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Michael Waldher
Mit dem Diplom in der Gesundheits- und Krankenpflege um die Welt

Michael Waldher führte der Weg als Krankenpfleger von einem Privatkrankenhaus in England über eine Intensivstation in Wien auf ein Kreuzfahrtschiff in die Karibik. Danach machte er sich kurzzeitig selbstständig, bevor er als persönlicher Assistent von Sir Frank Williams in die Formel 1 ging. Heute leitet er den Bereich „Pflege zu Hause“ in der maierhofer Holding GmbH und ist Gastvortragender für die Gesundheits- und Krankenpflegeschulen Villach und Klagenfurt bzw. für die Fachhochschule im Bachelorstudiengang Gesundheits- und Krankenpflege. Waldher ist auch fachlicher Leiter des Pflegestammtisches Velden/Rosegg (www.pflegestammtisch.at).

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Die Ausbildung zum diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger war mit Sicherheit die beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe.

Vorbelastet von meiner Mutter, die die Ausbildung im Jahr 1973 abgeschlossen hat, habe ich mich schon früh für die „Gesundheit“ und den „Menschen“ interessiert.

Nach der Hauptschule war für mich klar, dass ich diesen Weg einschlagen möchte. Da man jedoch das 17. Lebensjahr vollendet haben musste, habe ich als Zwischenlösung die „Fachschule für Sozialberufe“ in Klagenfurt besucht. Der einzige Wermutstropfen war, dass es nach dieser dreijährigen Ausbildung keinen Abschluss gab. Während der Ausbildung haben wir das Thema mit einigen Lehrer*innen diskutiert und die sehr engagierte Lehrkraft Silvana Simonini Rom konnte zumindest erreichen, dass wir im dritten Ausbildungsjahr die Ausbildung zum „Ordinationsgehilfen“ in den laufenden Betrieb mitaufnehmen konnten. Gesagt, getan – es war zumindest der Abschluss des „Ordinationsgehilfen“ (eigentlich eine einmonatige Ausbildung), den wir nach drei Jahren bekamen.

Der Weg war aber klar. Nächste Station: Krankenpflegeschule Klagenfurt.

Die Ausbildung war gut, mit einer profunden Wissensvermittlung. Viele praktizierende Ärzt*innen des Krankenhauses unterrichteten, was die Ausbildung praxisnah machte. Die Lehrer*innen der Gesundheits- und Krankenpflegeschule waren ohne Ausnahme sehr bemüht und nach drei Jahren mit dem Diplom in der Tasche, stand mir die Welt offen… Aber was nun?

Nach dem Diplom

Zunächst musste ich zum Bundesheer, was ich wegen der Ausbildung aufschieben konnte. Schon jetzt merkte ich, dass das Tragen des Berufstitels DGKP beim Bundesheer kein Nachteil war. Da ich in Graz (Belgierkaserne) und in Wien (Heeresspital van Swieten) im Bereich des Sanitätsdienstes eingesetzt wurde, profitierte ich von meiner Vorbildung enorm. Kurz nach dem Wechsel nach Wien wurde mir angeboten, die Miliz-Unteroffizierslaufbahn einzuschlagen. Das hieß ich musste mich für zwei zusätzliche Monate verpflichten, absolvierte den Rettungs- und Notfallsanitäter-Lehrgang und im Gegenzug ließ ich mich militärisch ausbilden. Militärisch bedeutete die vorbereitende Kaderausbildung (VBK) und den Milizunteroffzierskurs 1 und 2.

Als Korporal konnte ich die letzten zwei Monate eine kleine Gruppe der neuen Rekruten, unter Aufsicht führen.

Schon während der Bundesheerzeit bewarb ich mich im Ausland. Ich wollte mein Englisch perfektionieren und unbedingt die Welt sehen. Aber wohin? Auf die Bermudas? Amerika? England?

Amerika kocht sein eigenes Süppchen, dort muss man vielfach Prüfungen ablegen. Daher suchte ich etwas in der Europäischen Union.

England! Wegen der Europäischen Union musste man sich damals nur beim NMC (Nursing Midwifery Council, die „Krankenpflege- und Hebammenkammer“) registrieren und schon hatte man seinen PIN-Code mit dem man in Großbritannien arbeiten konnte. Durch eine Agentur bekam ich gleich einen Job im „Princess Margaret Hospital“, einem Privatkrankenhaus der BMI-Gruppe in Windsor. Der Einstieg war, um ehrlich zu sein, nicht leicht. Jeder*m die*der diesen Schritt ins Ausland wagen möchte, würde ich raten, erst ein Jahr auf einer österreichischen Abteilung zu arbeiten. Die Grundausbildung war zwar sehr gut in Klagenfurt, aber wie in jedem Job gestalten sich die Dienste auf unterschiedlichen Abteilungen sehr spezifisch, z. B. die Medikamente, die Terminologie, die Abläufe usw. Es wäre mir leichter gefallen, wenn ich diese Aspekte zuvor auf Deutsch „intus“ gehabt hätte.

Aber nach zwei Monaten und guter Unterstützung der Kolleg*innen war auch das zu meistern. Die Zeit im „Recovery Room“ (OP-Aufwachraum) war nett, aber nicht wirklich meines. Larynx-Maske entfernen, Schmerzmittel unter Vier-Augen-Prinzip verabreichen, Vitalzeichen kontrollieren, postoperative „Überwachungsberichte“ schreiben, Rücksprache halten und letzter Check mit dem Operateur und die Patient*innen wurden vom „Porter“ wieder auf ihr Zimmer gebracht.

In Großbritannien unterscheidet man generell den privaten Sektor und das NHS (National Health Service), sprich die öffentlichen Krankenhäuser. Der private Sektor ist anspruchsvoll. Gerade in unserem Krankenhaus gab es häufig Schönheits-Operationen, aber auch Bänderrisse von den Schülern aus dem Eton College (britische Eliteschule neben Windsor), die sich beim Rugbyspielen die Bänder gerissen oder die Knorpel beschädigt haben.

Das Leben in Windsor war teuer. Ich habe damals für ein Zimmer in einer „shared flat“ 680 Euro gezahlt – ohne Küche. Ein Toaster, eine Mikrowelle und ein Wasserkocher standen auf einer Anrichte neben dem Bett. Zwar hatte ich einen guten Blick auf das Windsor Castle, die Königin wohnte somit nur einen Steinwurf von mir entfernt, doch waren die Preise dementsprechend hoch.

Der Verdienst war ähnlich wie in einem Krankenhaus in Österreich, doch war alles (wirklich alles!) im Vergleich um mindestens ein Drittel teurer. Es war ein Leben, das okay war, aber weit entfernt von dem, was ich mir eigentlich vorstellte. Irgendwann keimte der Gedanke, dass ich mir ein Auto leisten könnte, von meinen Freund*innen umgeben wäre und in einer eigenen Wohnung wohnen würde – nicht „shared“ – wenn ich jetzt in Wien wäre. Drei Faktoren, die mir in England fehlten. Somit war es eine Frage der Zeit, bis ich meine Zelte abbrach. Ich beließ es bei einer Auslandserfahrung.

In Wien wollte ich sofort auf eine Intensivstation, da ich schon während der Ausbildung in diese Richtung tendierte. Es war aber nur eine Stelle an einer gastroenterologischen IMC (Intermediate Care) frei und somit startete ich dort. Nach ca. sechs Monaten konnte ich aber auf die neurologische ICU (Intensive Care Unit) am Rosenhügel (Krankenhaus Hietzing) wechseln. Das war genau meines. Intensivpatient*innen, Beatmungsmaschinen, Plasmaseparation und Reanimationen. Als junger, engagierter Pfleger wollte ich genau das!

Am Schiff

Nach knapp vier Jahren beabsichtigte ich aber doch noch ein bisschen von der Welt sehen. Kurzerhand entschloss ich mich, auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern. Um auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten, brauchte man mindestens drei Jahre Erfahrung im Akut- oder Intensivbereich. Klar, auf dem Schiff muss alles reibungslos funktionieren. Die Erfahrung hatte ich bereits – und auf ging es (nach einer Woche Grundausbildung in Rostock – STCW 95 –Training) in die Dominikanische Republik. Dort, in La Romana, war der Heimathafen der „Mein Schiff“ von TUI Cruises. Herzlich empfangen als der neue „Medical“ wurde ich von zwei deutschen Kolleginnen und zwei Ärzten. Ein Internist und ein Unfallchirurg (der Unfallchirurg kam aus Wien). Das Leben auf dem Schiff war spannend, es gab viel zu entdecken, und in den ersten 14 Tagen verläuft man sich ständig. Wir hatten ca. 2700 Passagiere und 750 Personen vom „Staff“. Da passiert so einiges. Von Brandblasen und Schnitten in den Fingern aus der Bordküche bis zu Brandblasen auf der Haut der sonnenhungrigen Tourist*innen nach zu viel Bierkonsum, Entfernen von Seeigelstacheln, verstauchten Fußgelenken; aber auch Personen mit einem Herzinfarkt und einem Schlaganfall hatten wir erstzuversorgen. Das Bordhospital war gut ausgerüstet. Es gab einen Empfangsraum mit zehn Sitzplätzen, zwei Untersuchungszimmer, eine gut ausgestattete Apotheke (mit allen wichtigen Arzneimittelgruppen), ein kleines Labor mit diversen Teststreifen – wir waren auch für die Wasserqualität zuständig –, drei Pflegezimmer mit jeweils drei Betten, ein mobiles Röntgengerät und ein Überwachungszimmer mit Absaugeeinrichtung, Monitoring, Defibrillator, Perfusoren und Sauerstoffflaschen. Im hinteren Bereich des Hospitals gab es dann noch ein Lager für Infusionen und einen Kühlraum (falls auf hoher See wirklich jemand versterben sollte). Wenn man am Transatlantik unterwegs ist, dauert es fünf Tage und in der Mitte des Meeres kann man ca. 40 Stunden lang keine Hilfe bekommen.

Sobald ein Passagier schwerer erkrankt, kommt es zu einer sogenannten „medical disembarkation“ und der*die Patient*in wird beim nächsten Hafen in das lokale Krankenhaus gebracht. Auch das kam einige Male vor. Am spektakulärsten war eine Hubschrauberbergung vom Schiff vor der französischen Küste. Der Helikopter flog knapp über das Schiff – ein Notarzt wurde mit einer Transporttrage abgeseilt und nach der Übergabe wieder mit dem Patienten in den Helikopter hochgezogen. Neben meiner Aufgabe, die Passagiere und Crew zu versorgen, hielt ich auch die Vorträge für unser Schiffspersonal im Bereich der Ersten Hilfe. Angeleitet von dem Wiener Arzt und mittlerweile lieben Freund schulte ich die Crew alle zehn Tage in „Basic First Aid“. Was ist zu tun, wenn ein*e Passagier*in auf dem Boden liegt, keine Luft bekommt, sich verletzt usw.

Das Medical Team brauchte ca. zwei Minuten zu jedem Punkt am Schiff. Gab es einen Notfall (wir hatten ca. 15 in sechs Monaten), wurde über alle Lautsprecher am Schiff der sogenannte „Starcode“ ausgerufen. Dieser z. B. wie folgt lautete:

„Starcode, Starcode, Starcode! Location Deck 4, Firezone 1, in front of the entrace to the Cinema“

Schon sind alle fünf Crewmitglieder des Bordhospitals – egal wo sie gerade am Schiff waren – zuerst zum Hospital gelaufen, um das Notfallequipment zu holen, und dann zu dem Ort geeilt, wo sich der Notfall ereignete.

Obwohl die „Mein Schiff“ ein deutsches Kreuzfahrtschiff ist, wird in englischer Sprache kommuniziert. Da viele Offiziere (Sicherheitsoffizier, Umweltoffizier, Navigationsoffizier, Staffcaptain usw.) oft aus allen Herrgottsländern kommen.

Unsere Rotation war: 48h Dienst und 24h frei. Somit konnten wir alle zwei bis drei Tage an Land gehen und uns die vielen karibischen Inseln (Barbados, Martinique, St. Martin, St. Lucia, Grenada usw.) ansehen. Von den sechs Monaten auf dem Schiff war ich 2,5 Monate in der Karibik, ein Monat im Mittelmeer, wir haben Großbritannien zwei Mal umrundet, waren zwei Mal in Russland, in Schweden (Stockholm) und Norwegen hinauf bis Spitzbergen im ewigen Eis. Man sieht schon viel in diesen sechs Monaten, aber ist auch froh, wieder für längere Zeit festen Boden unter den Füßen zu haben.

Selbstständigkeit

Nach der Zeit auf dem Schiff dachte ich, die Welt gesehen zu haben, und wollte mich niederlassen. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Durch eine österreichische Agentur, die Pflegekräfte vermittelte, kam ich in die Steiermark nach Turnau, wo ich mich als „Freiberuflicher Krankenpfleger“ selbstständig machte. Das Pflegeheim war gut geführt, die Kolleg*innen nett, die Arbeit in Ordnung, aber nach drei Monaten in dem Pflegeheim wusste ich, dass ich es nicht bis zur Pension machen würde. Grundpflege, Medikamente einschachteln, Bewohner*innen heraussetzen, Animationsnachmittage, Kaffee und Kuchen, Bewohner*innen wieder ins Bett bringen und Dokumentation. Wenn der Nachtdienst kommt, muss alles fertig sein, „denn der hat keine Lust, noch die letzten Bewohner*innen ins Bett zu bringen“.

Formel 1

Eines Abends dachte ich darüber nach, wie ich meine Profession mit Reisen verbinden könnte. Da ist mir in den Sinn gekommen, dass der Teamchef eines Formel 1-Teams im Rollstuhl saß. Nach einer kurzen Recherche bewarb ich mich beim Williams F1-Rennstall als Krankenpfleger – eine Blindbewerbung. Ich war gespannt, ob ich eine Antwort bekommen würde. Es dauerte keine 48 Stunden und ich hatte eine Mail aus Großbritannien im Postfach. Kommen Sie so rasch wie möglich zu einem Job-Interview. Zehn Tage später stand ich vor der Williams F1 Factory in Grove, Oxfordshire zum Bewerbungsgespräch. Die Human Ressource-Offizierin löcherte mich mit Fragen, Background Checks, 200 Fragen eines Persönlichkeitstests, dann war es geschafft und das Resultat lag vor. Hohe soziale Kompetenz. Das deckte sich mit meiner Eigenwahrnehmung. „Sir Frank Williams möchte mit Ihnen zehn Minuten persönlich sprechen“ und schon wurde ich in sein Büro gebracht. Aus den zehn Minuten wurden 45 Minuten und viele Lacher. Er war locker, aber bestimmt. „Michael, ich habe all deine Unterlagen, das passt gut. Erzähl mir von dir!“ Wir sprachen über meine Familie, Freunde, Hobbys. Seine österreichischen Freunde Toto Wolff und Nicki Lauda, von seinen Reisen und über die Tetraplegie. Nach gut 40 Minuten fragte er mich: „Könntest du dir vorstellen, als persönlicher Assistent für mich zu arbeiten. Ich trenne das strickt nach Pfleger und Assistenten und würde dich gerne untertags bei mir haben!“

Wow, ja das konnte ich mir gut vorstellen. „Ich melde mich bei dir“ sagte er und ab ging es wieder nach Kärnten. Nach zwei Wochen kam ein Anruf: „Welcome to the team“ und ein Monat später fuhr ich mit meinem Fiat 500, vier Sommerreifen und fünf Taschen bepackt nach England. Die nächsten (fast) sechs Jahre waren geprägt von unheimlich interessanten Begegnungen, tollen Reisen und einmaligen Erlebnissen. Aus Vertraulichkeitsgründen kann ich nicht alles erzählen, es war eine spannende Zeit. Ich habe Frank assistiert und war seine Hände und Beine. Notizen aufgenommen bei Meetings, nach London zu Besprechungen gefahren, Reisen zu den Formel 1-Grands Prix weltweit, Verhandlungen mit Sponsoren und Partnern. Unseren längsten gemeinsamen Trip verbrachten wir 52 Tage lang in Katar. Dort im „Katar Science und Technology Park“ hatte Williams eine Außenstelle, wo im Bereich der Hybridantriebstechnik geforscht wurde.  Williams hatte damals ca. 780 Mitarbeiter, wobei ca. 600 davon im Formel 1-Bereich arbeiteten und der Rest bei „Williams Advanced Engineering“, wo Williams seine Expertise im Bereich der Technologie kommerzialisierte. Da gab es Kooperationen mit Porsche, Nissan, Brompton, Sainsburys und vielen anderen. Eine spannende Sache war die Unterstützung bei der Produktion eines James Bond-Films. Im James Bond-Streifen „Spectre“ fährt der Bösewicht einen Jaguar C-X75. Dieses Auto wurde von Jaguar Land Rover zusammen mit Williams F1 konzipiert. Die Formel 1 ist kostspielig und die erfolgreiche Führung eines Rennstalls verschlingt Unsummen an Geld. Für mich war es hochinteressant, hinter die Kulissen von diesem Geschäft blicken zu können. Man darf nicht vergessen, dass die Hälfte der 24 größten Firmen der Welt in der Formel 1 tätig sind oder als Sponsoren auftreten. Banken, Ölfirmen, IT-Riesen – die Formel 1 ist um einiges komplexer als man an einem Rennwochenende im Fernsehen sieht. Volkswagen, Exxon Mobile, BP, Toyota, Daimler, AT&T sind eher bekannt, aber auch Firmen wie Red Bull, Rolex, Coca Cola, Microsoft, Unilever waren vertreten.

Frank war und ist ein Gentleman. Er sagte für jedes Anliegen „Bitte“ und „Danke“ – es war ein Traum. Da gab es kein „Hol mir einen Tee“ oder „Mach das“, eher „Michael, könntest du mir bitte einen Tee bringen?“ „Wärst du so lieb, XY anzurufen und ein Treffen zu vereinbaren?“ Das war sein Stil der Kommunikation. Jeden Abend holte er mich ins Büro und bedankte sich für den Tag. Hätte ich es nicht selbst erlebt, würde ich es nicht glauben. Wenn man so eng mit jemandem zusammenarbeitet, lernt man sich sehr, sehr gut kennen. Wenn man stundenlang im Auto sitzt, hat man Zeit, über Gott und die Welt zu sprechen. Bei uns stimmte die Chemie. Der Humor, die Liebe zur klassischen Musik und das Interesse an der Weltgeschichte. Es war, wie man so schön sagt, ein „perfect match“.

Mein Bruder hat mich einmal in England besucht, es miterlebt, wie Frank mit mir umgeht, und gemeint: „Genieße die Zeit, so respektvoll wirst du wahrscheinlich nie wieder behandelt!“Ich war seine „Hände und Beine“

Nach fünf Jahren saß ich in einem „Glitzerhotel“ in Abu Dhabi und fragte mich, ob das alles sei. Die letzten fünf Jahre war ich zu Weihnachten nicht bei meiner Familie. Obwohl Franks Familie sehr „welcoming“ war und mich wie einen von ihnen aufgenommen hat.

Frank: „Michael, du bist Teil der Familie, du nimmst dir die Getränke, wann und was du willst!“

Man sieht einiges und lernt viele interessante Menschen kennen, verzichtet aber auch auf enorm viel. Man verpasst Geburtstage, Familienfeiern, Hochzeiten usw. Wenn am Wochenende ein Grand Prix irgendwo auf der Welt startet, musste Frank dort sein und somit auch ich. Das war meine Aufgabe und Teil des Jobs. Diese Seite der Medaille, die Entbehrungen, den Verzicht auf Privatleben sieht niemand.

Irgendwann wollte ich dann weg, solange alles gut läuft.  Ich war so sehr in die Struktur der Familie, in die ich so herzlich aufgenommen wurde, verwoben – ich wollte gehen, solange alles in Ordnung war und es Frank körperlich und geistig gut ging. Die Kündigung ist uns beiden unheimlich schwergefallen, doch es war ein notwendiger Schritt. Wir sind bis heute freundschaftlich verbunden, ich habe ihn vor der COVID-19-Pandemie 2019 mit zwei Freunden in England besucht. Es war ein freudiges Wiedersehen, wo ich ihm von meinem jetzigen Job erzählte und wir uns wieder persönlich austauschen konnten. Bevor ich bei meinem letzten Besuch wieder nach Hause flog, schickte ich meine Freunde vor und hatte noch zehn intensive Minuten mit Frank, wo ich mich für alles bedankte. Diese sechs Jahre in Oxford hatten einen großen Einfluss auf mein Leben. Der eigene Horizont erweitert sich, und man sieht viele Dinge, die in Österreich normal waren, differenzierter oder anders.

Heute – ein neues Kapitel

Schon in England hat mich ein Freund angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, nach meiner Rückkehr 2016 für die maierhofer-Gruppe zu arbeiten. Die brauchen jemanden, der den Bereich „Homecare“ oder „Pflege zu Hause“ aufbaut. Klingt spannend, dachte ich mir und traf mich mit dem Chef der Firma, Herbert Maierhofer. Wir waren uns sympathisch und es brauchte nicht lange, um einen Dienstvertrag zu finalisieren. Mein Job war und ist es, den Bereich Pflegehilfsmittel, Verkauf und Beratung in Kärnten aufzubauen. Die maierhofer Holding GmbH ist eine Firma mit ca. 80 Mitarbeitenden und ist im Bereich der Orthopädie-Technik, Reha-Technik, Fuß-Gesundheit, Pflegehilfsmittel usw. tätig. Zur Gruppe gehören auch sechs Sanitätshäuser, die in ganz Kärnten verteilt sind (Wolfsberg, St. Veit, Villach, zwei Mal in Klagenfurt und Hermagor). Eine Tochterfirma ist auch die m-design, die Komplettlösungen für die Konzeption oder Renovierung von Pflegeheimen und Rehakliniken anbietet. Bei maierhofer bekommt man so ziemlich alles, d. h. vom Trinkbecher über Pflegebetten, vom Pflegeheimmobiliar bis zum Visitenwagen. Das Konzept lautet: „Alles aus einer Hand!“ Auch die sicherheitstechnischen Kontrollen (jedes Medizinprodukt muss einmal im Jahr kontrolliert werden) werden von unseren zertifizierten Mitarbeitenden (ISO und TÜV) durchgeführt.

Gemeinsam konnten wir den Bereich „Pflege zu Hause“ zu einem führenden Player im Bereich der Pflegehilfsmittelversorgung in Kärnten ausbauen und sind Partner aller Kassen. Die kostenlose und unverbindliche Erstberatung der Patient*innen zu Hause geschieht durch zwei diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, die umfassend beraten. – das steht für Kompetenz und Qualität.

Im Rahmen meines Jobs bei maierhofer bin ich auch Gastvortragender in Gesundheits- und Krankenpflegeschulen sowie an einer Fachhochschule im Bachelorstudium für Gesundheits- und Krankenpflege. Dabei thematisiere ich in meinen Vorträgen folgende Fragen: Welche Arten von Hilfsmittel gibt es im extramuralen Bereich? Wann verwendet man ein Wechseldrucksystem? Wann nicht? Was ist der Unterschied zwischen Kalt- und Viscoschaum? Welche Arten von Rollstühlen (Aktiv-, Pflege-, Elektro-, Aufsteh-, Standardrollstuhl) gibt es? Wo bekomme ich finanzielle Zuschüsse, Förderungen und Unterstützungen? Was bezahlt die Gesundheitskasse? Dekubitusprophylaxe.

Somit hat mich der Job des Diplomkrankenpflegers von Kärnten aus nach Windsor in ein Privatspital, nach Wien auf eine Intensivstation, über das Kreuzfahrtschiff in die Karibik, in die kurze Selbstständigkeit bis nach Oxfordshire in die Formel 1 und dann wieder zurück nach Kärnten gebracht – wo ich auch den Pflegestammtisch Velden/Rosegg leite.

Es ist wieder ein ruhigeres Leben und „ein Backen kleiner Brötchen“, wie ich es immer sage. Aber ich bin sehr glücklich mit dem, was ich tue und habe in meinem kürzlich renovierten Haus zum ersten Mal im Leben das Gefühl, angekommen zu sein. Und das ist gut…

Nachtrag: Als dieser Artikel geschrieben wurde, konnte niemand erahnen, dass sich Dinge schnell verändern können. Just an meinem 38. Geburtstag starb Frank Williams im 79. Lebensjahr. Als ich einen Anruf am Morgen des 28. November 2021 von einer englischen Nummer erhielt, dachte ich an freudige Geburtstagsgrüße – jedoch war es die Nachricht der Williams-Familie, die mich von seinem Ableben informierte. Seine Tochter lud mich zu einer kleinen Familienverabschiedung ein mit den Worten, dass ich kein Hotel zu buchen habe, da ich in seinem Haus wohnen könnte und bat mich, wenn es für mich in Ordnung wäre, beim Begräbnis seinen Sarg zu tragen. Diese große Ehre nahm ich, ohne zu zögern, an. Am Montag, dem 13. Dezember 2021 flog ich nach England und fuhr direkt mit einem Leihwagen zu seinem Haus. Es war eigenartig, wieder von all seinen Habseligkeiten, die mir vertraut waren, umgeben zu sein. Die Hausangestellten bereiteten alles für mich vor, da ich die Woche allein in diesem großen Haus war. Wegen der Sicherheit- und Gesundheitschecks musste ich ein paar Tage vorher in „Quarantäne“ bleiben, um mich dann einen Tag vor seinem Begräbnis freizutesten.

Am 16. Dezember 2021 trug ich Frank zum letzten Mal auf meinen Schultern in eine kleine Kirche nahe Oxford. Es war ein würdevoller Abschied und mein ganz persönlicher Abschluss einer unvergesslichen Zeit. Ruhe in Frieden, Frank.

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