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Gabriele Wiederkehr
Wie Pflegepersonen Ihren Beruf (wieder) lieben lernen

Die Fähigkeit zur Selbst-Fürsorge zählt zu den grundlegenden Voraussetzungen und Bedingungen, damit Menschen in Heilberufen langfristig (gesund) bleiben und die Freude am Beruf nicht verlieren. Damit Pflegekräfte den vielseitigen Herausforderungen des Pflegeberufes gewachsen sind, benötigen sie Kenntnisse und Fertigkeiten zur Stärkung und Erhaltung der eigenen Lebensenergie und Stärkung ihrer Gesundheit. Nur ein Mensch mit ausreichend Lebensenergie hat das Potential zum Glücklich-sein und zur Lebensfreude.

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Aus allen Medienkanälen kommt es unisono: wir stecken inmitten einer fulminanten Care-Krise. Pflegerinnen und Pfleger streiken weltweit. Viele verlassen ihren Beruf und wechseln in eine andere Branche. Einige versuchen sich selbstständig zu machen oder sich nebenberuflich zu betätigen. Noch mehr spielen mit dem Gedanken den Beruf für immer zu verlassen.

Die Pandemie und die vorherrschenden Arbeitsbedingungen im intra- und extramuralen Bereich verstärkten den Trend zur freiberuflichen oder/und nebenberuflichen Tätigkeit bei den Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege.

Seit Ende 2020 stiegen die Meldungen der frei- oder nebenberuflichen tätigen Pflegefachkräfte von 2673 Personen (4.11.2020) auf 9361 (12.5.2021). Exakt ein Jahr später am 12.5.2022 (Tag der Pflege und Geburtstag von Florence Nightingale) waren es mehr als doppelt so viele mit 20.054 Personen. Die ÖGKV Bundesarbeitsgemeinschaft Freiberufliche Pflege hat gemeinsam mit dem ÖGKV, dem österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes mit einem zusätzlichen Online-Gründerservice Angebot auf diese Entwicklungen reagiert. Derzeit sind 20.527 Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich freiberuflich oder nebenberuflich gemeldet (https://gbr-public.ehealth.gv.at/ 4.12.2022). Dieser Trend muss jedenfalls beobachtet werden.

Nicht die Pflege steckt in der Krise, sondern das Gesundheitssystem und die Gesundheitspolitik. Die Arbeitsbedingungen für Menschen im Pflegebereich sind aufgrund des Zeit- und Personalmangels physisch und psychisch belastend. An Wertschätzung mangelt es monetär und gesellschaftlich. Care-Arbeit (von vor allem Frauen!) braucht gesellschaftlich die angemessene Wertanpassung.

Die zahlreichen Krisen können nicht länger geleugnet werden. Neben der Klimakrise, der gesellschaftlichen Krise, der Demokratiekrise, stecken wir in einer veritablen Gesundheits- und Pflegekrise. Vor allem Pflegekräfte sind überlastet nach zwei Jahren Pandemie. Belastungen durch Dienstplanunsicherheit, ständige Bereitschaft und konstante Überforderung durch den Zeitmangel wurden offensichtlich.

Zitat Miss-Care Studie Austria, Cartaxo et. al. 2022

„Am häufigsten als sehr oft bzw. oft weggelassene Pflegetätigkeiten wurden

Interventionen angegeben, welche sich auf die

  1. a) emotionale Unterstützung sowie auf die
  2. b) Gesprächsführung mit Patient*innen und Angehörigen beziehen

(mehr als 60% der Befragten).“

Der moralische Stress ist hoch, denn qualitativ hochwertige Pflegearbeit benötigt ausreichend Zeit. Sind Pflegekräfte gestresst, dann können sie nur in reduzierter Form auf die Fragen und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten eingehen.

Zur individuellen Stressbewältigung stehen Pflegenden verschiedenste situationsspezifische Strategien zur Verfügung wie beispielsweise Distanz, Unterstützung, Neubewertung, Achtsamkeit und Fürsorge für sich selbst sowie Fort- und Weiterbildungen.

Bereits in der Gesundheits- und Krankenpflege-Ausbildung sowie im Bachelorstudium wird Self-Care meiner Meinung nicht ausreichend vermittelt und im Arbeitsumfeld wenig bis gar nicht praktiziert.

Insbesondere für Pflegekräfte ist Self-Care bedeutsam, da die Berufsgruppe besonders intensiv und nahe mit kranken Menschen arbeitet. Ständig Mitgefühl für andere Lebewesen zu empfinden, kann in die Erschöpfung führen (Compassion Fatigue).

Pflegende befinden sich häufig sehr körpernah mit den zu pflegenden Patientinnen und Patienten. Sie befinden sich in einem gemeinsamen Gefühlsraum und sind sich dessen oftmals nicht ausreichend bewusst. Die meisten Pflegehandlungen erfordern diesen individuellen, personenzentrierten Ansatz und die zwischenmenschliche Nähe. Diese Nähe erschafft einen Beziehungsraum, indem Stimmungen und Informationen übertragen werden können.

Eine Strategie ist die Weiterbildung zur Stärkung der Selbst-Fürsorge

Im Rahmen der Weiterbildung Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch gemäß § 64 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) ist neben dem praktischen Erlernen der klinischen Fertigkeit Therapeutic Touch(deutsch Therapeutische Berührung) auch die Stärkung der Selbstfürsorge-Kompetenz der Anwender/innen, also der Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte, ein zentraler Lehrinhalt. Mittels praktischer Qi Gong Körperübungen wie Duft-Qi Gong, Herz-Meridianübungen, Atemarbeit, Meditation, Affirmation und Imagination wird im Rahmen der 2-semestrigen Weiterbildung die Fähigkeit zur Selbst-Fürsorge geübt und im Leben als fester Bestandteil etabliert.

Denn die Voraussetzung für die Anwendung der klinischen Fertigkeit Therapeutic Touch sowie für den gesunden, langfristigen Verbleib im Pflegeberuf, ist die Stärkung der eigenen Gesundheit (Zentrum Lebensenergie, 2022).

Die Anwendung von komplementären Pflegemethoden ist eine pflegerische Kernkompetenz

 

In Österreich wurden mit der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes im Jahr 2016 die „Anwendung komplementärer Pflegemethoden“ und die „psychosoziale Betreuung in der Gesundheits- und Krankenpflege“ als pflegerische Kernkompetenzen gemäß Paragraph 14 GuKG, Abs.2, Pkt. 15 und 17 geregelt (Rechtsinformationssystem des Bundes, 2022).

Die klinische Fertigkeit Therapeutic Touch

 

Therapeutic Touch (Therapeutische Berührung) ist eine Technik des Handauflegens und wurde für den standardisierten und professionellen Einsatz in den frühen 1970er-Jahren von Dora van Gelder-Kunz (1904–1999), Heilerin und Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft in den USA, und von Dolores Krieger, PhD (1921–2019), Krankenschwester (RN) und Professorin für Pflegewissenschaft an der Universität von New York, entwickelte und standardisiert. Die Begründerinnen gingen davon aus, dass zwischen einem Energiefeld mit einem Überfluss an gesunder Lebensenergie und einem Feld mit Mangel an Lebensenergie ein Energieaustausch stattfindet. Krieger und Kunz betrachteten Handauflegen als ein menschliches Potenzial. Sie schulten mehr als 30.000 Pflegekräfte und Personen anderer Gesundheitsberufe in dieser holistischen Berührungsmethode. Seither wird Therapeutic Touch im Kontext der professionellen Pflege weltweit gelehrt, in mehr als 1000 Studien wissenschaftlich überprüft und zur Verbesserung der Gesundheit der Menschen eingesetzt (Wiederkehr, 2021, S 26)

Während der Therapeutic Touch Anwendungen wird das Muster des Energiefeldes mit den Händen ertastet (gescannt) und harmonisiert (Clearing, Modulierung, Balancierung). Ziel ist die Anregung des Energieflusses, damit ein neues Fließgleichgewicht (Symmetrie) wiederhergestellt und alte, stagnierte, kranke Energie ausgeleitet wird.

Mit Therapeutic Touch als komplementäres Pflegeangebot der modernen Gesundheits- und Krankenpflege wird bewusst und intentional (absichtsvoll) das humane Energiefeld-Muster mit den Händen gelenkt. In einem intentionalen Prozess wird Lebensenergie zum Zweck der Heilung moduliert, übertragen und harmonisiert. Therapeutic Touch ist ein prozessorientierter, noninvasiver, ganzheitlicher Vorgang und ist an keine Religion oder Glaubensrichtung gebunden.

Im Kontext von Krankheit, Leid und Not werden Menschen auffallend offen für Berührung und Handauflegen. Mit den geschulten Händen kann mittels der klinischen Fertigkeit Therapeutic Touch auf professionelle Weise menschliche Wärme, Mitgefühl und Fürsorge nonverbal vermittelt werden. Das stärkt die Beziehung und Bindungsebene zum berührten Menschen.

Therapeutic-Touch-Pflegeexpertinnen und -experten übertragen nonverbal Mitgefühl mit ihren geschulten Händen und ihrer Präsenz (Da-Sein). Lebenskraft wird willentlich und bewusst über die Hände übertragen. Der Effekt ist Angst- und Schmerzlinderung, Trost, Wohlbefinden (Comfort) und tiefe Entspannung.

Der Austausch von Lebensenergie zwischen Menschen ist ein natürliches und allgegenwärtiges Phänomen. Therapeutic Touch beruht auf der Annahme, dass dem humanen Energiefeld (HEF) ein Muster zugrunde liegt, welches mit den Händen eingeschätzt werden kann (gescannt).

Der gesunde Mensch hat ein harmonisches, symmetrisches Muster und ein warmes, weiches Energiefeld. Krankheit erzeugt ein Ungleichgewicht im Energiefluss. Das bioenergetische Verfahren des Handauflegens bewirkt, dass stagnierte Lebensenergie (chinesisch Qi, indisch Prana, japanisch Ki) wieder ins Fließen gebracht wird.

Das Pflegemodell „Die Wissenschaft vom unitären Menschen“ von Martha Elisabeth Rogers dient als Rahmen für die komplementäre Pflegeintervention Therapeutic Touch. Der Mensch und die Umwelt werden als Energiefelder definiert, welches als offene Systeme durch ständige Interaktion in einem wechselseitigen Prozess Energie substituieren. Rogers beschäftigte sich mit dem Menschen in einem pandimensionalen Universum und sieht ihn weniger als Individuum, sondern als unitär, also einheitliches Ganzes an, welches nicht auf Einzelteile reduzierbar ist (Rogers 1995, Wiederkehr 2021)

Im Rahmen der Zentrierung (der erste und wichtigste Schritt bei der Anwendung von Therapeutic Touch) können Fremdenergien und Fremdinformationen wieder ausgeleitet werden. Damit sich während der Anwendung der klinischen Fertigkeit Therapeutic Touch eine

ruhige Schwingung auf den berührten Menschen überträgt, wird die Aufrechterhaltung der Zentrierung während des gesamten Vorgangs benötigt. Der ruhige Zustand der Zentrierung und die gezielte Absicht der Anwenderinnen und Anwender bewirken, dass Trost, Hoffnung, Mut und Zuversicht mit den Händen übermittelt werden.

Übungen zur Selbst-Fürsorge

 

  • Das Führen eines Selbst-Fürsorge Tagebuches kann empfohlen werden.
  • Stille Momente zum Innehalten üben. In den Urgrund des Herzens lauschen.
  • Selbsterforschung und Selbsterkenntnis
  • Achtsamkeit praktizieren
  • Zuhören. Fragen stellen
  • Fühlen und so Verbindung zur Seele aufnehmen
  • Anerkennen, was ist
  • Sich selbst würdigen und wertschätzen
  • Das Wesen eines jeden Menschen in seiner Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit wertschätzen
  • Verbindung zur Natur, zum Wald, zum Erden und ins Gleichgewicht bringen
  • Am besten in der Natur. Verbindung zu den Elementen Sonne – Erde –

Wasser – Luft – Metalle – Steine – Pflanzen und Tieren bewusst aufnehmen und

sich als ein Teil des großen Ganzen wahrnehmen

  • Bereits zehn Minuten Meditationen pro Tag und einmal pro Woche in der Gruppe, zeigen bereits nach wenigen Wochen Veränderung im Gehirn.
  • Schädigende Gedanken und Glaubenssätze erkennen und durch positive Affirmationen ersetzen
  • Negative Wortwahl erkennen und durch positive Worte ersetzen
  • Ausleiten von selbstschädigenden Informationen, Gedanken, Sorgen und Beschwerden
  • Der Atem verändert das Energieniveau, löst Stagnationen und bringt Gefühle

wieder ins Fließen

  • Sich der geistig-spirituellen Ebene öffnen und sich von der geistigen Welt führen lassen.

Abb. 1: Ein starkes gesundes Energiefeld ist der beste Selbstschutz vor Leiden und Schmerzen anderer Menschen. © Cornelia Maria Gregor 2020. All Rights Reserved

 

Abb. 2: Fürsorge-Spiralen-Modell. Mitgefühl, Achtsamkeit, Ermutigung und auf den Menschen einlassen, werden im Kontext der Berührenden Pflege bewusst eingesetzt.
© Cornelia Maria Gregor 2020. All Rights Reserved

 

Abb. 3: Die Stärkung der beiden emotionalen Aufnahmebereiche Herz und Nabelzentrum mit den Händen.© Cornelia Maria Gregor 2020. All Rights Reserved

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Literatur

Cartaxo, A., Eberl, I. & Mayer, H. (2022). Die MISSCARE-Austria-Studie –Teil I. HBScience https://doi.org/10.1007/s16024-022-00387-x

Gesundheit Österreich GmbH (2022). Gesundheitsberuferegister Österreich. https://gbr-public.ehealth.gv.at/, 4.12.2022

Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe

(Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG). StF: BGBl, I Nr. 108/1997.https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011026, 4.12.2022

Rogers M. (1995). Theoretische Grundlagen der Pflege. Eine Einführung. Lambertus, Freiburg im Breisgau

Wiederkehr, Gabriele (2021). Berührende Pflege – Therapeutic Touch. Wirkung und Techniken. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-61988-9

Zentrum Lebensenergie – Institut für Weiterbildung im Gesundheitswesen (2022). Weiterbildung Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch gemäß § 64 GuKG. www.zentrum-lebensenergie.at

Abbildungen

Abb. 1: Ein starkes gesundes Energiefeld ist der beste Selbstschutz vor Leiden und Schmerzen anderer Menschen. © Wiederkehr G, Cornelia Maria Gregor 2020. All Rights Reserved

Abb. 2: Fürsorge-Spiralen-Modell. Mitgefühl, Achtsamkeit, Ermutigung und auf den Menschen einlassen, werden im Kontext der Berührenden Pflege bewusst eingesetzt. © Wiederkehr G, Gregor CM 2020. All Rights Reserved

Abb. 3: Die Stärkung der beiden emotionalen Aufnahmebereiche Herz und Nabelzentrum mit den Händen. © Wiederkehr G, Cornelia Maria Gregor 2020. All Rights Reserved

Zur Person

Gabriele Wiederkehr ist Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegepädagogin und selbstständige Unternehmerin. Sie leitet seit dem Jahr 2003 die Weiterbildung Komplementäre Pflege – Therapeutic Touch“ gemäß § 64 GuKG in Wien (Zentrum-Lebensenergie, Institut für Weiterbildung im Gesundheitswesen)

Start des 18.Lehrgangs am 10.Februar 2022 in Wien.

Kontakt: www.zentrum-lebensenergie.at

Gesundheitsförderung, Gesundheitsberatung in Verbindung zur klinischen Fertigkeit Therapeutic Touch: Praxisgemeinschaft Linke Wienzeile 106/11, 1060 Wien: https://www.praxis-wienzeile.at/

Mitgründerin (2003) und Vorsitzende der ÖGKV BAG Freiberufliche Pflege des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverband: www.oegkv.at

Derzeit im EU-geförderten Projekt Community Nursing – Grätzlpflege Landstraße in Wien tätig (FSW & Gesundheitspark Kooperation): www.community-nursing.wien

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