurs anzuregen, führte die Autorin als ersten Schritt eine explorative Studie, in Form eines quantitativen Forschungsdesigns durch. Die Datenerhebung für die Studie mit dem Titel „Professionalisierung in der Anästhesiepflege? – wird eine Solche von Seiten der Berufsangehörigen überhaupt gewünscht?“ erfolgte mittels Fragebogen. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Kolleg*innen sich wünschen mehr gesetzlich regulierte Kompetenzen zuerkannt zu bekommen. Sie sind dafür durchaus bereit eine verlängerte, adäquate Ausbildung in Kauf zu nehmen. Entgegen den häutig getätigten Äußerungen, sind Angehörige der Berufsgruppe Anästhesiepflege willens Eigenverantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Sie setzen sich aber auch für eine angepasste pekuniäre Entlohnung ein.
Es wäre von unschätzbarer Bedeutung, wenn es gelänge, einen wissenschaftlich fundierten, berufspolitischen Diskurs, um eine Profession, die einer enormen Entwicklung ausgesetzt ist, auszulösen.
So könnte die Ausbildung zur „Nurse Anesthetist“ aussehen:
AANA (American Association of Nurse Anesthetists) (2019). Ausbildung von Anästhesisten in den USA – auf einen Blick. Abgerufen am 22. November 2020 von https://www.aana.com/membership/become-a-crna/education-of-nurse-anesthetists-in-the-u.s
ALNSF (Norwegian Assosiacion of Nurse Anesthetists) (o. J.). Abgerufen am 23. Jänner 2020 von https://www.alnsf.no/anestesisykepleierne/om-anestesisykepleierne
Faut-Callahan, M., Kremer, M.J. (2009). The Certified Nurse Anesthetist. In: Hamric, A.B., Spross, J.A., Hanson, C.M. (Hrsg.). Advanced Practice Nursing. An Integrative Approach. Fourth Edition, Saint Louis, Missouri 63146: Saunders Elsevier.
Hogan, P.F., Seifert, R., Furst Moore, C.S., Simonson, B.E. (2010)- Cost Effectiveness Analysis of Anesthesia Providers. Abgerufen am 28. November 2020 von https://www.aana.com/docs/default-source/research-aana.com-web-documents(all)/nec_mj_10_hogan.pdf?sfvrsn=4cc4bb1_4
Ringvold, E.M. (2018). Norwegischer Standard für die sichere Praxis der Anästhesie. In: Acta Anaesthesiologica-Scandinavica, Band 62, Ausgabe 3. Abgerufen am 24 November 2020 von https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/aas.13066
Einige Fakten zur Autorin: DGKP und Praxisbegleiterin im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ausbildende zur Gesundheits- und Krankenpflegefachkraft, Studium an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in Erwachsenenbildung
DGKP und Praxisbegleiterin im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee an der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ausbildende zum/zur Gesundheits- und Krankenpflegefachkraft, Studium an der AAU in Erwachsenenbildung
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