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Margit Schragl, Carmen Riegler
Duftreisen im psychiatrischen Setting

„Der Geruchssinn ist der Sinn der Erinnerung und des Verlangens“ – Diese Aussage von Jaques Rousseau war handlungsleitend, um gemeinsam mit 100% naturreinen ätherischen Ölen und inneren Bildern die Gesundheitskompetenz von Patient*innen mit psychischen Störungen zu fördern. Dazu wurde die Befindlichkeit der Teilnehmenden vor und nach der Duftreise erhoben, ausgewertet und dargestellt. Wie sich Duftreisen im psychiatrischen Setting wertvoll einsetzen lassen, lesen Sie in diesem Beitrag.

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Einleitung

Wir erkennen Gefahren auch am Geruch. Die Gefahr, verdorbene Nahrung von genießbarer zu unterscheiden, ist uns aufgrund des olfaktorischen Systems möglich. Ebenso können wir giftige Gase erkennen und ob es in der Nähe brennt. Jedoch ist der Geruchssinn kein evolutionärer Luxus, sonst hätten wir ihn nicht mehr. Wissenschaftler*innen gehen heute davon aus, dass bis zu einer Milliarde Gerüche unterschieden werden können (vgl. Heuberger et al., 2017, S. 12ff).

Es können aber auch innere Bilder entstehen, die mit dem jeweiligen Duft verbunden sind. Dieser Mechanismus wird bei den „Duftreisen“ genutzt. Das Therapiezentrum Ybbs bietet den Patient*innen einmal wöchentlich  „Duftreisen“ im Rahmen des Therapieprogrammes an. Dabei handelt es sich um eine Entspannungstechnik in Verbindung mit 100% naturreinen ätherischen Ölen und persönlichen Imaginationen, die von einer Pflegeperson mit Zusatzausbildung Aromapflege laut §64 GuKG, entsprechend der Handlungsleitlinie Aromapflege angeboten wird.

Dieser Artikel beschreibt diese Anwendung und wie sie sich auf die Befindlichkeit von Patient*innen mit psychischen Störungen auswirkt.Befindlichkeit kennzeichnet das aktuelle, ins Bewusstsein gerückte innere Erleben und Empfinden eines Individuums (Steyer et al.,1997, S. 4).

Methodik

Nach Klärung des Einverständnisses seitens des Wiener Gesundheitsverbundes und einer schriftlichen Einverständniserklärung der Teilnehmenden war das Ziel dieser quantitativ deskriptiven Untersuchung, Daten zu sammeln, um daraus Erkenntnisse über die Wirkung auf die Befindlichkeit der Teilnehmenden bei Duftreisen zu gewinnen. Zur Anwendung kam der standardisierte Mehrdimensionale Befindlichkeitsfragebogen (MdBF) in der Kurzform B. Dieser ist ein Instrument zur Erfassung dreier bipolar konzipierter Dimensionen der aktuellen psychischen Befindlichkeit: Gute-Schlechte Stimmung (G/S), Wachheit-Müdigkeit (W/M) und Ruhe-Unruhe (R/U). Diese drei Dimensionen dienen zur Beschreibung dessen, was man umgangssprachlich am ehesten als aktuelle Stimmungslage bezeichnen kann. Mit diesem relativ kurzen, aber reliablen Messinstrument ist es möglich, die Stimmung der Proband*innen hinsichtlich der drei Dimensionen zu erfassen (vgl. Steyer et al., 1997, S. 4f).

Da der MdBF auch in Gruppen eingesetzt werden kann, eignet er sich für den Einsatz der Anwender*innenbeobachtung sehr gut. Für die Kurzform B haben wir uns wegen der raschen Bewertung entschieden. Die Teilnehmenden haben den Fragebogen jeweils vor und nach der Duftreise ausgefüllt. Hierfür wurde der MdBF in der Kurzform B in zwei Spalten auf einem A4 Blatt dargestellt.

Im Zeitraum von Jänner – März 2020 wurden 233 Fragebögen gesammelt. 7 davon waren unvollständig und nicht verwertbar. Der kurze Zeitraum ergab sich aufgrund der Covid-19 Pandemie und daraus folgendem Lockdown. Teilnehmende Personen waren über 18-Jährige, die aufgrund ihrer psychischen Grunderkrankung stationär aufgenommen und am Therapieprogramm freiwillig teilgenommen haben.

Die ethischen Grundsätze

  1. Umfassende Information und freiwillige Zustimmung aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer; (= freiwillige Teilnahme)
  2. Anonymität;
  3. Schutz der Einzelnen vor eventuellen psychischen und physischen Schäden.“ (Mayer, 2015, S. 63)

wurden eingehalten. Die gesammelten Fragebögen wurden mittels MdBF Auswertungsschablone ausgewertet und mithilfe von Microsoft Excel verarbeitet. Die Ergebnisse wurden interpretiert und grafisch dargestellt.

Ergebnisse und Interpretation

Hier wurden die Fragen zur Wirkung von Duftreisen auf die subjektive Befindlichkeit von Patient*innen beantwortet:Wie wirken Duftreisen mit 100% naturreinen ätherischen Ölen bei Menschen mit psychiatrischen Störungen auf die Befindlichkeit? In jeder der Dimensionen sind 0 bis maximal 20 Punkte erreichbar.

Interpretation der Dimensionen

Gute/schlechte Stimmung: Hohe Werte = positive Stimmungslage; Person fühlt sich wohl, ist froh und zufrieden. Niedriger Wert = Missbefinden; Probandin/Proband fühlt sich unwohl und schlecht; Die Person ist missgestimmt, trübsinnig und unzufrieden.

Wachheit/Müdigkeit: Hohe Werte = wache und ausgeruhte Person; fühlt sich frisch und munter. Niedriger Wert = Person fühlt sich müde, schläfrig und schlapp.

Ruhe/Unruhe: Hohe Werte = innerlich ruhig und gelassen. Niedriger Wert = angespannt, aufgeregt, nervös, innerlich unruhig.

Der MdBF eignet sich besonders zur Erhebung der Befindlichkeit an zwei verschiedenen Messzeitpunkten. Im hier beschriebenen Fall war das vor und nach der Teilnahme an einer Duftreise. Aus dem dargestellten Diagramm (Abbildung 1) lassen sich folgende Ergebnisse ablesen:

  • In der Berechnung der Mittelwerte zeigen sich mit den Startwerten 12,91 (gute/schlechte Stimmung), 12,24 (Wachheit/ Müdigkeit) und 11,94 (Ruhe/Unruhe) bereits hohe Ausgangswerte. Daraus ist ersichtlich, dass die teilnehmenden Personen mit einer durchwegs positiven Befindlichkeit das Therapieangebot der Duftreisen annehmen.
  • Die Berechnung der Mittelwerte nach der Duftreise ergibt eine Steigerung der Befindlichkeit in allen drei Dimensionen: 14,63 (gute/schlechte Stimmung), 13,07 (Wachheit/ Müdigkeit) und 14,50 (Ruhe/Unruhe).
  • In der Dimension Stimmung zeigt die Erhöhung um 1,72 im Skalenwert, dass sich diese während der Duftreise noch weiter verbessert hat.
  • In der Dimension Wachheit/Müdigkeit ist der Skalenwert um 0,83 gestiegen und zeigt somit, dass sich die Wachheit nach der Duftreise geringer als die anderen Dimensionen erhöht hat. Das lässt sich durch die Entspannungstechnik erklären.
  • Die Wirkung der Entspannungstechnik „Duftreise“ zeigt sich in der Dimension der Ruhe/Unruhe mit einer Steigerung um den Skalenwert von 2,56. Dies zeigt die Zunahme innerer Ruhe während der Duftreise.

Die Berechnung der Mittelwerte nach der Duftreise ergibt eine Steigerung der Befindlichkeit in allen drei Dimensionen und belegt damit die Wirksamkeit der Anwendung der ätherischen Öle in Kombination mit den Duftreisen. Besonders ausgeprägt stellt sich die Wirkung in den Dimensionen „Stimmung“ und „Ruhe“ – als eine Verbesserung während der Duftreise dar. Eine Zunahme der subjektiv erhobenen Befindlichkeit entsprechend den Items des verwendeten MdBF ist damit von den teilnehmenden Personen bestätigt.

Der Nutzen für die Teilnehmenden besteht in der Reflexionsmöglichkeit der persönlichen Befindlichkeit im Zusammenhang mit Duftreisen und in der Bewertung der Wirksamkeit der Anwendung für sich selbst.

Die Förderung der Gesundheitskompetenz der teilnehmenden Personen ist durch das Kennenlernen, die regelmäßige Teilnahme und die Planung, das Erlernte nach dem Therapieaufenthalt auch zu Hause anzuwenden, gegeben.

Resümee

Covid-19 hat nicht nur die Planung dieser Anwender*innenbeobachtung durchkreuzt, sondern zeigt vielfache Auswirkungen in unser aller Leben – nicht zuletzt im psychischen Bereich. Ängste, Depressionen und allgemeiner Stress verstärken sich und können so auch Auswirkungen auf unsere körperliche Gesundheit und unser Immunsystem haben.

Entspannungstechniken, wie die hier beschriebene, in Verbindung mit 100% naturreinen ätherischen Ölen, zeigen positive Auswirkungen auf die Stresssymptomatik und sind damit zur Förderung der Gesundheitskompetenz und des persönlichen Wohlbefindens zu empfehlen.

 

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Literatur

Heuberger, E., Stappen, I., von Rohr, R. (2017). Riechen und Fühlen: Wie Geruchssinn, Ängste und Depression zusammenspielen – Neue Wege der Behandlung, 2. Auflage, Munderfing: Fischer & Gann.

Mayer, H. (2015). Pflegeforschung anwenden. Elemente und Basiswissen für das Studium, 4. Auflage.
Wien: Facultas.

Steyer, R., Schwenkmezger, P., Notz, P., Eid, M. (1997). Der Mehrdimensionale Befindlichkeitsfragebogen (MDBF) Handanweisung. Göttingen: ­Hogrefe Verlag für Psychologie.

Zur Person

Margit Schragl, MA MSc

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (Psychiatrie)

Akademische Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege

Studium „Gesundheitsmanagement“ an der FH Krems

Studium „Pflegepädagogik“ an der Karl-Franzens-Universität Graz

Kontaktdaten:

E-Mail: margit.schragl@gesundheitsverbund.at

Tel: 07412 55100 500

Therapiezentrum Ybbs, Burgplatz 9, 3370 Ybbs

 

Carmen Riegler

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, (Psychiatrie)

Weiterbildung: Komplementäre Pflege-Aromapflege laut §64 GuKG

Weiterbildung: Praxisanleitung

Kontaktdaten:

E-Mail: carmen.riegler198@gmail.com

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